Geschichten:Ein Held kehrt heim - Nachklang

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Baronie Brendiltal, Gut Besh hassal Ammay shar (Haus des Herrn der Pferde)

Dramatis Personae


„Ja, sie ist in gutär Ver’fassung.“ Bestätigte Eslam der gerade die Zähne einer jungen Stute gemustert hatte. „Sie kuann mit nach Garäth.“ Der Baron von Brendiltal hatte es sich an diesem Morgen nicht nehmen lassen und einen Großteil der Pferde die in die Hauptstadt des Reiches überstellt werden sollten selbst zu begutachten. Pferde die hierbei noch durchfallen würden, würden auf der Speisekarte enden, während der zuständige Pferdeknecht die entsprechende Rechnung erhalten würde.

Es war angenehm warm. Praios Antlitz verwöhnte Südperricum mal wieder, während ein vom Meer kommender Wind dafür sorgte, dass es nicht zu heiß wurde. Eslam von Brendiltal trug an diesem Morgen nur eine einfache, ärmellose, schwarze Tunika, deren Saum mit goldenen Applikationen versehen und am Hals weit bis hinab auf die Brust geöffnet war. Um die Hüfte herum hatte er ein goldenes Tuch gewickelt, in dem sein Krummdolch steckte. Eine schwarze, weite Hose, sowie weiche spitz zulaufende Reiterstiefel komplettierten seine Erscheinung.

Dem Baron folgten zwei Krieger auf den Fuß. Der eine war ein fast zwei Schritt großer, breitschultriger Mann mit einem kantigen Gesicht, Vollbart und einer Narbe, die quer über sein Gesicht verlief. Für einen Nebachoten trug er ungeheuer viel Rüstung. Der Ringelpanzer wurde durch Plattenarm- und Beinschienen ergänzt, die wiederum an manchen Stellen durch Tierknochen verstärkt wurden, während er unter dem Arm den Helm in Form eines Elefantenschädels trug.

Martok von Brendiltal-Sturmfels war der Kapathan (Hauptmann) der Schädelreiter, einer Sharatem (Einheit/Banner) des Stammes der Bahr ai Danal (Brendiltal), von der es hieß, dass sie die ersten seien die den Keil in die feindlichen Linien rammen und die letzten, die von deren Leichen abließen. Der Legende nach sollen die Helme des Kapathans und des Kom’hadar (Bannerträger) der Schädelreiter noch aus den Zeiten Nebachot stammen und über magische Kräfte verfügen. Leider soll das Wissen um den Nutzen aus diesen Kräften ziehen zu können aber seit 1.000 Jahren vergessen sein.

Eidan von Brendiltal, der zweite der beiden Krieger, die Eslam folgten, sah dagegen mit seinen knappen 85 Fingern Höhe, seiner blutroten, funktionalen Kleidung unter dem brünierten Kettenhemd, sowie dem sauber gestutzten Bart und den akkurat gekämmten Haaren fast harmlos aus, würde da nicht von jedem Arm ein Skalp eines erschlagenen Ferkinas baumeln. Eidan war der Kapathan der Blutrösser, einer „guten, soliden und verlässlichen Einheit auf die man bauen kann, solange man nicht zu viel von ihnen erwartet“, wie ein Militärberater am Hofe Perricums einst meinte.

„Wir kennen sofort aufbrächen!“ Bestätigte Eidan in Richtung Eslam, der als Antwort nur nickte, während er bei einer weiteren Stute die Zähne prüfte. Als er auch hier zufrieden war, tätschelte er dem Tier den Hals und entließ den Hauptmann der Blutrösser. Es war vorgesehen, dass Eidan mit einem Teil seiner Ammayin (Krieger) über Haselhain und Gnitzenkuhl bis hin nach Gareth reiten würde. Unterwegs würden sich weitere Krieger und vor allem Pferde ihrem Zug anschließen, galt es doch die Rösser gen Gareth zu liefern und somit Verträge zu erfüllen.

Als sich der Hof Besh'hassal Ammay'shar (Halle des Herrn der Pferde) daraufhin deutlich geleert hatte, wand sich der Baron von Brendiltal an seinen Bastardsohn und übertrug ihm den Befehl sich während seiner – Eslams – Abwesenheit um die Baronie zu kümmern. Der alte Vogt Irian war tot, der neue Vogt Ra’oul nun ebenso und so hatte Eslam erst einmal niemanden, dem er die Geschäfte der Baronie anvertrauen konnte, während er selbst in einigen Tagen zu dem Treffen der Pulethaner in Gallstein aufbrechen würde. „Wie Du wünschst, Marbän.“ Bestätigte Martok kurz mit seiner tiefen Stimme. „Wuänn Du zurick kommän wirst wird das Luand nuoch immär sichär sain. Kain Faind wird äs beträten haben und dann noch immär läben.“

Nichts anderes wollte Eslam hören und entließ daher auch Martok als er sah wie sich Lyn den beiden näherte.

Martok selbst war darüber nicht verärgert. Er konnte seine Schwägerin nicht ausstehen. Auch wenn der Tod Ra’ouls für ihn persönlich nur Vorteile eingebracht hatte, war er doch somit in der Hierarchie der Familie um einen Rang aufgestiegen, so konnte er diese arrogante ‚Garräthy‘ nicht ausstehen. Und ihren Sohn, diesen Bastard, wie er ihn ironischerweise abfällig nannte ebenso wenig.

Lyn trug, wie immer wenn sie auf dem Gut ihres Schwiegervaters zu Besuch war, lange weinrote Röcke. An die Mode der feinen Blusen und Obergewänder wie sie die Frauen hier trugen konnte sie sich nicht gewöhnen, so trug sie eine kurze Tunika aus schwarzem Stoff, welche mit goldbestickten Borten besetzt war. Eine leichte Wölbung ihres Leibes verriet, dass sie Raouls letztes Kind unter dem Herzen trug und ein Blick in ihr Gesicht verriet, dass sie zu wenig aß und zu wenig schlief.

Eslam führte seine Schwiegertochter durch den Garten Besh'hassal Ammay'shars zu einem kleinen Teich, in dessen Mitte eine Art Insel mit einem von Rosen überzogenen Pavillon lag. Der Pavillon war nur über einen kleinen, hölzernen Steg erreichbar.

Eslam bot Lyn an, auf den weichen Kissen Platz zu nehmen und schenke ihr persönlich etwas zu trinken in ein Glas ein, während er sich neben sie setzte.

Im Hintergrund konnte man Caihyn sehen, wie er in voller Wehr im Fußkampf mit einer Stoßlanze von Gawain unterwiesen wurde. Der Junge hatte seit der Rückkehr kaum einen Augenblick ungenutzt gelassen sich im Kampf zu Fuß und zu Pferd unterrichten zu lassen. Eslam, der als Marben (Baron) und Al’Shuar (Bannerherr) auch noch andere Verpflichtungen hatte, reichte da als einziger Lehrmeister bei weitem nicht aus. „Är macht sich gut.“ Bestätigte Eslam, während sie beide den Jungen von der Ferne aus beobachten. „Är wird aines Tages ain großär Ammayin sain.“

Lyn nickte und Wehmut klang in ihrer Stimme mit „Ja, das wird er.“

„Ich dankä Dir, duass Du ge’kuommen bist Shuni'Bashira (Ehrenbezeichnung für Schwiegertochter).“ Eröffnete Eslam schließlich das eigentliche Gesprächsthema und zwang dabei Lyn sich ihm zuzuwenden. Lyn kam auch nicht umher eine gewisse Anspannung aus seiner Stimme heraus zu hören. „Bai eurär Rickkehr ging vieläs im Tumult untär. Erzähle mir dahär nuoch ainmal genau, wie duas mit Ugo von Mihlingän war? Wieso hat är auch nicht ämpfangän und wieso ist är nicht mitgekuommän?“

Darum ging es Eslam also. Der Patriarch hatte Ugo dessen Fehlen oder das Fehlen eines seiner Gesandten bei der Beisetzung seines Sohnes Ra’ouls von Brendiltal noch immer nicht verziehen. Anscheinend wollte der Nebachote nun Genaueres erfahren, bevor er Ugo entsprechend gegenüber reagieren würde. So überlegte Lyn sich die nächsten Worte genau bevor sie sprach, wusste sie doch, welch Folgen dies haben könnten. Allerdings beschönigte sie auch nichts, sah sie sich – wenn überhaupt über Ra’oul - Eslam verpflichtet, aber keinesfalls einem Ugo von Mühlingen oder den übrigen Pulethanern.

So berichtete sie, wie der Trauerzug – auf seiner Rückreise von Albernia nach Perricum - auch bei Ugo auf Burg Rudes Schild vorbeizog, wie Ugo Lyn und die anderen Reisende nicht nur den Empfang verweigerte und Lyn durch einen Herold abfertigen ließ, sondern auch wie er ihnen die Gastfreundschaft verwehrte und jegliche Kondolenzgrüße zum Tod eines Pulethaners ausblieben.

„Mehr noch,“ fügte Lyn mit in die Ferne gerichteten Blick fort. „In einer Herberge, wo einige seiner Söldner ebenfalls untergekommen waren, erfuhren wir, wie Ugo über den Tod Ra’ouls dachte. Dass Ra’oul ein Trottel sei, der sich in der Ferne von irgendwelchen Feen habe abschlachten lassen und dass dieser Esel nun auch noch als Held gefeiert werden würde, könne er so gar nicht verstehen.“

Eslam hatte mit versteinerter Miene die Worten der Vögtin von Haselhain, nein nicht der Vögtin, sondern seiner Schwiegertochter Lyn, jener Frau, die sein Sohn über alles geliebt hatte, verfolgt, als er sein Glas Wein in der Hand zerdrückte. Den Schmerz der scharfen Scherben bemerkte er kaum, als er aufsprang und die Reste des Glases auf den Boden schmiss. Wütend fluchte er über Ugo. „Suo? Ain Äsel suoll är ge’wäsen sain, ja? Aber fir ihn, fir ihn zu kämpfän wuar är gut gänug. Pah…“

Es dauerte eine ganze Weile bis Eslam sich soweit wieder beruhigt hatte, so dass herbeieilende Diener seine zerschnittene und blutende Hand versorgen konnte. Das letzte Wort an Ugo hatte Eslam jedenfalls noch nicht gesprochen….

Der Pavillon dagegen bedurfte nun einer dringenden Restauration….