Geschichten:Im Sturm - Ein Gespräch unter vier Augen

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Stadt Natzungen, Amtsstube der Baronin, kurze Zeit später


Es klopfte an der Tür. Tanira blickte genervt von den Papieren, die sie gerade laß auf, sprach jedoch ruhig: „Herein!“ Herein kam der Knappe Ihrer Großkusine, Ludegar von Schwingenfels. Er war eigentlich der Knappe Malines gewesen, Aldare durfte gar keinen Knappen haben, da sie den Ritterschlag nie erhalten hatte.

„Was gibt es?“ sprach Tanira.

„Euer Hochgeboren! Da ist jemand, den Ihr empfangen müsst!“

Tanira war verblüfft. ’Wagte es dieser achtzehnjährige Jungspund ihr Vorschriften zu machen?’ Laut erwiderte sie: „Was hat das zu bedeuten?“ Ihr stand der Sinn absolut nicht nach den ewig gleichen Reden des Stadtvogts, der ihr seit Tagen versuchte seinen „starken“ Arm schmackhaft zu machen.

„Ihr solltet ihn empfangen!“

„Sagt ihm, dass ich beschäftigt bin!“

„So, Ihr seid beschäftigt? Nun, ich denke das sieht man“, sprach ein hochgewachsener Mann, welcher nun den Raum betrat. Tanira konnte sehen, dass er ein Kettenhemd trug, darüber einen Waffenrock, welcher auf Blau zwei nach oben geschwungene Schwingen zeigte: Das Wappen der Familie Schwingenfels. Die blauen Augen des Kämpen schauten Tanira herausfordernd an.

Tanira stand hinter dem großen Arbeitstisch auf und stützte sich dort mit den Händen ab während sie ruhiger werdend den Mann musterte. Durch ihren Kopf huschten die Beschreibungen der Familien und ihrer Mitglieder, die sie von ihren Mitarbeitern erhalten hatte.

Hadrumir von Schwingenfels nehme ich an? Kommt herein und setzt euch – für euch habe ich natürlich Zeit.“ Sie wies einladend auf den gepolsterten Stuhl vor ihrem Arbeitstisch, der unter der Last von Berichten und Karten der Umgebung, auf denen die militärische Situation der Baronie ansatzweise wiedergegeben war, verschwand.

Mit den Worten „Ludegar, bitte sorge für eine Erfrischung“ verwies sie den jungen Mann des Raumes und musterte dann den Mann weiter, der sich mit einem fast überlegen wirkenden Lächeln auf dem Stuhl niederließ.

„Was bringt mich zu dem Vergnügen Eurer Gegenwart?“ fragte sie sich ebenfalls wieder auf dem Stuhl niederlassend.

Der Schwingenfelser konnte ohne Probleme von seinem Sitzplatz aus die Pläne der Baronie einsehen – fein säuberlich waren darauf die Bewegungen des Windischgrützers verzeichnet. Daneben eine Aufstellung der geringen Truppen der Natzungerin – sie schien sich der Unterlegenheit durchaus bewusst zu sein.

Hadrumirs Lächeln wirkte immer noch überheblich, als er sagte: „Ich wollte mir nur einmal die Frau ansehen, welche die Dreistigkeit besitzt, sowohl Luidor von Hartsteen als auch Graf Geismar die Stirn zu bieten!“

Sie grinste bitter. „Wollt Ihr mich verhöhnen?“

Hadrumir machte eine beruhigende Geste: „Was hätte ich davon?“

„Sagt es mir!“

Hadrumir lächelte wieder überlegen: „Nichts! Zu schade nur, dass Euch diese Dreistigkeit das Leben kosten wird. Der Grützer wird mit Euch leichtes Spiel haben.“

Die Natzungerin machte auf Hadrumir einen angespannten Eindruck.

„Das hier…“ Hadrumir nahm einen der Pläne vom Tisch, schaute kurz darüber und legt ihn dann lächelnd zurück. „Das hier zeigt doch nur eins. Ihr werdet verlieren!“

Sie lachte bitter und etwas heiser auf. „Aber was hätte euer Graf von einer Niederlage der Familie Natzungen? Das würde nur den Anspruch des Windischgrützers, mit dem Ihr doch meiner Information nach in Fehde liegt, auf Natzungen Rechtens machen - und da der offen dem Hartsteener folgt, wäre die Baronie für die Quintian-Quants als Posten verloren." Sie blickte ihm fest in die Augen: „Für mich ist Euer Erscheinen Beweis genug, dass Geismar das bewusst ist - und es ihm nicht schmeckt. Ich bin sicher, Ihr habt den Auftrag, eine Allianz herbeizuführen oder zumindest dafür zu sorgen, dass ich nicht sterbe." Immer noch musterte sie ihn fest.

Hadrumir lächelte gefährlich. „Bei Euren Überlegungen ist der Wunsch Vater des Gedanken. Graf Geismar ist nicht an einer Allianz mit einer abtrünnigen Familie interessiert. De jure ist nach Ansicht der Berater des Grafen, mit der Weigerung Aldares einen Lehnseid abzulegen, der Lehensheimfall eingetreten. Und Ihr habt mit Eurem Schreiben ja deutlich gemacht, dass Ihr den gleichen Kurs einschlagt, den Aldare vorgegeben hat. Dann kann ich den Grafen verstehen, dass er sich lieber mit dem Grützer rumschlägt. In einem Punkt habt Ihr jedoch Recht: Geismar gedenkt nicht die Baronie aufzugeben. Aber Ihr nehmt Euch und Eure Position bei dieser Angelegenheit zu wichtig. Geismar wartet einfach ab, er braucht nicht gegen den Grützer zu kämpfen, Ihr schon. Euch bleibt keine Wahl.“

Hadrumir ließ die Worte einen Moment im Raum stehen und fuhr dann leise, fast lauernd fort: „Und während Ihr Euch mit dem Grützer herumschlagt, sammeln Borstefred von Katterquell und mein Vetter Ludorand die Truppen Geismars in Feidewald. Ich habe meine Truppen als Vorhut schon hier.“ Hadrumir wirkte jetzt sichtlich überlegen, als er mit einem sachlichen nüchternen Ton sprach: „Wenn der Grützer Euch dann beseitigt hat, werden wir uns seiner annehmen. Und solltet Ihr wider Erwarten siegreich sein, dann werden wir uns eben Eurer annehmen.“ Hadrumir blickte auf seinen Panzerhandschuh, wischte ein wenig Dreck von ihm und sprach ohne wirklich von seinem Tun aufzuschauen: „Ich denke aber, dass ich bei Graf Geismar ein gutes Wort für Euch einlegen werde. Wenn Ihr eine Verzichtserklärung unterzeichnet, wird er auf einen Prozess wegen Verrat verzichten. Man wird vielleicht sogar einen Posten finden, auf welchem Eure Fertigkeiten von Nutzen sind.“

Tanira hörte sich seine Ausführungen mit unbewegter Miene an. Als der Schwingenfelser geendet beendet hatte, überlegte sie kurz und setzte dann an: „Ad primus – Weder Aldare von Natzungen noch ich haben uns geweigert, einen Lehenseid abzulegen! Da wir streng reichstreu sind, haben wir uns nur darauf berufen, abzuwarten, wer nun vom Reich als Graf bestätigt wird, um nicht unbeabsichtigt als Reichsverräter zu gelten, da wir den falschen Lehenseid hätten ablegen können. Daher muss ich den Vorwurf aufs Schärfste ablehnen, meine Familie wäre abtrünnig!“

Kurz holte sie Luft. „Ad Secundus: Ein Lehensheimfall kann nur eintreten, wenn ein Lehenseid auf das Reich direkt verweigert wird – dies ist hier mitnichten der Fall – habe ich schließlich selbst noch bis vor 2 Götternamen im direkten Dienst der Kaiserin und des Reiches gestanden. Daher ist auch die Ernennung des Grützers durch den Hartsteener nicht rechtens.“

Ihr Blick glitt über den Recken vor ihr – kurz blitzte ein sehr beliebter Satz ihres Stadtvogts durch ihre Gedanken ’Ihr braucht einen starken Arm an Eurer Seite’. In diesem Moment wirkte ihr Blick versonnen, doch dann zwang sie sich gewaltsam, ihre Gedanken wieder in wichtigere Bahnen zu lenken.

„Euer Ansinnen auf eine Verzichtserklärung meinerseits kann ich ebenso nur ablehnend bescheiden. Die Familie Natzungen hält das Lehen Natzungens seit dem Jahr 336 nach dem Falle Bosparans, und ich werde nicht diejenige sein, die es einfach so verschleudert!“ Kurz lächelte sie „Aber wenn mich beide Grafen so unter Druck setzen wollen, wie wäre es mit der Idee, dass ich meinen Lehenseid stellvertretend der Praioskirche leiste, bis das Reichsgericht entscheidet.“ Kalt musternd lag ihr Blick auf der Gestalt des Schwingenfelsers. „Allerdings – dann seit euch gewiss, dass Natzungen niemandem helfen wird.“

Hadrumir erhob sich. „Ihr vergesst dabei eins. In drei Tagen wird der Grützer hier sein. Bis dato werdet Ihr keine Möglichkeit haben, einen Lehenseid zu leisten, zumindest nicht der Praioskirche. Dafür werde ich dann Sorge tragen.“ Er wandte sich zum Gehen. „Boron sei Eurer Seele gnädig!“ Während die Natzungerin ihm fassungslos hinterher starrte, nahm Hadrumir dem zurückkehrenden Ludegar einen Weinpokal vom Tablett und trank diesen auf dem Weg nach draußen. Erfolgreich konnte man das Gespräch nicht nennen, aber Hadrumir war kein Diplomat. Also würde er das tun, was er am Besten konnte und dafür hatte er einen Plan. Er musste nur seinen Hauptmann sprechen und diesen Knappen erneut aufsuchen.

Tanira blickte ihm hinterher. ’Eine offene Drohung also – nun denn – dann muss ich schnell sein’. Sie begann damit die Vorbereitungen zu treffen, am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang im örtlichen Praiostempel den Eid zu leisten. Nebenbei gab sie den Befehl, dass der Knappe Ludegar bis auf weiteres das Haus nicht mehr zu betreten habe, stockte ihre Leibwache auf und bewaffnete sich selbst, obwohl sie in den letzten Tagen auf die Waffe im Haus verzichtete.