Geschichten:Fluss der Erkenntnis – Männerrunde

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Gut Praiosborn, Kaiserlich Gerbaldsmark, Anfang Ingerimm 1038 BF:

Die Tafel im Salon des Herrenhauses war mehr als reichhaltig gedeckt. Yelwyn wusste die exquisiten Bedürfnisse seines Herren und seiner Gäste zu befriedigen. Nicht umsonst genoss er das Vertrauen des Kronvogtes.

Die Gäste waren nun allesamt erschienen. Einzig Bernhelm war am Nachmittag nach Zweifelfels aufgebrochen um seine Verlobte zu besuchen. Die Herrschaften hatten nun vor der langen Tafel versammelt. Das Kopfende gebührte dem Gastgeber Kronvogt Leomar von Zweifelfels. Ihm gegenüber nahm traditionell der ranghöchste unter den Anwesenden Platz. War dies beim letzten Treffen noch der Junker von Untergardeln und Landrichter der Kaisermark Alrik Leuwin von Trenck, so hatte sich nun einiges an der Sitzordnung geändert. Mulziber von Tannengrund gebührte nun dieser Platz, war der Ritter von Alriksrode doch vor wenigen Wochen völlig überraschend zum Reichsvogt der Gerbaldsmark aufgestiegen und somit qua Amt Angehöriger des Hochadels. Edorian von Feenwasser, der ebenso wie der Trenck neben Leomar Platz nahm, konnte es kaum fassen. Wie war der Tannengrund so unverhofft zu dieser Ehre gekommen? Während seines Aufenthaltes in Neerbusch hatte er davon noch nichts verlauten lassen. Mit einer Mischung aus Anerkennung und Neid nahmen auch die anderen Gäste den Aufstieg des Ritters zur Kenntnis.

Neben dem Reichsvogt ließ sich Reto Eorcaïdos von Aimar-Gor nieder. Der vollendete Lebemann und Salonlöwe aus aranisch stämmigen Hochadel war von Mulziber nach seiner Erhebung zum Seneschall der Gerbaldsmark ernannt worden und zeigte sich nach außen mehr als dankbar. Doch spürte Edorian auch den Anflug von Missgunst. Ebenfalls an der Seite des neuen Reichsvogt war Marnion von Sturmfels zu finden. Der Seneschall der Sighelmsmark war äußerst ansehnlich wie Edorian empfand. Der stattliche Ritter glänze durch vollendete Manieren und einem scharfen Verstand.

Zwischen Edorian und Marnion nahm Marbert vom Berg Platz. Der wohlhabende Schöngeist aus Gareth war erst kürzlich zum Ritter auf Udalsberts Steige ernannt worden. Das Eichensterben in Vierok – so wurde der hohe Blutzoll der Familie Vierok unter vorgehaltener Hand genannt - hatte sich für ihn als günstig erwiesen, denn sein neues Rittergut war überaus ertragreich. Zwar zog es der alternde Ritter vor in seinem Stadthaus in Gareth zu verweilen, doch gegen ein wenig Sommerfrische auf dem Land ab und an konnte auch er nichts haben.

Als letzter bereicherte der königliche Mundschenk Caradan von Greifstein die illustre Gesellschaft und setzte sich neben Alrik Leuwin und Reto.

Edorian war noch neu in dieser Männerrunde, wurde er doch erst vor einem Götterlauf auf Geheiß von Leomar eingeführt. Die hohen Herren kamen schon seit vielen Jahren zusammen. War es anfangs nur die gleiche Neigung die sie verband, sowie die Poesie und die Künste, so entwickelte sich daraus schon bald eine starke Seilschaft. Man nutzte seinen Einfluss um sich gegenseitig zu protegieren. Hin und wieder wurden dann auch neue, vielversprechende Karrieristen in die Runde aufgenommen, denn den alternden Herren gierte es nach frischen Blut. So gelangte auch Edorian in diesen erlauchten Kreis. Anfangs argwöhnisch beäugt ob seiner neu- und niederadligen Herkunft, konnte er die anderen schon bald für sich einnehmen. Er war charmant, umfassend gebildet, ein von Rahja und Hesinde gesegneter Schöngeist. Das kam an. Er hatte seine Talente, die Altherren den Einfluss. Jeder konnte also nur gewinnen. Dennoch, dem Gemeinschaftssinn zur Trotz, am Ende war doch ein jeder ein Einzelkämpfer und so sehr man sich für den Aufstieg des anderen nach außen hin freute, um so größer war der Neid im Inneren.

Dies schien besonders bei Mulziber von Tannengrund der Fall zu sein. Dieser genoss seinen neuerlichen Aufstieg in den Hochadel sichtlich und ließ dies auch den anderen spüren. Zumal er seine neue Position keinen der hier Anwesenden zu verdanken hatte, da war sich Edorian sicher.

Während des Mahles gaben sich die Herren der leichten Unterhaltung hin. Die neusten Gerüchte von den diversen Adelshöfen wurden ausgetauscht, über die höfische Mode diskutiert, oder über die Wertigkeit des ein oder anderen literarischen Werkes gestritten. Edorian tauschte sich mit Marbert vom Berg über die Architektur von dessen Landsitz aus und überraschte den eitlen Lebemann mit erstaunlichen Detailwissen. Edorian kannte das Anwesen gut, hatte dort doch bis zu ihrem viel zu frühen Tod seine Base mit ihrem Gemahl gewohnt. Ja, das Eichensterben betraf den Waldsteiner nun auch direkt, hielt damit aber hinterm Berg, da die Familie Vierok in dieser Runde nicht gut gelitten war.

Nach dem Mahl begaben sich die Herren ins Jagdzimmer. Dort sollten erfrischende Getränke und besonders ein paar sehr vielversprechende junge Männer dargebracht werden.