Geschichten:Gut Werkzeug - halbe Arbeit - Praios lo vult!

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Siegeshart war wie im Rausch, als er in Weiß und Gold gekleidet wurde. Im Kreis des im Praiostal versammelten Heeres galt alle Aufmerksamkeit ihm und bitter bereute er die Sammlung des Ordens vom Bannstrahl Praios' nicht bei Burg Reinherz durchgeführt zu haben, wo durch die geharnischte Faust der Religiösen jede Unruhe im Keim erstickt worden wäre. Der weiße Hengst von dem Siegeshart schließlich in weißgoldener Brünne herab in die feierlich ernsten Gesichter der gerüsteten Zeloten blickte, war das letzte Pferd aus dem Gestüt seiner Mutter in seinem Besitz.
Er hatte sich verausgabt und nicht nur die Mittel seiner Familie in die Waagschale geworfen, sondern auch diejenigen der Grafschaft Eslamsgrund. Der Moment schmeckte köstlich und unerträglich herb zugleich. Griffpurga von Auraleth jetzt als Gefährtin an seiner Seite zu wissen hätte die Euphorie vollkommen gemacht, doch lag sie kalt in der Gruft derer von Ehrenstein ä.H..
Als der junge Graf an ihr blutgetränktes Gewand dachte, steigerte sich sein Zorn zu Raserei. Der Hengst stieg auf die Hinterhufe und innerhalb von Wimpernschlägen marterten wahnhafte Visionen aus den schlaflosen Nächten der vergangenen Tage sein Hirn.
Stand er nicht völlig allein und musste allen misstrauen? Warteten nicht überall die Feinde mit gezückten Messern hinter dem Rücken und hohnlachenden Fratzen? Sollte sein Greifenzug nicht direkt dort ansetzen, wo der Verrat begann?
Er würde erst Eslamsgrund läutern und dann das Reich. Eindrücke von marschierenden Glaubenskriegern, entblößten Feinden, zerschlagenen Menschen, endlosen Verhören und lodernden Scheiterhaufen rasten durch seinen Kopf als hätte er tausende Augen, die Vergangenheit und Zukunft zugleich sehen würden. Die bösartigen Kräfte auszutreiben wäre ein Schlachtfes...Ein Schlachtfest, wie jenes in seiner Burg? Das Werk eines Wahnsinnigen?
Er fühlte sich benommen, rutschte kraftlos vom schwitzenden Pferd und wäre zusammengebrochen, wenn man ihn nicht gestützt hätte. Doch die Raserei verebbte. Zielstrebig straffte er sich unter den aufmerksamen Blicken und ließ sich inmitten der Menge von all dem äußeren Glanz und dem künstlichen Stahlpanzer entkleiden, bevor er sich vehement die nackte Haut blutig geißelte. Er wurde dabei entrückt und seelenruhig. Jubel aus hunderten von Kehlen brandete auf und sowohl die einfachen Hungerleider, die gerade einen Speer halten konnten, als auch die landlosen Heckenritter, nunmehr durch das Gold von Siegeshart Waffenknechte und Ritter des Ordens vom Bannstrahl intonierten »Praios lo vult!« in verballhorntem Bosparano.

Auch Gerding von Plötzbogen hörte im Inneren des Felsdomes von Lichterneck den Widerhall der frenetischen Rufe. Er schreckte aus den Gedanken an seine Familie und an das Inquisitionsverhör, das ihm nun bevorstand, auf und brauchte trotz der Ketten, die ihn behinderten, nur in einem unerwarteten Ruck einen entschiedenen Schritt tun, um unaufhaltsam in die abgrundtiefe Finsternis der Klüfte des Felsgrates zu stürzen.