Geschichten:Ein Stift zu Ehren des Göttlichen Nandus - Auf Gut Weidenhof

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Gut Weidenhof, 2. Firun 1034 BF

Mit einem Krug roten Almadaner in der einen Hand und zwei Kristallgläsern in der anderen ging Lana vorsichtig die Treppe zum zweiten Stockwerk des Gutshauses empor. Wie sie herausgefunden hatte schätzte seine Wohlgeboren einen guten Schluck, wenn er jeden zweiten Nachmittag seine Korrespondenz durchsah und da heute seine jüngste Tochter aus Gareth eingetroffen war, hatte der Maior Domus Lana angewiesen einen besonders feinen Tropfen in die Studierstube ihres Herrn hinauf zu bringen.

„Diese Intrigantin, diese Hochstaplerin! Wie kann sich dieses dahergelaufene Pfeffersackstochter erdreisten das Erbe meines Bruders für so etwas zu verschleudern!“

Lana wäre vor Schreck fast das Tablett von der Hand gerutscht – na das hätte Ärger gegeben! Etwas unschlüssig blieb sie vor der Tür zur Studierstube stehen. Von drinnen hörte man energische Schritte und die Stimme ihres Herrn schallte ein zweites Mal lautstark durch das Eichenholz.

„Und dann versucht dieses hintertriebene Miststück ihren schmutzigen Frevel auch noch mit dem reinen Namen unseres Herrn Praios abzusegnen! Ja wo kommen wir denn da hin!“

„Vater ich bitte dich, so beruhige...“

Diese Stimme kannte Lana noch nicht. Sie musste wohl der hohen Herrin Rovena gehören... nein ihrer Gnaden Rovena. Lana errinnerte sich einmal gehört zu haben, dass die jüngste Tochter des Junkers der Herrin Rondra diente. Die Geweihte klang gleichzeitig beschwichtigend und sprach dennoch mit einer entschlossenen Autorität. Nichts desto trotz wurde sie mitten im Satz unterbrochen.

„Da ließ doch selbst - 'auf dass dieser Stiftungseid bis in alle Ewigkeiten unverbrüchlich fortbestehen möge und jeden, der diese fromme Gabe hintertreiben sollte, der Zorn des Königs der Götter treffe!' - so eine Unverschämtheit!“

„Ja Vater... Ich gebe zu, dies war ein geschickter Schachzug von ihr, aber...“

„ Ein geschickter Schachzug! Ein vermaledeites Phexenstück war das.“

„Ja, wie dem auch sei...“, in der Stimme der Geweitten schwang nun eindeutig ein Hauch von Wut mit: „ aber eine Stiftung an die Zwölfe oder ihre halbgöttlichen Kinder ist nun bei weitem nicht das Schlimmste was deine Schwägerin damit hätte anstellen können. Wie ich dir schon öfter sagte, gebührt trotz persönlicher Vorlieben unsere Verehrung allen Zwölfen!“

„Pah!“, die energischen Schritte waren, wie Lana auffiel, nun verstummt, kurz darauf hörte sie wie sich jemand deutlich vernehmbar in einen Stuhl fallen ließ. Als ihr Herr weitersprach klang seine Stimme immer noch zornig, aber eine Spur beherrschter: „ Natürlich, du hast Recht, wir sollten sie alle ehren. Aber der göttliche Nandus? Wie ich hörte sitzt einer dieser Aufwiegler in Sertis im Kerker! Der Name unserer Familie – nicht dass dieses Balg eines Verräters schon damit genug Schande über uns gebracht hätte, dass sie den stolzen Namen Weidenhoff unentwegt zusammen mit dem dieses gefallenen Pfeffersacks nennt - jetzt will sie ihn auch noch 'in alle Ewigkeiten' mit einer Gruppe von Unruhestiftern verbinden, die Bauern ihren praiosgegebenen Platz in der Gesellschaft ausreden. Wenn du mich fragst dann haben diese Nandusbrüder die Grenze zur Häresie schon lange überschritten!“

„Ja Vater, einige ihrer Ideen sind ... gewagt, aber davon einmal abgesehen: Was gedenkst du jetzt zu tun, Vater?“

„Hm, bei Praios diese Schlappe muss ich wohl einstecken. Diese Yelinde ist ein gerissenes Fuchsohr, das muss man ihr lassen. Aber ich denke ich werde mich mal an seine Hochwohlgeboren den Pfalzgrafen zu Sertis wenden. Diesen Nandusbrüdern sollte Einhalt geboten werden!“

Gerade als der hohe Herr geendet hatte vernahm Lana ein lautes Räuspern direkt hinter sich. Vor Schreck geriet sie ein zweites Mal in die Gefahr das Tablett fallen zulassen. Hinter ihr stand Trawine, die ältere Magd hatte die Fäuste in die Hüften gestemmt und musterte sie unverkennbar missbilligend:

„Na so was Kindchen! Die hohen Herrschaften belauschen. Solche Neugier steht uns aber nich' zu.“

Obwohl der Tadel in der Stimme der älteren Magd unverkennbar war, wirkte sie nicht wirklich böse. Betreten senkte Lana die Augen: „Entschuldige bitte Travine.“

„Naja, nich' bei mir musst du das sagen, ne? Das mir das nich nochmal vorkommt! Und nu gib das mal her!“

Während ihr Travine ruppig den Krug abnahm, atmete Lana erleichtert aus. Das hätte auch viel ungemütlicher werden können. Die ältere Magd klopfte, nahm ihr auch die Gläser ab und musterte sie beim Eintreten über die Schulter: „So neugierig... Los guck nich, troll dich!"

---

Cyberian von Weidenhoff lächelte still in sich hinein und ließ das Schreiben sinken. Es freute sein altes Herz, dass das Erbe seines Jüngsten nun einem Zweck zukam, der ihm gefallen hätte - auch wenn der Streit zwischen Wolffried und Yelinde damit bei nichten beendet war.

Ächzend drehte sich Cyberian auf die Seite und rückte näher an die Lampe neben seiner Bettstatt heran. Schon diese kleine Anstrengung verursachte ihm Schmerzen. Beunruhigt stellte er fest, dass sein Atem rasselte und ihm nur schwer aus der Brust wollte. Er hatte nicht mehr lange und dass wusste er auch. Nocheinmal las er mit zusammengekniffenen Augen die Verlautbarung.

Cyberian wusste, dass sein ältester Sohn nur nach seinem besten Wissen handelte und wirklich glaubte, dass Richtige zu tun. Er fand sich auch nicht in der Lage ihm zu zürnen. Vielmehr machte er sich selbst Vorwürfe, dass er nicht die Kraft gefunden hatte den Streit zu beenden und zu lange versucht hatte zu vermitteln, anstatt ein für alle Mal klare Verhältnisse zu schaffen. Zwar hatte er zu Beginn ein Machtwort gesprochen, doch er wusste selbst, dass Wolffried sich nicht daran halten würde, wenn er einmal zu Boron gegangen war.

"Oh gütige Herrin Travia, bitte bewahre diese Familie!" Mühsam blies er seine Öllampe aus und drehte sich erneut unter Schmerzen um. Er war müde und all dies lag nicht mehr in seiner Hand.