Geschichten:Gedankengift Teil 10

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Hirschfurten, Burg Trollhammer, 4. Efferd 35 Hal:


Nimmgalf hatte sich entschlossen, seine Liebste nach dem Pfortenrittertreffen noch nach hause, nach Maarblick, zu begleiten. Er wollte ihr etwas Wichtiges eröffnen, doch er konnte es nicht. Er brauchte einfach noch mehr Zeit, um darüber nachzudenken und die Möglichkeiten abzuwägen. Aidaloê hatte schon sehr früh gemerkt, dass ihn etwas bedrückte, oder dass er vor einer wichtigen Entscheidung stand. Auch hatte sie versucht, mit ihm darüber zu reden, doch Nimmgalf konnte oder wollte es einfach nicht. So konnte sie nichts weiter tun, als ihm die kurze gemeinsame Zeit noch ein wenig zu versüßen, was sie auch gerne tat. Schließlich hatte sich Nimmgalf von ihr verabschiedet und war wieder zurück gen Samlor geritten. Wieder auf Burg Trollhammer angekommen gingen ihm viele Dinge durch den Kopf. Es blieb noch so viel zu tun. Die geplanten Truppenaushebungen mussten in Angriff genommen, Graf Danos informiert und seine Einverständniserklärung abgeholt werden. Außerdem wollte der Baron von seinem Freund eine Stellungnahme, was er von dem Verhalten seines Sohnes Drego hielte. Doch all dies hatte noch etwas Zeit. Zufürderst wollte er seinen Onkel aufsuchen, um Wichtiges mit ihm zu bereden. Seit dieser ihm eröffnet hatte, dass der Rabenkaiser zurückkehren würde, war bereits mehr als ein Mond vergangen. Und bisher gab es noch kein einziges Anzeichen dafür, dass diese Voraussage sich bewahrheiten sollte. Selbst dessen eigene Verwandtschaft, respektive der Burggraf zu Halsmark, wusste scheinbar nichts davon.

Nimmgalf kam zum Schlafgemach seines Onkels und bedeutete dem Diener ihn einzulassen. Dieser öffnete leise die Türe und Nimmgalf betrat den Raum.

Der Onkel keuchte leise und hatte die Augen geschlossen. Als Nimmgalf sich näherte, öffnete er sie. „Was willst Du, Junge?“ fragte er leise.

„Verzeiht mir die Störung, Onkel, doch ich habe Euch eine wichtige Frage zu stellen.“

„Dann nur heraus damit.“

Nimmgalf setzte sich auf einen Stuhl am Bett. „Vor einem Mond etwa eröffnetet ihr mir, dass Answin von Rabenmund zurückkehren würde. Doch bisher ist davon nichts aber auch gar nichts zu bemerken gewesen. Seid ihr sicher, dass…“

„Du glaubst mir nicht?“ unterbrach ihn der Onkel so barsch er konnte.

Nimmgalf wehrte ab: „Das wollte ich nicht sagen, Onkel!“

„Mein Junge, nicht alles was man hört ist wahr. Und nicht alles Wahre kommt einem jeden auch beizeiten zu Ohren.“ Er machte eine Pause und lies Nimmgalf Zeit zum Nachdenken.

„Ich wurde schon im letzten Jahr davon benachrichtigt, dass Answin zurückkehren wird, um dem Reich aus der Krise zu helfen. Leider war ich durch meinen Gesundheitszustand nicht mehr in der Lage, meinen damals abgeleisteten Schwur zu halten.“

Nimmgalf blickte ihn überrascht an. „Welchen Schwur meint Ihr, Onkel?“

Radulf hustete ein wenig vor sich hin. Offenbar brauchte er Zeit, um seine Gedanken zu sammeln. Doch dann fuhr er fort: „Als sich die Sache der Answinisten damals vor Gareth dem Ende entgegen neigte, schworen der `Schöne Graf` Orsino von Falkenhag, mein Bruder Ungolf und ich alles dafür zu tun, dass der rechtmäßige Herrscher wieder herrschen möge, wenn einmal die Zeit gekommen ist. Und jetzt, nach über 16 langen Jahren des Wartens ist es endlich so weit. Der alte Schwur kann endlich erfüllt werden. Answin, sein Sohn Ludeger, Orsino, mein Bruder Ungolf – damals noch der Reichserztruchsess - und ich, wir wussten damals, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen war, und schworen uns, irgendwann die alten Zustände wiederherzustellen, um dem Reich die alte Stärke wiederzugeben. Doch das Alter hat seinen Tribut gefordert, und mir bleibt nun nicht mehr viel Zeit, den Schwur zu erfüllen. Deswegen habe ich dich nun mit eingeweiht. Führe du nun fort, was wir damals begonnen haben.

Wenn Answin wieder herrscht, werden sich die Dinge endlich wieder zum Guten wenden. Also lautet meine letzte Bitte an dich: reite zu Answin sobald sich seine Rückkehr bestätigt hat und hilf ihm bei seiner Sache so gut du kannst. Trage so zur Rettung des Reiches bei und führe unser Haus zu neuem Ruhm. Wenn ich weiß, dass du dies für mich tun willst, dann ist mein Schwur erfüllt, und ich kann dem Ende meines langen Lebens friedlich entgegenblicken. Wenn dir etwas an der Familie liegt, dann erfülle einem sterbenden Mann diese letzte Bitte, Nimmgalf.“

Nimmgalf schwieg noch lange nachdem der Onkel seine Rede beendet hatte. „Unter normalen Umständen, Onkel, würde ich diese Bitte abschlagen. Denn mein Herz und meine Loyalität gehört dem Hause Gareth und nimmer hätte ich eine Herrschaft des Hauses Rabenmund auf dem Kaiserthron geduldet. Doch es ist wie du sagst, die Zeiten erfordern harte und bisweilen auch tragische Entscheidungen. Und nur ein starker Herrscher kann uns die Rettung aus dieser Misere bringen. Deswegen, Onkel, und weil ich dich als Oberhaupt unseres Hauses immer sehr respektiert habe, werde ich dir deine Bitte erfüllen. Vorausgesetzt natürlich, dass du mit deiner Vorhersage von Answins Rückkehr tatsächlich recht hast.“

Der alte Radulf lächelte und hielt ihm die Hand hin, worauf Nimmgalf sie nahm und drückte. „Ich danke dir, mein Junge! Du bist wahrlich ein… von Hirschfurten. Möge unser Haus unter dir erblühen, so wie damals... in den goldenen Zeiten.“

Nimmgalf blickte seinen Onkel noch lange an nachdem dieser wieder eingeschlafen war. Auch wenn er seine politischen Ansichten nicht von Grund auf teilte, so war es doch seine Pflicht, sein Versprechen ihm gegenüber einzuhalten, und er schwor sich, dies auch zu tun.

Abends traf ein Bote ein, der ihm eine wichtige Botschaft aus Hartsteen überbrachte. Der alte Ritter Sighart von Hartsteen – das Oberhaupt derer von Hartsteen - war zu Boron gegangen und man erwartete einen Vertreter des Hauses Hirschfurten zu den Begräbnisfeierlichkeiten vor Ort. Da die Zeit bereits zu knapp war, um jemand anderen zu entsenden, entschloss Nimmgalf sich schon bald, trotz aller Gefahren der Region selber dorthin zu reisen. Schließlich hatte er nun bald die volle Verantwortung über sein Haus inne, und er wollte sich ihrer würdig erweisen.

Wenn er geahnt hätte wer sich gerade ebenfalls auf dem Wege nach Hartsteen befand – wenn auch aus einer anderen Richtung kommend – wäre ihm wohl schier das Herz zersprungen.