Geschichten:Hartsteener Banner - Werdomars Befehl

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Festung Feidewald, Travia 1035 BF

Werdomar von Quintian-Quandt trat zu den Kriegsleuten, die in der Tordurchfahrt Wache hielten. Zu seinem Unwillen bemerkte er, dass sich auch seine Base Griseldis unter ihnen befand und in gespannter Erwartung hinaus in die anbrechende Morgendämmerung starrte. Doch jetzt gab es kein Zurück mehr. Mit fester Stimme befahl er: „Schließt das Tor!“

„Wie meinen?“, fragte eine almadanische Söldnerin nach.

„Du hast mich richtig verstanden: Schließt. Das. Tor.“

„Ja, Herr“, sie winkte ihren Kameraden.

„Aber wir können doch nicht…“, meldete sich Griseldis zu Wort.

„Doch. Können wir“, er sah sie streng an, doch sie ließ sich nicht beirren.

„Werdomar, sie werden dort draußen niedergemacht, wenn sie sich nicht in die Festung zurückziehen können!“

„Ich weiß.“, Werdomar nickte.

„Was hast du vor?“, fragte sie sichtlich erschrocken.

„Alle, die daran glauben, dass Geismar zurück kommen wird und darum noch kämpfen wollen, sind da draußen. Ich dagegen“, er legte den Kopf schief, „glaube nicht daran.“

„Du lässt sie alle ins Messer laufen“, es war keine Frage, sondern eher eine Feststellung.

„Nein. Es war ihre Entscheidung, den Ausfall zu wagen.“

„Doch jetzt fällst du ihnen in den Rücken!“, brauste Griseldis auf.

Bendrich, Udalbert und dein Bruder vertrauen fest auf Geismar. Ich hätte sie nicht umstimmen können. Und was deine Mutter anbelangt: Ich glaube, sie hatte ihre eigenen Gründe.“

„Aber wieso tust du das?“

Werdomar redete nun lauter, so dass alle der umstehenden Wachposten es hören mussten: „Anselm hat Kontakt zu mir aufgenommen. Er steht in Verhandlungen mit Luidor von Hartsteen. Wenn wir unseren Widerstand einstellen, Feidewald übergeben und ihn, Luidor, als Grafen anerkennen, werden wir nicht alles verlieren. Andernfalls erwartet uns ausnahmslos das Schwert oder der Strick.“

„Du Drecksack“, Griseldis schüttelte den Kopf und die Zornesröte schoss ihr in die Wangen, „Wo wärst du und dein feiner Bruder dazu, wenn euch Geismar nicht geholfen hätte. Nichts hattet ihr mehr, als ihr nach Hartsteen kamt. Und so dankt ihr es eurer Familie? Mit Treubruch und Verrat?!“

Mit einer fließenden Bewegung riss sie ihren Dolch aus dem Gürtel und stach zu. Überrascht stolperte Werdomar im Versuch, dem Angriff auszuweichen, nach hinten und riss unwillkürlich den Arm zur Verteidigung nach oben. Die Klinge schnitt tief in seine Hand. Er schrie auf. Griseldis wollte nachsetzen, doch sie hielt mitten in der Bewegung inne und ihr Gesicht nahm einen geschockten Ausdruck an. Werdomar, der aus ihrer Reichweite getaumelt war, sah, wie die Spitze eines Schwertes kurz aus ihrem Bauch ragte, bevor sie wieder zurückgezogen wurde. Blut schwallte aus der klaffenden Wunde und Griseldis sank in die Knie. Der Dolch fiel aus ihrer kraftloser werdenden Hand, während sie die andere auf den Bauch presste, ohne den rot quellenden Strom stoppen zu können. Mit hauchdünner stockender Stimme presste sie hervor: „Dafür wirst du…bezahlen.“ Dann brach Griseldis‘ Blick und sie sackte vornüber.

Die almadanische Söldnerin nickte Werdomar mit steinernem Gesichtsausdruck zu und wischte das Blut an der Klinge ihres Katzbalgers ab. Mühsam setzte sich der Baron von Puleth auf und betrachtete seine von dem Dolchstoß zerfetzte Hand, aus der unaufhörlich ein roter Strom quoll. Sonderbarerweise verspürte er jetzt keinen Schmerz mehr.

„Wie heißt du?“, fragte er die Frau, die ihm das Leben gerettet hatte.

Ihre raue Stimme überraschte ihn nur halb: „Baraya Molinera.“ Sie reichte ihm ein Tuch hin und er presste es in die Wunde. Im Nu war es rot durchtränkt. „Ihr solltet einen Medico aufsuchen, Dom Werdomar, immediatemente!“

Werdomar nickte. Dann wurde ihm schwarz vor Augen.