Geschichten:Heimkehr

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Heimkehr

Langsam zogen die grauen Wolken und ein kalter Wind umher, als Raulbrin von Rallerspfort das letzte Stück des Weges zur Burg Rotkrähenborn einschlug. Früh hatte er sich aus den Federn seines Lagers erhoben, den Bart ordentlich gestutzt und versucht die Haare mit einem Kamm zu bändigen. Gut wollte er aussehen, wenn er nach langer Zeit Mutter und Vater wieder sehen wollte. Kleidung und Rüstungsteile wurden, einer Zeremonie gleich, gemächlich angelegt und zweimal auf ihren Sitz hin überprüft. Dann, ja dann, war es soweit, Raulbrin streifte den Wappenrock über, umgürtete sich und ging hinaus zum Stall zu seinem Rappen Nachtwind. Nach einem kurzen, herzigen Lebewohl von seinen Gefährten, mit denen er so manche Aventure erleben durfte, war er los geritten. Und nun war es endlich soweit. Die Feste Rotkrähenborn zeichnete sich schon am Nachmittagshimmel ab und Raulbrins Herz machte Freudensprünge mit jedem Schritt den Nachtwind tat.

Als er von der Landstraße abbog, um den Weg zur Burg zu nehmen, hielt er kurz inne. Was seine Eltern wohl sagen würden? Fast vier Götterläufe hatten sie ihn nicht gesehen. Würden sie den bärtigen Kerl mit der Narbe und der Augenklappe über seinem linken Auge als ihren Sohn erkennen? Seinen Vater Zornbrecht würde es freuen zu hören, dass ein wahrlicher Mann aus ihm geworden war, welcher ohne zu zögern für das Reich eintrat und bei der Verteidigung dessen eben jene unansehnliche Verletzung davon getragen hatte. Seine Mutter würde sich wieder einmal Sorgen um ihren Sohn machen. Raulbrin lachte als er weiter ritt. Zu gut konnte er seine Mutter schon schimpfen hören, dass sich ein Erbe anders verhalten müsse, er sähe ja aus wie ein gemeiner Söldner. „Ach Mutter“, entfuhr es ihm. Gedanken versunken wie Raulbrin war, bemerkte er nicht, dass er schon vor den Toren der Feste angekommen war. Die große Anlage von Rotkrähenborn erhob sich direkt vor ihm. Raulbrin stieg vom Pferd um es durch die Tore zu führen, als er stutzig wurde... Sollten hier nicht Wachen auf ihrem Posten stehen ? Überhaupt schien es recht still zu sein und es schien als wäre der Himmel dunkler und der Wind kälter geworden. Langsam ging er durch die großen Tore und schritt auf die Ställe zu. Gerade wollte er die Stalltore öffnen, als er hinter sich eine Stimme hörte, die Edo, der rechten Hand des Kastellans, gehörte. „Mein Herr, ihr kommt in einer schlechten Zeit, oder bringt ihr gar Nachricht vom Grafen oder über den Verbleib des jungen Raulbrin?“ „Edo mein Bester“, sagte Raulbrin, während er sich diesem zuwandt, „von was für schlechte Zeiten sprichst du?“

Der kräftige Handwerker schien zu einer Salzsäule erstarrt, stammelte einige unverständliche Worte und fing dann an zu rufen: “Raulbrin ... der junge Herr Raulbrin ist hier“. Mitten im Rufen stockte er , beugte sein Haupt und sagte: „Verzeiht, euer Hochgeboren, aber ich kannte euch ja schon als kleinen Buben, ich wollte euch nicht beleidigen.“ Raulbrin ging auf Edo zu und legte dem Mann die Hand auf die Schulter:“Lasst gut sein Edo, sagt mir lieber wo ich Vater und Mutter finden kann.“ Edo wich nun alle Farbe aus dem Gesicht und er schaute zu Boden. „Edo, sagt schon“ noch immer hatte Raulbrin ein Lächeln auf dem Gesicht, dachte er doch, Edo würde einen seiner alten Späße mit ihm machen.

„Nun ja wie sollen wir das Euer Hochgeboren erklären,“ ließ sich die Stimme des Kastellans Ungolf vernehmen, welcher den Hof betreten hatte. Ihm folgten Edos Frau Aldar und ein junger Bursche, von dem Raulbrin glaubte, es könne der kleine Wulf, Edos Sohn, sein. Der alte Ungolf schritt auf Raulbrin zu: „Junger Herr, vielleicht solltet ihr erst einmal herein kommen, der junge Wulf wird sich um euer Tier kümmern“ Der alte Kastellan führte Raulbrin in die Burgküche, gefolgt von Edo und Aldar. Auf das Herdfeuer zeigend, über dem ein Kessel hing, erklärte er „Das ist der wärmste Raum zur Zeit und hungrig werdet ihr auch sein“ „Ja Ungolf, aber erst würde ich gerne Mutter und Vater sehen, essen kann ich auch mit ihnen zusammen später“ erwiderte Raulbrin und die Verwirrung war ihm deutlich anzusehen. Ungolf seufzte „Junger Herr, ich weiß einfach nicht wie....“er stockte und die Anspannung war ihm anzusehen.

Edo, welcher hinter Raulbrin getreten war, legte diesem die Hand auf die Schulter: „Eure Eltern ruhen nun in Borons Armen ...“

Raulbrin fuhr herum: „Was? Tot? Wie ... warum ...“ Er ließ sich auf einen Stuhl fallen und schlug die Hände vor das Gesicht. Darum hatten ihn die Bauern, Landarbeiter und Dörfler so angesehen, es war nicht sein Gesicht, es war das Wappen auf seiner Brust gewesen ... Wie lange hatten sie niemanden mehr gesehen der es führte?

Er zwang sich dazu Haltung anzunehmen und blickte in die kleine Runde. „Wie?“, fragte er mit kalter Stimme. „Eure Mutter entschlief im Firun vor drei Götterläufen, ganz sanft ging sie zu Boron. Euer Vater fiel bei der Verteidigung des Reiches vor Gareth.“ erklärte Ungolf welcher sich sichtlich zur Ruhe zwang. “Nachdem wir nichts über euren Verbleib wussten, entließen wir alle unnötigen Bediensteten und Truppen, um nicht zu viele Dukaten zu vergeuden.“ „Ihr habt gut daran getan und ich rechne es euch allen hoch an, dass ihr hier auf der Feste geblieben seid, um alles zu verwalten,“ entgegnete Raulbrin. “Ich werde bleiben, und wir werden viel Arbeit haben, dank euch nicht zu viel. Morgen schon fangen wir an. Ich ziehe mich nun zurück, habt Dank für alles“

Schweigend und ohne einen Blick zurück verließ Raulbrin die Küche und stieg die Stufen hinauf in das Turmzimmer des Burgfrieds, welches sein Vater für seine Geschäfte, Treffen und Arbeiten eingerichtet hatte.

Vor der Türe stockte er, machte kehrt und ging zurück. Dumpf halten seine schweren Schritte durch die verlassene Burg, während der kalte Wind durch die Gänge pfiff. In einem Lagerraum wurde er fündig, nahm das Gesuchte und machte seinen Weg zurück auf den Burgfried. Oben angekommen, ging er zum Fahnenmast und hisste die mottenzerfressene Fahne aus dem Lagerraum. Das kalte Licht der untergehenden Praiosscheibe fiel durch die Löcher in der Fahne auf Raulbrin, der sich umdrehte, eine Zigarre aus seinen Taschen hervor zog und sie anzündete. So stand er nun an der Brüstung und schaute auf die Baronie unter sich. Der Herr von Rotkrähenborn war zurück gekehrt.



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Texte der Hauptreihe:
15. Rah 1029 BF
Heimkehr


Kapitel 1

Autor: Horst R.