Geschichten:Hartsteener Banner - Udalberts Entdeckung

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Festung Feidewald, Travia 1035 BF

Udalbert von Quintian-Quandt begutachtete die Lagerbestände im Vorratshaus Feidewalds. Im flackernden Licht, das ein Diener neben ihm hertrug, kniff er die Augen zusammen, um die Zahl der tatsächlich eingelagerten Fässer mit derjenigen zu vergleichen, die er in seinen Papieren notiert hatte. Er nickte zufrieden, machte einen Haken und stieg eine Treppe hinab in einen den Gewölbekeller. Unten angekommen trat er zu seiner Verwunderung in eine Pfütze: „Nanu, was ist denn hier los?“, wunderte er sich und winkte dem hinter ihm herabsteigenden Bediensteten zu: „Hier ist was nass. Leuchte mal!“
Udalbert runzelte die Stirn, als sein Famulus den Gang zwischen den hier stehenden Regalen bis zum Ende ablief: Der gesamte Kellerboden stand fast einen Finger breit unter Wasser.
„Sieh nach, wo das herkommt!“, unruhig begann Udalbert sein Monokel zu putzen und überschlug bereits im Geiste, wie viele der hier eingelagerten Vorräte wohl schon verdorben sein mussten.

„Ich glaube, es kommt hier aus der Wand, Herr.“

„Was befindet sich in dieser Richtung?“, fragte Udalbert, obwohl ihm die Antwort bereits vor Augen stand.

„Die obere Zisterne, Herr.“

Udalbert schnaubte: „Bring mir sofort Guntram, den Zisternenknecht!“

Der Diener patschte mit dem Licht zurück zur Treppe, doch der Edle blaffte ihn an: „Halt! Lass lass’ mir das Licht da!“

„Jawohl Herr.“

Eine kurze Zeit später kam der Zisternenknecht mit dem Diener (der eine zweite Lampe trug) die Treppe herunter gepoltert.

„Herr, womit kann ich zu Diensten sein?“, fragte der.

„Warum hast du nicht gemeldet, dass die Zisterne Wasser verliert?“, fragte der Edle scharf und deutete auf den nassen Kellerboden, „Dir muss doch klar sein, dass gerade jetzt während der Belagerung jeder Mangel unverzüglich zu melden ist, denn jedes noch so kleine Detail kann sich verheerend auf unsere Verteidigungsfähigkeit auswirken und uns zur Aufgabe zwingen!“

Udalbert hörte den wortreichen und unglaubwürdigen Erklärungsversuchen gar nicht richtig zu, rümpfte nur die Nase und kniff sein Auge zusammen, damit das Monokel nicht herausrutschte. Als Guntram schließlich geendet hatte, sagte der Edle streng: „Eigentlich sollte ich dich dafür auspeitschen lassen. Aber das hilft jetzt nicht weiter. Also: kannst du das in Ordnung bringen?“

Der andere wiegte nachdenklich den Kopf hin und her: „Dazu müsste zuerst das restliche Wasser aus der Zisterne abgelassen werden, Herr. Dann erst kann ich das Leck abdichten. Allerdings gibt es dabei ein Problem.“

„Ach?“, der Laut, den der Edle ausstieß, triefte nur so vor Sarkasmus.

„Naja, die Zisterne hier speist sich allein aus Regenwasser von den Dächern. Es könnte eine ziemliche Weile dauern, bis sie wieder gefüllt ist.“

„Verstehe. Und?“

„Also, die untere Zisterne ist leider fast leer, seit von der Kronbrunner Mühle nichts mehr nach oben gepumpt wird. Beim letzten Angriff der Luidoristen haben wir viel Wasser zum Löschen gebraucht und es sind hier ohnehin sehr viele Leute innerhalb der Festung – vom Vieh ganz zu schweigen.“

„Das heißt, das Wasser könnte knapp werden?“

Guntram nickte schuldbewusst: „Ja Herr.“

„Dann wird das Wasser eben ab sofort rationiert.“

„Ja, Herr.“

Udalbert überlegte weiter, wobei er unwillkürlich anfing, sein Monokel zu putzen: „Da die untere Zisterne fast leer ist, wie du sagst, werden wir weniger Verlust haben, als zu befürchten stand. Hol dir so viele Leute vom Gesinde und Eimer, wie du brauchst; schöpft das Wasser aus der oberen Zisterne und dem Keller hier und schafft es in die untere Zisterne, und dann kümmerst du dich um das verdammte Leck. Und ich rate dir, beeil dich und sei gründlich, sonst überlege ich mir das mit dem Auspeitschen noch mal.“

„Ja, Herr“, der Zisternenknecht verbeugte sich hastig und sah zu, dass er aus dem Gesichtskreis seines Herrn verschwand.

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Beim schwachen Schein eines kleinen Feuers im Kamin saßen Bendrich, Griseldis und Udalbert beim Abendessen. Von draußen drangen die Schritte der Wachen auf den Wehrgängen herein und das Flackern der Wachfeuer ihrer Belagerer.

„Was habe ich gehört, das Wasser geht zur Neige?“, erkundigte sich Bendrich.

Udalbert berichtete von dem Vorfall.

„Ach, was soll’s.“ Griseldis winkte betont lässig ab und nippte an ihrem gut gefüllten Pokal, „Zum Glück hat uns Geismar seinen Wein da gelassen. Mit dem können wir die gesamte Festungsbesatzung einen Monat lang vor dem Verdursten bewahren.“

„Genau 36 Tage bei zwei Maß Wein am Tag“, meinte Udalbert trocken, „Aber besoffene Wachen sind mit das letzte, was wir gebrauchen können.“