Geschichten:Hirsch, Krähe, Katze – Die Jungen von Hirsch und Katze

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Burg Basilstein, Anfang Peraine 1043

Hildana von Nadoret-Luring seufzte schwer. Ihr Neffe, der ungestüme Bolzer, war gefallen, erschlagen von Waldsteiner Truppen bei der Verteidigung der Grafschaft. Wie konnte es nur so weit kommen? Ganz Garetien stand in Flammen und die Ritterschaft schlachtete sich gegenseitig mit einer Inbrunst ab, die sie schaudern ließ. Hildana hatte die Nachricht von Bolzers Tod bereits vor zwei Tagen erreicht, aber noch hatte sie dessen Witwe Meara nichts gesagt. Sie hatte ihr noch nichts gesagt, hatte sie sich doch in Ruhe ihre nächsten Schritte überlegen wollen.

„Gefallen?“ Meara wurde sogleich schwindelig. Jeden Tag, den Bolzer im Krieg gewesen war, hatte sie für ihn gebetet. Er war immer so zuversichtlich gewesen, dass er als Sieger heimkehren würde und sie hatte sich dennoch immer vor Sorge verzehrt, sobald er ausgeritten war. Meara sackte auf die Knie und begann zu schluchzen. Sie konnte und wollte sich vor ihrer gestrengen Tante nicht mehr im Griff halten. All ihre Albträume hatten sich erfüllt. Sie war alleine auf weiter Flur mit ihren Kindern.

Ein Leben ohne Bolzer? Ohne den Mann, den sie von Herzen liebte? Sie hatte mit ihm über alles reden können, alles ausspreche, alles sagen, ohne sich dumm vorzukommen und er hatte sie gehalten, ganz gleich was geschehen war. Und nun? Er war doch ihr Leben gewesen, doch ihr Leben war gestorben. Einfach so gestorben. Gefallen. Ein sinnloser Tod. So unfassbar sinnlos! Wie sollte sie nur weiterleben? Wie sollte es nur weitergehen? Der Platz neben ihr im Bett würde auf immer leer bleiben, leer und kalt und Meara würde von Bolzer nichts bleiben, dafür würden die Nadoreter schon sorgen...

Irgendwann begannen die Tränen zu versiegen. Ihre Tante stand noch immer da. „Was hast du jetzt vor?“, fragte sie Meara, ohne dabei besonders große Anteilnahme zu zeigen. Meara schluckte. Hier konnte sie nicht bleiben, dass wusste sie. Hildana hatte sie nie besonders gemocht, vielleicht weil sie nicht aus einem so arroganten und von sich selbst besessenen Geschlecht kam wie Bolzer, oder aber weil Bolzer und sie aus Liebe und nicht aus Familienkalkül heraus geheiratet hatten. „Ich werde zu Vater nach Rubreth gehen. Er wird uns sicher irgendwie unterbringen können.“

Hildana schnaubte. „Das wird er ja müssen, er ist ja schließlich dein Vater. Nur damit das klar ist. Die Kinder bleiben erst einmal hier und gehen nach Eychfeld zu den Großeltern. Du weißt ja gar nicht wie man einen von Nadoret großzieht.“

Mearas Trauer wandelte sich in Zorn. „Du willst mir meine Kinder wegnehmen? Das... das... kannst du nicht machen. Das... das... das wagst du nicht. Ich bin ihre Mutter!“

Hildanas Gesichtszüge verhärteten sich. „Jetzt beruhig dich doch Kindchen. In ein paar Jahren würden sie ja ohnehin als Pagen aus dem Haus gehen. Es ist doch das beste für die Kinder. Mit dem Einfluss unserer Familie haben sie eine große Zukunft vor sich. Als Kinder einer land- und anstellungslosen Dame ohne Namen aber werden ihnen viele Türen verschlossen bleiben.“

„Das kannst du nicht machen”, wiederholte Meara, sie spannte sich an und wollte sich auf ihre Tante werfen, aber sie wurde von harten Händen gepackt.

„Aber, aber.“ Hildanas Stimme klang tadeln. „Du wirst doch nicht deine Hand gegen deine eigene Familie erheben wollen. Wenn du dich so aufführst wirst du leider ein paar Tage dein Zimmer nicht verlassen dürfen. Wenn du dich beruhigt hast kannst du tun und lassen was du willst, aber versuch keinen Blödsinn mit den Kindern. Der Einfluss des Hauses Nadorets reicht weit und wir werden dich finden und zur Rechenschaft ziehen solltest du den Kindern jemals wieder zu nah kommen.“

Meara wurde in eine Ecke des Raumes geschubst und Hildana verließ das Zimmer. Hinter ihr knallte die Tür zu und ein schweres Schloss angebracht.