Geschichten:Einer, um Haffax zu schlagen - Soll er es doch machen

Schlossgut Bergensteen, Anfang Tsa 1035

Horgert von Altensberge zählte die Goldstücke ab, die er schuldig war, und stapelte sie sorgsam zwischen sich und seiner Lehnsherrin. »Das müsste passen«, sagte er und zog den Geldbeutel zu, ehe er ihn wieder in seiner Gürteltasche verstaute.

Cassia von Bergensteen würdigte die aufgestapelten Dukaten keines Blickes und bedeutete ihrem HaushofmeisterJargolan Vernsen, die Summe an sich zu nehmen, die dort vor ihr lag. Sie wußte, dass sie sich auf ihren Untergeben verlassen konnte; der schwarzhaarige Vasall mit den harten Gesichtszügen war nicht nur einer ihrer engsten Vertrauten, sonder ihr auch auf Rahjas Art hörig. Er würde dafür Sorge tragen, dass nichts abhanden kam; dafür bekam er ab und an, was er am innigsten ersehnte: Stunden der Zweisamkeit mit seiner Herrin.

Ritter Horgert hingegen ahnte davon freilich nichts; ihn hatten geschäftliche Dinge hierher geführt, auch wenn er mit seiner Lehnsherrin nicht unbedingt gut Freund war. Manche Dingen hingegen ließen ihn über seinen Schatten springen, zum Beispiel die Winzerkunst, der man auf dem Gut nachging. Hier bekam er ausreichend gute Qualität zu einem angemessenen Preis, der seine knappen Finanzen nicht überstiegt, und so arrangierte er sich zumindest in dieser Hinsicht mit der Junkerin.

»Nachdem wir nun den geschäftlichen Teil abgeschlossen haben«, setzte Cassia an, nachdem sie nur noch zu zweit waren, »sollten wir uns den politischen Dingen widmen. Ich nehme an, Ihr werdet Euren Lehnspflichten Folge leisten und nach Auenwacht zum Kabinette reisen?«

Der Ritter nickte, obschon er sich aus Politik wenig machte; vielmehr schätze er die Abgeschiedenheit seines Wehrgutes und hoffte darauf, dass man ihn in Ruhe ließ.

»Es heißt, Baron Uslenried strebt danach, Marschall des geeinten Banners zu werden, wie ich hörte«, erwiderteHorgert; seine Tonlage ließ jedoch erkennen, dass er davon nicht allzu begeistert war.

»Ja, dass stimmt«, erwiderter die Junkerin. »Meine Frage zielte jedoch vielmehr darauf ab, ob ich mit Eurer Begleitung auf der Reise rechnen kann; ich fände es zu schön, wenn wir gemeinsam dort ankämen. Vielleicht ergibt es sich ja auch, dass wir ab Falkenwind mit dem Baron gemeinsam reisen könnten.

Horgert nickte. Er konnte sich etwas besseres vorstellen als mit der Junkerin im Schritttempo durch die Lande zu reiten und dabei ein Pläuschchen zu halten. Doch er erwiderte nichts; er würde sich ansonsten ohnehin nur eine dumme Bemerkung anhören müssen..

»Fein, dann ist es abgemacht«. Cassia von Bergensteen erhob sich aus ihrem Lehnstuhl, strich die goldblonden Locken zurück und trat zu ihrem Vasallen, der einen Blick hinunter in den Hof warf. Dort waren die Knechte fast damit fertig, die Weinfässer auf den Wagen zu laden.

»Wenn ihr erlaubt, werde ich mich auf den Weg machen; mir liegt daran, noch vor Einbruch der Dämmerung wieder zu Hause zu sein« sagte er, ohne den Blick vom Hof zu wenden. »Aber sich doch, mein lieber Horgert«, flötete sie und legte ihm kurz die Hand auf den Schulter.

Der Altensberger wandte sich zu ihr um. »Eine Frage hätte ich jedoch noch, Euer Wohlgeboren.«

Auffordernd blickte sie ihn an.

»Was haltet Ihr von der Kandidatur des Streitzigers?« Horgert hielt ihrem Blick stand; es war selten, dass er sie um eine Meinung fragte.

Cassias Augen blitzen. »Soll er’s doch machen«, entgegnete die Junkerin kühl. »Immerhin ist er ein Waldsteiner; das macht ihn aus unserer Sicht wahrscheinlich besser als einen der anderen Anwärter auf diesen Posten. Wenn ihr allerdings jemand besseren wüsstest, lasst es mich wissen«.

Horgert schüttelte den Kopf.

»Seht Ihr, mir geht es genau so. Also müssen wir damit leben und es so hinnehmen, wie es kommt.« fuhr Cassia fort. Insgeheim hingegen war es ihr sogar recht, dass sich der uslenrieder Baron auf dieses Kommando einließ, fürdass die Chancen auf Wiederkehr ihrer Ansicht nach nicht unbedingt die Allerbesten waren. Wenn er aus dem Weg war, würde das andere Pläne erleichtern; sie wäre die letzte, die trauern würde.