Geschichten:Frühlingssturm - Frühe Ankömmlinge - Einen Troll zu empfangen

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Es klopfte an der schweren Tür des Kaminzimmers, in das sich Leodane zurückgezogen hatte. Seufzend legte sie das Büchlein auf dem Tisch ab. Soviel also zu der Idee, einen letzten ruhigen Abend zu verbringen, bevor die Gäste Aldrons eintrafen und ausnahmsweise einmal so etwas wie Leben in diese unheimlichen Gemäuer mitten in der tiefsten Wildnis einkehren würde. Der Winter war lang gewesen und ohne die Bücher, die ihr Schwager ihr mitgegeben hatte, wäre sie wohl eingegangen. Aber es war auch schwierig, ihren pflichtbewussten Gatten einmal von seinem Posten zu locken und die letzten Jahre hatten dem Paar doch recht wenig Zeit gegönnt. Insofern ...

„Herein!“, antwortete sie dem Klopfen und kurz darauf trat einer der Hausknechte ein, verneigte sich etwas unbeholfen. Angareth war wahrlich nicht der fürstliche Hof. „Was gibt es, Goswin. Ich hatte doch gewünscht, nicht gestört zu werden!“ Goswin nickte betreten, antwortete dann aber entschlossen: „Herrin, ist recht, weiß ich ja. Nur ist es so, dass seine Hochgeboren noch immer nicht zurück sind, aber der Baron nun schon eingetroffen ist. Der junge Herr Jarin ist mit Herrn Aldron drüben auf Leuenfels und die hohe Dame Inelde hat sich bereits zur Ruhe begeben. Soll ich ihrer Gnaden Gilbera Bescheid geben?“

„Nein, ist schon gut.“ Leodane von Firunslicht-Bleichkraut verzog das Gesicht, als sie an die alte Praios-Geweihte dachte, die sich schon so in ihren Augen genug aufspielte. „Ich werde die Gäste selbst empfangen. Hurtig, ich bin gleich im hohen Saal. Sie zu, dass es bis dahin einigermaßen gemütlich ist.“ – „Ja, Herrin!“

Als Goswin die Tür hinter sich geschlossen hatte, stand Leodane auf, strich sich einmal das dunkelgrüne Kleid glatt und blies die Kerzen aus, die ihr bis eben licht gespendet hatten, bis auf eine, die ihr den Weg leuchten würde. Was wohl den Löwenhaupter trieb, jetzt schon anzukommen? Er konnte es offensichtlich kaum erwarten, zur Tat zu schreiten. Darin würde er sich mit ihrem Manne ja nichts nehmen. Aldron fieberte schon seit Wochen dem Frühling entgegen und brachte die Soldaten „auf Trab“. Die Ärmsten taten ihr fast ein wenig leid. Einen sehnsuchtsvollen Blick warf sie noch auf das kleine Feuerchen im Kamin und das zurückgelassene Buch auf dem Tisch, dann machte sie sich auf den Weg.

Bei Travia! Es dauerte einen halben Herzschlag, bis sich Leodane von ihrer Überraschung erholt hatte, nachdem sie den hohen Saal betreten hatte. Für den sich bietenden Anblick gab es allerdings eine recht eindeutige Erklärung. Es gelang ihr ein ungezwungenes Lächeln hervorzukramen, als sie auf den östlichen Nachbarn zuging um ihn zu begrüßen: „Willkommen auf der Arveburg, euer Hochgeboren. Ich denke, wir sind uns noch nicht begegnet. Mein Name ist Leodane von Firunslicht und ich bin die Gattin eures Gastgebers. Es tut mir leid, ihn entschuldigen zu müssen, er ist noch auf Burg Leuenfels. Auch er hatte euch wohl erst am morgigen Tag erwartet.“ Ein dumpfes Grollen ertönte und es dauerte eine Weile, bis Leodane dieses als ein langgezogenes Räuspern gedeutet hatte. „Das nicht schlimm. Crongewalt sagt, wenn Schnee schmilzt Einladung. Eiszapf vor mein Wohn schon Fingerbreit kurzer heut als vor zwei Tag.“ Um seine Worte zu verdeutlichen, hob der Troll seinen zotteligen Arm und streckte den Zeigefinger einzeln aus der Faust, die so groß war wie der Kopf eines Pferdes. „So Baron Strutzz geht zu Winselburg. Gute Idee das... Feuer warm und gut Essen. Hoho ...“

Leodane hatte noch nie allein einem Troll gegenübergestanden. Und das letzte Mal in Gesellschaft war auch schon einige Zeit her. Sie musste sich innerlich zwingen, den riesenhaften, zotteligen Koloss mit den roten Augen als einen Adligen des Reiches zu sehen. Es fiel ihr zugegeben nicht sofort vollkommen leicht. „Ja, natürlich. Nun...“ Etwas ratlos sah sie sich um. Schließlich entdeckte sie Goswin und winkte ihn herrisch heran. „Was stehst du dort noch so herum?! Rück einige der Stühle von der Tafel, stell einen aber hier vorne darauf und drehe jenen im rechten Winkel dazu – hurtig!“ Dann wandte sie sich wieder Strutzz zu, während ihre Order ausgeführt wurden. „Mein Mann ist inzwischen nicht mehr Crongewaltvogt, sondern Landvogt von Arvepass. Ihr habt sicherlich davon gehört, dass das fürstliche Heer aufgelöst wurde, euer Hochgeboren.“ Strutzz sah hinüber zum Tisch, wo sich Goswin derweil abmühte, einen der schweren Stühle auf die Tafel zu heben, was nicht so recht gelingen wollte. Kurzentschlossen machte er einen Schritt darauf zu, griff die Sitzgelegenheit mit einer Hand und stellte sie auf die schwere Tischplatte aus Eichenholz. Dabei brummelte er: „Crongewalt, Landvogt... Erst Hochwohl Hochwohl, dann Weißreiter... Wimmelkrieger, Totenhorde, Nichttotdrache... Das alles schnell und verwirrend. Neuigkeiten lange bis Trollnase, Leodane, Frau von Crongewalt... ooohm... Landvogt.“ Goswin nickte dem Troll dankend und respektvoll zu und machte sich daran, noch den einen Stuhl umzudrehen, als der Baron sich wieder umgewendet hatte.

Er zuckte zusammen, als Strutzz plötzlich lospolterte: „Oh ich vergesslich alter Steineich! Hab Geschenk dabei ... wart.“ Mit einem Ächzen bückte sich der Baron von Trollnase zu seinem Gepäck, einem gewaltigem Sack aus dem Leder vieler Tiere. Mit einem Griff beförderte er das Geschenk hervor: Einen kapitalen Keiler. Stolz präsentierte er sein Mitbringsel. „Hah, dummes Tier übermutig jetzt wo Schnee schmilzt. Dann weglauf, aber Strutzz immer noch guter Jäger.“ Mit diesen Worten legte er seine Beute vor Leodane auf den Boden. Sie hätte den Brocken auch kaum heben können.

Nun allerdings kniete sie sich hin und betrachtete ihn interessiert. „Wahrhaftig! Was für ein Prachtexemplar! Ich glaube, ich habe noch nie einen Keiler mit so gewaltigem Gewaff gesehen. Und ich habe schon einige Schwarzkittel erlegt, Hochgeboren, das könnt ihr mir glauben. Ich denke, ihr müsst mir von dem Wild erzählen, welches hier in den Wäldern lebt. Ich bin noch zu wenig dazu gekommen, ihm selbst nachzuspüren. Aldron ist dagegen, dass ich allein auf die Jagd gehe – und mit einem Halbbanner Eskorte ist schlecht anpirschen. Wollen wir uns setzen?“ Mit der flachen Hand lud sie ihn an die inzwischen fertig präparierte Tafel ein, während sie selbst sich daran machte, über den umgedrehten Stuhl auf den Tisch zu klettern. Nachdem der Troll sich auf die freigeräumte Kante gesetzt hatte, konnte sie ihm sogar auf Augenhöhe begegnen. Bevor sie sich allerdings selbst setzte, deutete sie auf den Keiler. „Goswin! Schaff das in die Küche. Ich denke, das wird einen hervorragenden Braten abgeben. Und sorg dafür, dass Wein herankommt!“



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Texte der Hauptreihe:
3. Ing 1030 BF zur abendlichen Perainestunde
Frühe Ankömmlinge - Einen Troll zu empfangen
Am Urnenfeld


Kapitel 9

Löwenrudel
Autor:?