Geschichten:Eine große Ehre

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Dramatis personae:


Ohne Bedeckung und allein mit seinen Gedanken ritt Wallbrord von Löwenhaupt-Berg nach Abschluss des Großen Kabinetts zum derzeitigen Aufenthaltsort des Kaiserhofs, um dort die Monarchin zu treffen. Zwar hatten ihm diverse Adlige ihre Begleitung oder zumindest eine Eskorte angeboten, doch hatte der Baron zu Vellberg diese Angebote allesamt dankend abgelehnt; wenigstens unterwegs wollte er seine Ruhe haben. Ihm hatten vor der Abreise schon einige seiner Standesgenossen den letzten Nerv geraubt, indem sie ihn mehr oder weniger stark verklausuliert gebeten hatten, dass er auch ihre eigenen Anliegen vor das Ohr der Herrscherin brächte. Derlei Ansinnen hatte der ehemalige Marschall entweder geflissentlich ignoriert oder aber den betreffenden Adligen nonchalant mitgeteilt, dass er nicht ihr Bote sei und sie daher gefälligst selbst bei der Monarchin vorstellig werden sollen.

Sein Sieg bei der Kabinettstjoste hatte ihn mit Stolz erfüllt, wie Wallbrord sich eingestehen musste. Aber dieser Erfolg war ja durchaus auch aller Ehren wert, betrachtete man das sehr gut besetzte Teilnehmerfeld. Doch neben allerlei Anerkennung und Glückwünschen war ihm dadurch auch die ebenso große Ehre wie Verpflichtung zugefallen, der Kaiserin und Königin Garetiens den Kabinettsschluss zu präsentieren und zugleich - so zumindest die Erwartungshaltung nicht weniger Adliger - dafür Sorge zu tragen, dass dieser möglichst ungeschmälert von der Monarchin bestätigt und gesiegelt wurde.
Auch wenn Wallbrord sich direkt, nachdem ihm diese Aufgabe zugefallen war, gewissenhaft auf das Zusammentreffen mit der Herrscherin vorbereitet hatte - von der Art des korrekten Kniefalls über die Wahl der Kleidung, das komplizierte Hofzeremoniell bis hin zur rechten Konversation - fühlte sich der sonst so selbstsicher und entschlossen auftretende einstige Marschall doch ein wenig überfordert. Überfordert und unwohl. Der Baron hatte sich früher schon auf dem glatten Parkett der Politik nie wohlgefühlt und nun hatte er gleich die diesbezüglich größtmögliche Bewährungsprobe vor sich: Eine Audienz im kleinen Kreise mit der Kaiserin, die er zudem auch noch davon überzeugen sollte, die auf Schloss Auenwacht getroffenen Entscheidungen zumindest wohlwollend zu prüfen. Für einen kurzen Moment wünschte sich Wallbrord, dass nicht er, sondern eine der vielen aalglatten Hofschranzen das Turnier gewonnen und nun der Kaiserin gegenüberzutreten hätte. Da wären diese von ihm sonst so verachteten Leute wenigstens in ihrem Element und ausnahmsweise mal zu etwas nutze gewesen.

Zwei Tage nach seiner Ankunft war es dann soweit: Die Kaiserin ließ bitten. Das Unwohlsein des altgedienten Offiziers verstärkte sich noch ein wenig. Ein letztes Mal kontrollierte Wallbrord Sitz und Sauberkeit seines Wappenrocks - was er an diesem Tage schon mindestens ein Dutzend Mal getan hatte - und ging gedanklich noch einmal alle für die Audienz wichtigen Punkte durch, um möglichst jeden Fehler zu vermeiden. Beim Betreten registrierte der Vellberger, dass neben der Kaiserin und einigen Dienern lediglich ein Schreiber, eine Zofe und zwei ihm unbekannte Höflinge anwesend waren.
Auf einem prächtigen Stuhl, der fast schon einem Thron glich, saß die Herrscherin über das Reich Rauls des Großen vor einem wuchtigen Tisch, auf dem eine Karaffe Wein, zwei Gläser sowie eine Schale mit Gebäck standen.
Nach der Begrüßung, dem Austausch einiger Höflichkeitsfloskeln sowie der Gratulation zum Turniersieg kam die Monarchin recht schnell zur Sache, was auch ganz im Sinne Wallbrords war, der zwischenzeitlich am Tisch gegenüber der Kaiserin am Platz genommen hatte.

"Nun, Herr Wallbrord, wie mir berichtet wurde, hat der versammelte Adel des Königreichs Garetien sowie der Markgrafschaften Perricum und Greifenfurt seine Beratungen abgeschlossen. Wir möchten Euch bitten, Uns in aller gebotenen Kürze über die Ergebnisse dieser Zusammenkunft zu informieren."
"Gewiss, Eure kaiserliche Majestät", erwiderte der Angesprochene mit leicht belegter Stimme und begann, den Inhalt des Kabinettsschlusses in knappen Worten frei vorzutragen.
"Im Namen und Auftrag des Adels der drei Provinzen empfehle ich Euch untertänigst die Annahme der folgenden Ratsschlüsse zur Siegelung an:

Ad primum: Der Elfenpfad durch den Reichsforst soll ausgebaut werden; die Krone möge die Kosten hierfür tragen und die Verhandlungen mit den Elfenvölkern führen, während die Einnahmen in den am Pfad liegenden Lehen verbleiben sollen.
Ad secundum: Im Streit zwischen dem Adel der Markgrafschaft Perricum und der Reichsstadt Perricum möge Eure kaiserliche Majestät dem Gesuch des Rates der Stadt widersprechen und die alten Rechte des Adels der Provinz wahren.
Ad tertium: Wir empfehlen Euch zum Schutze der drei Provinzen die Aushebung von elf Regimentern Landwehr. Die Markgrafschaften Greifenfurt und Perricum sowie die Grafschaften Waldstein, Hartsteen, Eslamsgrund und Schlund sollten jeweils ein Regiment stellen, die Kaisermark Gareth zwei und die Grafschaft Reichsforst derer drei.
Ad quartum: Damit das aufzustellende Heer für den Kampf gegen den verfluchten Haffax gut gerüstet sei, soll jeder Eurer Vasallen in den drei Provinzen zusätzlich acht Silbertaler an Euch als ihre kaiserliche und königliche Lehnsherrin entrichten.
Ad quintum: Die Führung dieses Heeres möge dem Edlen zu Rosskuppe und Rittmeister der Markgrafschaft Greifenfurt, Urion von Reiffenberg, als großgaretischem Marschall anvertraut werden.
Ad sextum: Nach der unerwarteten Demission Horbald von Schroeckhs als Erster königlicher Rat Garetiens möge Eure kaiserliche Majestät Horulf von Luring zu dessen Nachfolger in diesem hohen Amte ernennen."

Kaiserin Rohaja hörte aufmerksam zu, ohne den Baron auch nur einmal zu unterbrechen. Ihre Mimik und Gestik ließen dabei nicht erkennen, was sie von den einzelnen Ratschlüssen hielt; lediglich bei der Kunde über von Schroeckhs überraschendem Rücktritt verzog die Herrscherin für einen kurzen Moment das Gesicht.
Als der Baron geendet hatte, überreichte er der Monarchin die Niederschrift des Kabinettsschlusses sowie in einer Schatulle die Amtskette des königlichen Rates. Während sie das Pergament umgehend an ihrem Ratgeber zur Linken weitergab, betrachtete die Kaiserin die Kette einen kurzen Moment lang mit nachdenklicher Mine, bevor sie sie einem herbeigewunkenen Lakaien zur Aufbewahrung anvertraute.

"Seid bedankt für Euren prägnanten Vortrag“, sprach die Kaiserin huldvoll und nestelte einen Ring von ihrem Finger. Da er unmöglich auf einen von Wallbrords Finger gepasst hätte, winkte sie ihre Zofe herbei, die eine einfache Kette trug und diese nun vom Hals nahm. Die Kaiserin selbst fädelte den Ring auf die Kette, schloss die Schließe und überreichte dem Turniersieger seinen wahren Siegerpfand. Noch ehe Wallbrord sich des Geschenks bewusst werden konnte, hörte er, wie die Kaiserin erneut die Stimme erhob: „Eine Frage haben Wir noch: Warum soll die Markgrafschaft Perricum nur ein Landwehrregiment stellen? Betrachtet man die Einwohnerzahl und das Steueraufkommen, so sollte es der Provinz Unserer Meinung nach ohne weiteres möglich sein, drei oder gar vier Regimenter zu unterhalten."

"Nun, Eure kaiserliche Majestät, die Markgrafschaft Perricum liegt strategisch wichtig gleich an drei möglichen Einfallstoren für eine mögliche Invasion des Feindes: Dem Golf von Perricum, dem Arvepass und nur etwas weiter nördlich, in der Rabenmark, der Trollpforte, wodurch sich das Land als Aufmarschgebiet und Stationierungsort für das Heer geradezu aufdrängt. Sollte dereinst die vereinte Streitmacht des Königreichs Garetien sowie der Markgrafschaften Greifenfurt und Perricum in letztgenannter Provinz zusammengezogen werden, so dürfte sie deutlich mehr als Legionsstärke umfassen und entsprechend schwierig zu versorgen sein. Diese Versorgung mit Ausrüstung und Verpflegung kann meines Erachtens am besten sichergestellt werden, wenn die Bauern und Handwerker in Perricum weiterhin ohne nennenswerte Einschränkungen ihrer Arbeit nachgehen und so etwa Ernteausfälle vermieden werden können. Und wenn es absolut erforderlich sein sollte, kann die Markgrafschaft rasch weitere Landwehrregimenter aufstellen." Während seiner Erläuterung hatte Wallbrord deutlich an Sicherheit zurückgewonnen, bewegte er sich dabei doch auf vertrautem militärischen Terrain.

"Habt Dank für Eure profunden Ausführungen, Herr Wallbrord. Wir werden Sie bei der Prüfung des Kabinettsschlusses berücksichtigen und, sobald es Unsere Zeit zulässt, unseren treuen Vasallen mitteilen, in welchem Umfange Wir den Schluss bestätigen werden.
Zeit ist ein gutes Stichwort, auf mich warten noch andere dringliche Angelegenheiten. Habt Ihr sonst noch etwas zu berichten, Baron?"

"Nein kaiserliche Majestät, das wäre soweit alles."

"Gut. Ihr dürft Euch nun zurückziehen und seid noch einmal bedankt für Euer Kommen"

Als der Vellberger den Kaiserhof verließ, war er froh und erleichtert. Froh, sich während der Audienz keinen Fehltritt geleistet zu haben (zumindest keinen, der ihm aufgefallen wäre), erleichtert, dass es ihm seitens der Kaiserin erspart geblieben war, das Zustandekommen des Kabinettsschlusses näher zu erläutern oder gar für dessen Annahme zu werben, was seine Fähigkeiten und Nerven wohl aufs äußerste strapaziert hätte. Auch stand Wallbrord immer noch unter dem Eindruck der großen Ehre, von der Kaiserin in so intimem Rahmen empfangen worden zu sein. Klar war ihm allerdings auch, dass er dies so schnell nicht noch einmal brauchte ...
Am Folgetag machte sich der Baron auf den Rückweg nach Perricum und zu seinem Regiment, froh, sich dort in jeder Hinsicht wieder auf vertrautem Gelände bewegen zu können.

GG&P-Con 2012 Garetien-, Greifenfurt- und Perricum-Con 2012


Dieser Artikel verweist auf die Handlung des GG&P-Cons 2012.