Geschichten:Erlenstammer Hofgeschichten - Teil 4

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Alissa ging also, nachdem sie sich rundum hergerichtet hatte, wieder zurück in die Halle, um dort auf das Abendessen zu warten.

Ihre Tante saß dort schon mit einem Becher Wein vor dem angeheizten Kamin. Alissa setzte sich zu ihr und blickte ihre Tante an. Sie hatte ein wenig ihrer Jugend zurückgewonnen, schien es Alissa. Das Gesicht ihrer Tante wirkte fröhlicher als in den Wochen zuvor und sie grämte sich wohl nicht mehr allzu sehr. Anscheinend hatte Belcampo der Baronin den Hof gemacht, als Alissa weg war.

„Liebste Tante“, begann Alissa leise. „Hättet Ihr nach dem Essen vielleicht ein oder zwei Stunden Zeit für mich? Allein, ohne den Dottore? Ich möchte mit Euch ein paar meiner Ideen erläutern vor allem würde mich ein vertrautes Gespräch mit Euch sehr erfreuen. Ist es doch lange her, dass wir in aller Ruhe miteinander geredet haben.“

"Aber sicher, Kind", erwiderte die Baronin in sehr freundlichem Ton. "Ich stehe Dir immer zur Verfügung. Vielleicht können wir nach dem Essen reden. Oder wenn es Dir lieber ist, morgen in der Früh, bevor die Sonne aufgeht. Ich bin dann gerne draussen Unterwegs, betrachte den Nebel, der in den Weinbergen liegt, und denke über dies und das nach. Es ist immer eine sehr friedliche Stimmung. Vielleicht das richtige für ein Gespräch zwischen Nichte und Tante? Und dann sind wir auch mit Sicherheit ungestört."

"Mie care signore alto-sopportate!" hörten die beiden Damen gleich darauf, als Belcampo mit offenen Armen auf die beiden zukam. Zunächst umarmte er die Baronin freundschaftlich und küsste sie einmal auf die linke, dann auf die rechte Wange. Dann wandte er sich mit einem verführerischen Lächeln Alissa zu, um ihr dieselbe Geste zu erweisen, was sie schlechterdings nicht zurückweisen konnte. Bereits die belanglose Umarmung eines Freundes schien sie zu elektrisieren, und auch Belcampo schien es ähnlich zu gehen. Nachdem er ihre linke Wange geküsst hatte und den Kopf auf die andere Seite bewegte, hielt er - mit Alissa Aug in Aug - für einen Wimpernschlag inne, beendete dann aber das Ritual, wie es sich gehörte, und mit roten Wangen nahm er wieder respektvoll Abstand.

Mit immer noch leicht geröteten Wangen wandte sich Alissa wieder ihrer Tante zu.

„Ich denke, morgen früh wäre sehr geeignet. Vor allem wird sich Connar freuen, endlich nicht mehr gelangweilt im Wald herumstehen zu müssen. Aber ihr kennt ihn ja, er weicht mir nie von der Seite.“

Alissa drehte sich kurz um, vernahm dann das klappern von Geschirr und sagte: „Ich denke, es wird gerade aufgetragen. Vielleicht sollten wir dann endlich Platz nehmen. Ich sterbe schon vor Hunger.“

So begaben sich die Drei zur Tafel, auf der reichlich aufgetragen wurde. Alissa lief beim Anblick schon das Wasser im Munde zusammen.

Die Baronin nahm, wie es sich gehörte, am Kopfende des Tisches Platz, während Alissa sich links und der Dottore sich rechts von der Baronin nieder ließen.

Die Küchenmägde trugen auf, was die freudensteinsche Vorratskammer zu bieten hatte: Pasteten, Saucen, frisches weiches Brot und unter anderem ein paar kleinere Waldtiere, die Alissa von der Waldläuferausbildung aus dem Wald mitgebracht hatte.

Die Baronin, ihre Nichte und Belcampo erlebten einen fröhlichen Abend. Sie speisten ausgezeichnet, gerade zu vorzüglich.

Alissa gab die eine oder andere Anekdote der letzten vier Wochen zum Besten und amüsierte ihre Tante und ihren Verehrer.

Nachdem das Abendessen beendet und die leeren Schüsseln und Teller abgetragen wurden, machten es sich die Drei in einem kleineren Raum vor dem Kamin gemütlich.

Eine der Mägde brachte heißen Würzwein, der den Magen nach dem Essen wieder ein wenig beruhigte.

Alissa genoss die Gesellschaft ihrer Tante sehr, musste sie ja schließlich in letzter Zeit sehr häufig darauf verzichten. Belcampo hatte indes sein Buch wieder hervor gezaubert und begann, seinen Gastgeberinnen daraus vorzutragen. Die ganze Atmosphäre mit dem flackernden Kaminfeuer, dem dampfenden Würzwein in ihrem Becher und dem Vortrag ihres Verehrers verursachte in Alissa die eine oder andere Gemütsregung. Irgendwann, mitten im Vortrag raunte Alissa ihrer Tante zu: „Ein begnadeter Poet, unser Dottore, nicht wahr, liebste Tante?“

Die Baronin blickte müde zu ihr herüber und nickte mit einem abwesenden Lächeln. Dann schien sie sich einen Ruck zu geben, mit dem sie aufstand und bekannt gab, sie werde sich nun wohl zur Ruhe begeben. Mit diesen Worten verliess sie Alissa und Belcampo, die eine Weile nur stumm da sassen und einander tief in die Augen blickten. Belcampo erhob sich daraufhin von seinem Sofa und setzte sich direkt vors Feuer auf den flauschigen Teppich, der davor lag, mit den Worten: "Mich fröstelt es ein wenig, mia Bella. Euch nicht? Wollt Ihr nicht auch ans Feuer kommen?" Alissa liess sich nicht lange bitten und setzte sich neben ihn. Beide bebten, aber nicht vor Kälte, sondern vor Anspannung. Und auf der Suche nach den richtigen Worten, hauchte Alissa dem liebfelder Charmeur ins Ohr: "Habt Ihr schon vergessen, dass Ihr mich vorhin im Bad gerettet habt und ich Euch versprochen habe, mich dafür erkenntlich zu zeigen." Belcampo wollte noch etwas sagen, doch Alissa hinderte ihn mit einem innigen Kuss daran.

Borongefälliges Schweigen sei nun darüber gehüllt, wie Alissa und Luigi eine schier endlose Liebesnacht im Kaminzimmer verbrachten - und es mag wohl auch Levthan bei dieser Verbindung mitgetan haben ... jedenfalls wurde es laut in diesem kleinen Zimmer ... sehr laut, doch in diesem Moment kümmert es beide nicht, dass sie wohl die ganze Burg hören konnte. Und nachdem beide einander schliesslich erschöpft in die Arme vielen, spürte Alissa mit fast prophetischer Sicherheit, dass sie in diesem Moment auch den Segen Tsas empfangen hatte...