Geschichten:Erlenstammer Kriegsvorbereitungen - Erlenstammer Diner

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Nachdem Alissa ihre Rekruten mitsamt ihrer neuen Waffen wieder in den Hof führte, baute sie zusammen mit den Leuten ein paar Zielscheiben etwas ausserhalb des Hofes auf. Sie wollte schließlich nicht die Gefahr eingehen, dass ein paar Unbeteiligte von umher fliegenden Pfeilen getroffen werden.

Sie selbst hatte ihren Bogen dabei und erklärte nun den Umstehenden, wie sie einen Pfeil auflegen, den Bogen spannen und zielen mussten. Einige stellten sich dabei recht gut an, während Alissa bei dem ein oder anderen zunächst lange erklären musste.

Den gesamten Nachmittag waren Alissa und ihre angehenden Waldläufer damit beschäftigt, Pfeile auf die aufgestellten Ziele zu schießen.

Nachdem die Rekruten sich erst etwas ungeschickt anstellten, wurden sie von Schuss zu Schuss etwas sicherer, und Alissa schritt die Reihen auf und ab, um hier und da Fehler zu korrigieren. Im Großen und Ganzen war sie jedoch zufrieden.

Als es zu dämmern anfing, bauten Alissa und ihre erschöpften Rekruten die Ziele wieder ab. Die Schützen begaben sich in die ihnen zugeteilten Unterkünfte und Alissa begab sich zurück zur Burg. Sie selbst war durch diese doch recht ungewohnte Aufgabe ein wenig erschöpft und wollte zunächst ein Bad nehmen.

Sie badete ausgiebig, um auch den Schmutz der vorherigen Tage abzuwaschen. Als sie fertig war, zog sie sich eines ihrer besseren Gewänder an, denn die Baronin hatte ja einen Horasier zu Besuch, bei dem Alissa ein wenig Eindruck schinden wollte.

Sie begab sich alsdann in den großen Saal, wo ihre Tante den Besuch zu bewirten pflegte. Dort befanden sich auch bereits die Baronin und der Herr Belcampo. Die beiden hatten jeweils einen Pokal Wein vor sich stehen und tauschten Belanglosigkeiten miteinander aus. Alissa trat auf die beiden zu und sagte: "Verzeiht, dass ich erst so spät erscheine, aber ich war bei meinen Leuten unabkömmlich." Sie blickte ihre Tante an.

Gleichzeitig stand Herr Belcampo auf, eilte Alissa zwei Schritte entgegen, verbeugte sich tief und mit einem charmanten Akzent sprach er: "Es ist mir eine Ehre und Freude, Ihre liebreizende Hochgeboren begrüssen zu dürfen. Mit Eurer Erlaubnis möchte ich mich vorstellen. Ich bin der Dottore Belcampo, doch ich hoffe, dass Ihr mir die Freude erweisen werdet, mich einfach Luigi zu nennen." Mit diesen Worten verharrte er in seiner leicht gebeugten Haltung, wie wenn er darauf warten würde, daraus entlassen zu werden, wobei er seine blau-grünen Augen, die mit seiner dunklen Lockenpracht perfekt kontrastierten, zu Alissa aufschlug und ihr ein fast verschwörerisches Lächeln schenkte.

Alissa nickte ihm kurz zu uns stellte sich selbst vor: "Ich weiß nicht, wie viel meine Tante schon von mir erwähnt hat. Aber ich möchte mich auch kurz vorstellen. Ich bin die Nichte der Baronin, mein Name ist Alissa von Erlenstamm." Alissa hielt ihm ihre Hand hin und wartete auf den üblichen Handkuss.

Selbstverständlich wusste Belcampo, was sich gehörte, und so küsste er Alissas Hand, während die Baronin die an sich nicht besonders aussergewöhnliche Szene misstrauisch verfolgte und schliesslich Belcampo freundlich, aber mit leicht gereiztem Unterton aufforderte, sich wieder zu setzten, was dieser denn auch tat.

Zwar hatte Alissa keine Aufforderung zum Platz nehmen von ihrer Tante erhalten, sie setzte sich aber trotzdem. Sie setzte sich neben den Gast, denn so hatte sie es damals von ihrem Hauslehrer gelernt. Da es sich nur um einen kleinen runden Tisch handelte, saß Alissa zwischen ihrer Tante und dem Dottore, wobei Alissa sorgfältig darauf achtete, etwas näher bei dem Gast ihrer Tante zu sitzen.

"Nun, werter Luigi, wie ich bereits mit eigenen Augen gesehen habe, seid Ihr zur Zeit dabei, ein Trebuchet im Hof aufzustellen. Wie schreitet Ihr mit dem Aufbau voran?"

Alissa setzte sämtliche Vorzüge ihrer Person dazu ein, dem Dottore zu gefallen, war er doch wirklich von sehr hübscher Natur, und Alissa hatte schon länger keine Zeit gehabt, um die Männerwelt ein wenig zu betören.

Luigi Belcampo, ganz ein horasischer Charmeur, erkannte offensichtlich Alissas Interesse, und ohne die geringste Scheu erwiderte er Alissas Blick, wobei Alissa auffiel, dass er sich (nicht immer mit Erfolg) bemühte, dass sein Augemerk nicht von ihrem Gesicht weiter hinab rutschte. Dabei erzählte er vom Aufbau des Belagerungsgerätes - einer sehr technischen Angelegenheit - wie wenn es sich um eine spannende und romantische Geschichte handelte. Schliesslich beendete er seine Ausführungen damit, dass ein Trebuchet seine Bestimmung und damit seinen Höhepunkt nur dann erlangen könne, wenn man es zunächst unter Spannung setze, der Wurfarm in die Senkrechte schnelle und der Munitionsbeutel seine Ladung abschiesse. In diesem Moment räusperte sich die Baronin sichtlich genervt und wollte etwas sagen, doch Belcampo kam ihr zuvor, erhob das Weinglas, und fuhr fort: "Entschuldigt meine Unhöflichkeit. Ich wollte Euch nicht mit technischen Details langweilen. Ich habe noch nicht von Eurem Wein getrunken, der den Namen von Rahja trägt. Ich bin überzeugt, er schmeckt noch anregender als der Erdbeerwein, den ich zuletzt im Heiligtum der Herrin Rahja in Belhanka genossen habe, und von dem ich in schnöder Unkenntnis Eurer perfekten Gastfreundschaft ein paar Flaschen gekauft und mitgenommen" dann wandte er seinen Blick wieder Alissa zu und fuhr etwas langsamer fort: "und auf meinem Zimmer gelassen haben."

"Nun, werter Luigi, vielleicht wäre es möglich, uns einen Tropfen des edlen Weins nach dem Diner kosten zu lassen." Alissa schlug verführerisch die Augen auf und nieder. Dieser Mann hatte es ihr nicht gerade wenig angetan. "Ich denke, dass meine Tante ebenso wie ich ein großes Interesse daran haben, diesen vorzüglichen Wein zu kosten. Ich selbst hatte noch keinerlei Gelegenheit, nach Belhanka zu reisen. Haben sich doch meine Forschungen eher auf die angrenzenden Tulamidenlande und Fasar beschränkt. Aber lasst uns doch zunächst das Glas auf die Gastgeberin erheben. Liebe Tante, möge Dir Erfolg bei Deinen Unternehmungen beschieden sein. Ein Hoch auf die Baronin von Erlenstamm!"

"Ja", nahm Belcampo Alissas Worte auf: "Auf meine Gastgeberinnen, denen ich stets zu Diensten bin und bei denen ich mich noch einmal für ihre zutiefst travia-gefällige Behandlung bedanken und selbstverständlich auch erkenntlich zeigen will und werden. - Und selbstverständlich wird es mir eine Freude sein, den Damen meinen Erdbeerwein zu kredenzen, wenn sie es wünschen."

Nun ergriff die Baronin das Wort und bedankte sich überschwänglich bei Belcampo für seine Unterstützung in einer schwierigen Zeit. Sie schloss mit den Worten: "Und nicht zuletzt zu erwähnen ist, dass der Dottore es versteht, trotz des unermesslichen Leids, das unsere Welt in Atem hält, doch noch eine positive Lebenseinstellung zu haben und seine Lebensfreude in unser so versehrtes Land zu tragen. Auch dafür gebührt ihm Dank und Anerkennung. - Und" so fügte sie mit einem leicht triumphierenden Unterton an", ich durfte bereits seinen süssen Erdbeerwein kosten, der uns die rahjagefällige Lebensfreuden besonders intensiv erleben lässt. Und ich möchte dies meiner lieben Nichte um nichts in der Welt vorenthalten. Daher werde ich vorerst verzichten ... aber wenn etwas übrig bleibt, komme ich gerne auf Euer Angebot zurück, lieber Dottore." Dieser wandte sich zu Alissa um und sagte lächelnd: "Ich fürchte, Hochgeboren, dass Ihr dann mit meiner Gesellschaft allein werdet vorlieb nehmen müssen."

Alissa war ein wenig irritiert. Hatte sie doch zunächst den Eindruck, dass ihre Tante ein wenig säuerlich auf die Konversation zwischen dem Dottore und ihr reagierte. Da ihre Tante aber anscheinend nun doch nichts dagegen hatte, lächelte sie den Geschützmeister an. "Ich nehme Euer Angebot nur zu gern an. Aber warum sollten wir ihn denn nicht hier, in Gesellschaft genießen?" Sie warf dem Dottore einen schüchternen Blick zu, schielte dabei aber ein wenig zu ihrer Tante hinüber, um ihre Reaktion zu beobachten.

Die Baronin war in diesem Moment für Alissa schwer zu durchschauen. Anderseits: Wann war sie das nicht? Alissa gewann den vagen Eindruck, dass die Baronin selbst hin- und hergerissen war davon, was sie vom Gespräch ihrer Nichte mit Belcampo halten sollte, und sich daher diskret im Hintergrund hielt. Belcampo selber liess sich nicht verunsichern: "Natürlich spricht nichts dagegen, den Wein in Gesellschaft zu trinken. Ich möchte ja nicht allein trinken, sondern in Eurer Gesellschaft." Er beobachtete Alissas Gesicht bei diesen Worten mit spielerischem Interesse und fuhr nach einer Pause fort: "natürlich wäre es mir ebenso eine Freude und Ehre gewesen, Eure Hochgeboren, die Baronin, bewirten zu dürfen, aber sie hat verzichtet. - Und da ich nun Euer Gast war, erlaubt mir - auch wenn es auf Eurer Burg und nur dank Eurer Gastfreundschaft so möglich ist - erlaubt mir also, Euch auf meinem Zimmer zu bewirten und Euch meine Gastfreundschaft zu Teil werden zu lassen. Ihr werdet verstehen, dass ich sonst kaum eine Möglichkeit dazu haben dürfte. Und ich hoffe, dass Ihr auch versteht, dass ich mich erkenntlich zeigen möchte. Aber wie immer stets stehen nicht meine Wünsche im Vordergrund, sondern bin ich Euch zu Diensten." Auch die letzten Worte sprach er wieder mit einem verschmitzten Lächeln und schlug schliesslich vor Alissa die Augen nieder.

Alissa wusste nicht ganz, was sie von der gesamten Situation zu halten hatte. Spielten die beiden ein Spiel mit ihr oder steckte doch mehr dahinter? Alissa war zwar misstrauisch, willigte aber doch ein. "Werter Dottore, ich nehme Euer Angebot gerne an." Sie lächelte freundlich, war aber auf alles gefasst, was da noch kommen würde.

Und so begaben sich nach dem Abendmahl Alissa und Luigi gemeinsam auf sein Zimmer ... das Gespräch verlief sehr anregend, der Wein beflügelte die beide Seelen und füllte den Raum mit angenehmen Düften, die Kerzen tauchten alles in ein weiches Licht - und aus all diesen Ingredienzien schien sich ein unsichtbares Band zu knüpfen, dass Alissa und Luigi immer näher zueinander zog. Doch als Luigi bereits meinte, ihr einen Kuss stehlen zu können, schubste sie ihn spielerisch weg, schritt energisch zum Fenster und riss es auf, hustete offensichtlich gespielt und meinte, sie brauche etwas frische Luft. Ein kalter Luftzug löschte die Kerzen, und während Luigi - seine Enttäuschung meisterlich verbergend - noch zurückgab, er wäre untröstlich, wenn Alissa sich erkälten würde, war letztere bereits an der Tür angelangt und meinte nur noch keck: "Als braves Mädchen muss ich nun in mein Bett ... und als Waldläuferin erkälte ich mich nicht so schnell." Luigi wollte noch einen flotten Spruch loswerden, aber da war Alissa bereits aus dem Raum geschlüpft ... dann steckte sie ihren Kopf doch noch mal in den Raum mit der Bemerkung: "A propos Waldläuferin ... Ihr solltet wissen, dass ein nur halb gespannter Bogen nur halb soweit schiesst." Mit diesen Worten zog sie sich dann endgültig zurück. Luigi glaubte, die Botschaft verstanden zu haben ... und - leise vor sich herlachend und "Teufelsweib" murmelnd - begab er sich selber zur Ruhe.

Am nächsten Morgen trafen sich die Baronin und Alissa relativ früh allein beim Frühstück. Die Baronin war erstaunt, sie so früh schon zu sehen und fragte Alissa mit unschuldiger Miene, wie denn der Abend so gelaufen sei. Alissa antwortete ihr - im wesentlichen ja wahrheitsgemäss - dass sie mit dem Herrn Dottore ein Gläschen Wein getrunken und dann auf ihr Zimmer gegangen sei. Dabei beobachtete sie das Gesicht der Baronin genau, die sich augenfällig beherrschen musste, um ihr Erstaunen zu verbergen, und scheinbar teilnahmslos zu sagen: "Schön, dass Du einen netten Abend hattest." Und damit wechselte sie nahtlos zum Tagesgeschäft über, in dem es um die Ausbildung der Waldläufer und der Geschützmannschaft ging.


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5. Phe 1027 BF
Erlenstammer Diner
Erlenstamm im Aufbruch


Kapitel 4

Autor: Alissa