Geschichten:Hartsteener Banner - Geismars Plan

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Festung Feidewald, Anfang Travia 1035 BF

Geismars Gesicht hatte alle Farbe verloren und sein Bart zitterte, als er das Pergament sinken ließ und es wortlos an Werdomar weiterreichte. Auch der erbleichte beim Lesen der Nachricht.

„Wer außer der Botin weiß noch davon?“, fragte Geismar.

„Ich habe die Botschaft keinem anderen gezeigt.“

„Gut. Sieh zu, dass das vorerst auch so bleibt! Es könnte sonst jemand auf dumme Gedanken kommen. Was die Überbringerin der Nachricht angeht… du weißt, was du zu tun hast.“

Werdomar nickte und fragte dann: „Ist etwas dran an der Anschuldigung?“

Geismars Kopf nahm die Farbe eines Radieschens an: „Das spielt doch jetzt keine Rolle mehr!“, brauste er auf. „Entscheidend ist, dass es Luidor gelungen ist, dem Verweser und dem Marschall die Anschuldigung irgendwie glaubhaft zu vermitteln und die beiden Reichsdeppen auf seine Seite zu ziehen!“

„Natürlich“, pflichtete der Baron von Puleth ihm hastig bei, während Geismar mit langen Schritten den Raum durchmaß und mehr zu sich selbst sprach: „Die halbe Grafschaft würde liebend gern zusehen, wie mir auf dem Ratsplatz in der Reichsstadt der Kopf abgeschlagen wird. Und die andere Hälfte wird es wegen diesem hier“, er wedelte hektisch mit dem Schreiben in der Luft herum, „vorerst nicht mehr wagen, sich offen für mich einzusetzen.“

„Und was machen wir jetzt?“, erkundigte sich Werdomar vorsichtig, der seinem Herrn durch die Gänge der Festung folgte.

„Ich für meinen Teil werde meine Abreise vorbereiten“, stellte der Graf entschieden fest.

„Du willst nicht in Feidewald bleiben?“, unwillkürlich blieb der Jüngere stehen.

„Ich habe nicht vor, hier eingekreist und anschließend aufs Schafott gezerrt zu werden“, rief Geismar im Weitergehen über seine Schulter, „Nein, bester Werdomar, so einfach mache ich es Luidor nicht.“

„Aber wo willst du dann hin?“, Werdomar beeilte sich, wieder zu seinem Familienoberhaupt aufzuschließen, „Hier bist du doch am sichersten. Einer Belagerung kann die Festung jahrelang standhalten.“

Der tadelnd-verächtliche Blick Geismars brachte dem Baron die jähe Erkenntnis: „Du willst … zu ihr?“

Der Graf nickte: „Sie lassen mir keine andere Wahl mehr. Selbsterfüllende Prophezeiung nennen das die Gelehrten, glaube ich. Aber meinen Anspruch auf Hartsteen gebe ich nicht auf! Ich werde mit einer Armee im Rücken zurückkehren, der dieser Möchtegerngraf mit seinen armseligen Ritterlein nichts entgegenzusetzen hat.“ Sie hatten die gräflichen Privatgemächer erreicht.

„Und was sollen wir übrigen tun?“

Die Frage Werdomars ließ Geismar für einen kurzen Moment innehalten: „Ich werde unauffällig mit kleinem Gefolge reisen. Rondirai und Gernot kommen mit mir, die beiden kennen sich in der Wildermark am besten aus. Die Aufgabe von euch anderen hier ist es, mir Zeit zu verschaffen. Du hast es selbst gesagt: Feidewald kann einer Belagerung ein Jahr lang standhalten. Igelt euch ein und bindet die Kräfte Luidors. Der Hartsteener soll seine letzten Reserven in einer langwierigen und vergeblichen Belagerung verschleißen. Ihr sollt der Dorn in seiner Flanke sein, der ihn daran hindert, rechtzeitig den Schild hochzureißen, wenn ich zum Schlag aushole!“