Geschichten:Im Sturm - Zweckbündnis

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Burg Orbetreu, kurze Zeit später


„Das ist nicht Euer Ernst!“ Hadrumir war ob des Vorschlages Anselms, die Natzungerin zu ehelichen, aufgesprungen und wütend. „Glaubt Ihr wirklich, dass ich dies mit mir machen lasse?“ Hadrumir tigerte unruhig durch den Raum. „Und dann diese Forderungen! Bildet sich diese kleine Schlange etwa ein, dass ich darauf eingehe? Sie mag vielleicht nett sein, aber deshalb heirate ich sie doch nicht.“

Anselm wirkte belustigt, während Hadrumir weiter polterte: „Reist nach Feidewald. Bringt Geismar dazu, mir mehr Männer zu geben! Ich werde dem Grützer dann klar machen, dass er seine dreckigen Finger von Natzungen lassen soll. Aber lasst mich mit solchen Ideen in Ruhe!“

„Ich verstehe Euch nicht. Ich biete Euch hier doch die Gelegenheit, die Ihr immer gesucht habt. Vielleicht solltet Ihr Euch erstmal anhören, was mir vorschwebt.“

„Na da bin ich aber mal gespannt. Und wehe, Ihr erzählt mir was von Pflicht und Ehre. Da brauche ich mir von Euch keine Lektionen erteilen zu lassen!“

„Aber nein, keine Angst. Eher will ich kurz etwas anschneiden, das Euch vielleicht noch nicht aufgefallen ist. Erinnert Ihr Euch an die Erhebung der Eychgraserin zur Baronin von Bärenau? Völlig zu recht meinte Euer von uns beiden ja hochgeschätzter Vetter Ludorand, dass es doch an der Zeit wäre, eine der alteingesessenen Familien aus Hartsteen in den Hochadel aufsteigen zu lassen. Ich glaube nicht, dass er Euch im Sinne hatte. Bedenkt: als Baron von Natzungen steht Ihr über ihm. Ich hielte das für durchaus angemessen.“

Hadrumir schaute ihn verblüfft an. Das war in der Tat eine Seite der Sache, den er noch nicht bedacht hatte. „Und Ihr meint, wir lassen uns mit einer halben Baronie abspeisen?“

„So viele Baronien hat Hartsteen nun auch wieder nicht. Da muss man ein wenig sparen. Alle anderen sind recht unerschütterlich vergeben. Und die Natzungerin einfach davonjagen können wir nicht. Wir sind hier ja immer noch in Garetien, wir müssen zumindest den Schein von Recht und Ordnung wahren.“

„Dann soll ich Euch also auch noch dankbar sein?“

„Nein, das müsst Ihr nicht. Mir genügt, wenn Ihr Euch das ganze noch mal überlegt.“

„Zu diesen Bedingungen niemals! Eher reite ich nach Oberhartsteen und leiste Luidor den Lehnseid!“

„Dann nennt ihr Eure Bedingungen. Ich vermittle da gern.“

„Ihr werdet sie kaum vom Namen Schwingenfels überzeugen können?“ fragte Hadrumir resignierend.

Anselm lächelte nur.

„Die Zwölfe mögen Euch dafür irgendwann strafen!“ fluchte Hadrumir. „Versucht sie davon zu überzeugen! Und wenn nicht davon, dann zumindest von Schwingenfels-Natzungen! Und was ihr Wappenschild angeht: Das Schwert von Natzungen umarmt von den Schwingenfelser Schwingen und davon weiche ich nicht ab!“

„Das wäre alles?“

„Die Vermählung vor dem Rondrianer kann sie wegen mir haben! Verdammte Schlange! Ich will nur für sie hoffen, dass sie weiss, wie sie sich im Bett zu benehmen hat!“

Anselm wirkte belustigt und wandte sich zum Gehen, als er hinter sich ein Krachen hörte. Der Schwingenfelser hatte die Faust mit seinem Panzerhandschuh in eine Schranktür gerammt. „Verdammtes Zweckbündnis!“ sprach Hadrumir, setzte sich und nahm sich eine Flasche Balihoer Bärentod.


Burg Orbetreu, Turmgemach am Vormittag, 2. Travia 1030 BF


Tanira hörte sich ruhig die Forderungen des Schwingenfelsers an, die ihr Anselm vortrug – als er geendet hatte, schmunzelte sie kurz.

„Er glaubt doch nicht im Ernst, dass ich meinen Namen für ihn ablegen würde. Er soll sich geehrt fühlen, dass ich selbiges nicht von ihm verlange. Nun gut, er mag das Natzungen bei sich hinten anstellen, doch ich werde selbiges mit seinem Namen halten. Über die Namen unserer Erben werden wir uns dann später einigen müssen, wenn wir uns etwas besser kennen.“

Anselm konnte den Anflug eines Schmunzelns nicht unterdrücken – genau diese Lösung hatte er vorschlagen wollen – so wie er die Dinge einschätzte würde diese Verbindung zustande kommen, wie er sich das ausgemalt hatte. „Und der Vorschlag des Wappenschildes?“

„Ist die bestmögliche Lösung, denke ich – so soll es sein.“

Anselm nickte „Dann werde ich dies eurem zukünftigen Gemahl so überbringen und dann zu Graf Geismar abreisen, damit er die weitere Unterstützung veranlassen kann.“

Die Natzungerin nickte: „Tut dies – und sorgt dafür, dass er mich hier bald herausholen lässt.“


Burg Orbetreu, eine weitere Verhandlungsrunde später


„Seht einmal, was ich hier habe", meinte Anselm gut gelaunt zu Hadrumir. Der Junker, der seinem Bärentod inzwischen mehr zugesetzt hatte als dieser ihm, blickte auf.

„Was soll das sein?"

„Ein Brief von Eurer Braut an unseren Herrn Graf. Wollt Ihr ihn sehen?"

„Ach, bleibt mir damit vom Leib. Ich hab für heute genug von Euren Winkelzügen!"

„Wie Ihr meint. Aber der Lehnseid ist gut und genau wiedergegeben."

„Der Lehnseid?" Hadrumirs Interesse war geweckt. „Lasst hören!"

Anselm rollte das Pergament aus und begann, vorzulesen:


„An seine Hochwohlgeboren Geismar II. von Quintian-Quandt zu Hartsteen


Im Namen der Zwölfgötter, Praios voran, dem das Recht und die Ordnung lieb sind. Ich versichere Euch, dass ich frei und adlig in rechtmäßiger Ehe geboren bin und dass mir durch Geburt und Fähigkeiten das Lehen der Baronie Natzungen zusteht. Auch versichere ich, dass ich keine Magie anwende und keiner der Kirchen der Zwölf als Geweihte verbunden bin. Daher begehre ich mich durch meinen Schwur auf die Gemeinschaft des über die garetischen Lande im Namen Praios herrschenden Adels anzuschließen.

Ich kenne die Pflichten, die ich als Baronin zu Natzungen erfüllen muss und bin bereit, ihrer Majestät, Königin Rohaja von Gareth, immer mit Rat zu helfen, wenn sie dessen bedarf. Ich bin bereit, ihrem Ruf mit meinen Bewaffneten zu folgen, wie es die Lehnspflicht gebietet und werde all meine Fähigkeiten und mein Leben in den Dienst der Königin stellen, wie es recht und billig ist.

In Praios Namen schwöre ich, Tanira von Natzungen, dass ich meine Lehnspflichten mit allen Kräften erfüllen will. In Rondras Namen schwöre ich, dass ich meiner Königin Rohaja mit meinen Bewaffneten folgen werde, wenn sie mich zu den Waffen ruft. In Hesindes Namen schwöre ich, ihrer Majestät mit meinem Rat zu dienen, wenn immer sie dessen bedarf. Mein Leben und meine Fähigkeiten sollen dem Wohl Garetiens dienen.

Mögen die heiligen und ewigen Zwölfe über diesen Schwur wachen, bis ich übers Nirgendmeer ziehe.

Hiermit habe ich vorläufig Treue geschworen, bis ich diesen Schwur in korrekter Form ablegen kann und bitte Treue mit Treue zu vergelten.


Tanira von Natzungen,

gegeben am 2. Travia im Jahre 1030 nach dem Fall Bosporans zu Burg Orbetreu


„Gesiegelt und unterschrieben ist er auch. Sehr fein, oder?“

„Und damit geht Ihr jetzt zu Geismar und heimst die Lorbeeren ein?" brummte Hadrumir.

„Keine Angst, ich werde nicht vergessen, Euren Anteil zu erwähnen. Aber ich denke, es wäre an der Zeit, Eure zukünftige Gemahlin als Verbündete zu behandeln. Immerhin seid ihr ja einig geworden, Herr von Schwingenfels-Natzungen."

Wenn Blicke töten könnten, hätte Anselm bei dem Blick, den ihm der Schwingenfelser ob seiner Worte zu warf, tot umfallen müssen. Vom Bärentod schon mächtig angeschlagen torkelte der Schwingenfelser nach draußen. Besorgt blickte Anselm auf die fast leere Flasche.


Burg Orbetreu, Burghof zwei Stunden später


Man hatte ihr Kleidung gebracht und ihr mitgeteilt, dass sie sich zum Aufbruch fertig machen sollte. Sie kleidete sich wieder in Kettenhemd und Wappenrock – auch wenn dieser nun ziemlich zerknittert war. Kurz darauf war erneut eine Wache eingetreten, welche sie höflich bat, ihr zu folgen und so wurde sie auf den Burghof geführt. Der Schwingenfelser wankte bedenklich in seinem Sattel und schaute sie aus glasigen Augen an.

„Euer Hochgeboren, ich denke, dass Ihr eine Baronie verteidigen wollt“, sprach er mit nicht allzu klarer Stimme. „Nun, dort vorne.“ Als der Schwingenfelser auf ein Pferd zeigte, wankte er erneut äußerst bedenklich und hatte Schwierigkeiten mit seiner Hand auf das Pferd zu zeigen. „Da vorne steht ein Pferd für Euch bereit.“ Tanira fragte sich, wie sich der Kerl überhaupt im Sattel hielt.

Tanira machte keine Anstalten, zu dem Tier zu treten und aufzusitzen. „Euer Wohlgeboren, wie wäre es, wenn Ihr mir zu allererst mein Eigentum wieder aushändigen würdet? Ich denke nicht, dass ihr mein Schwert und mein Banner am Schauplatz des Überfalls gelassen habt.“

Hadrumir nickte einem seiner Männer zu, der daraufhin mit dem Gewünschten zu ihr trat. Sie gürtete sich wieder mit ihrem Schwert, welches an einem abgenutzten Lederwerk dann wieder an ihrer Hüfte hing. Ihr Wappen hatte man in Natzungen vom Träger genommen und zusammengelegt – sie strich kurz darüber. „Habt Dank!“ gab sie nickend Hadrumir zurück, trat dann ans Pferd und stieg auf.

„In der Tat, wir“ sie blickte ihm ins Gesicht als sie das wir besonders betonte. „Wir haben eine Baronie zu verteidigen. Und wir sollten schnell sein, Junker. Gestern Morgen wurde mir beim Frühstück berichtet, dass der Grützer weiter vorgerückt ist. Wenn er sich beeilt, kann er morgen früh vor den Mauern Natzungens stehen. Und wenn er Wind von meiner Entführung bekommen hat, wovon ich fest ausgehe, wird er das mit tödlicher Sicherheit.“ Sie ordnete die Zügel richtig und wartete dann, dass er den Befehl zum Abritt gab.

Später suchte sie den Platz an seiner Seite und begann ein kurzes Gespräch „Ist die Aussicht, mich zu ehelichen und zum Baron aufzusteigen, so schlimm für Euch?“ Mit immer noch glasigen Augen stierte sie der Schwingenfelser nur an und sie gab es auf, sinnvoll mit ihm zu reden. ’Vielleicht ist er später ansprechbar, wenn er etwas länger Luft um die Ohren hatte’. Sie ließ sich etwas zurückfallen und folgte den Männern schweigend.