Geschichten:Eichen fallen – Das Gemälde

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Hesinde-Kloster St. Ancilla, Kaiserlich Gerbaldsmark, Anfang Rondra 1039 BF:

Wie so oft dieser Tage saß die Novizin Malveda vor der großen Portrait des weisen Vaters in der Halle der Hüter. Die anderen Novizen belächelten sie schon und es kamen mitunter wenig hesindegefällige Sprüche, wenn sie da so auf dem Boden der Halle saß und mit starrem, gar leeren Blick das Bildnis ihres geistigen Lehrers ansah. Mitunter stundenlang. Einige fingen an sie zu meiden. Oder war sie es die die anderen mied? Es hatte sich viel verändert in dem noch jungen Leben der Novizin.

Malveda war behütet im Stadthaus ihrer Mutter in Vierok aufgewachsen, abgeschirmt vor all den Anfeindungen und Gehässigkeiten ihrer Standesgenossen, denn der alte Adel hielt nicht viel von dem noch jungen Baronsgeschlecht von Vierok. Aber all das drang nicht zu ihr vor. Besonders zur Zofe ihrer Mutter hatte Malveda ein sehr inniges Verhältnis aufgebaut. Umso mehr, als diese dann auch ihre Hauslehrerin wurde. Viel hatte sie von Saria gelernt und so fiel der Abschied um so schwerer. Dabei war es Saria die Malveda dazu bestärkt hatte, als Novizin im Hesinde-Kloster St. Ancilla um Aufnahme zu ersuchen. Und so kam es auch. Mit 10 Götterläufen verließ das junge Mädchen das elterliche Nest und trat ins Kloster ein. Viel Zeit für Heimweh hatte Malveda nicht, denn der Klosteralltag war streng strukturiert. Zur ersten Hesindestunde begann der neue Tag. Morgengebet, dann Studium schier unzähligen Folianten, Leibesertüchtigung, hauswirtschaftliche Arbeit, wieder Studien und schließlich Abendgebet. So verging die Zeit wie im Fluge. Dann waren da noch die anderen Novizen wie Gebhilf Nando, Duridanya oder Fenia, mit denen Malveda sehr gut auskam. Sicher, manchmal hatten sie nur Schabernack im Kopf und die Lehrmeister im Kloster fluchten nicht nur einmal über sie. Aber dennoch fühlte sie sich wohl. Auch weil ihre frühere Hauslehrerin Saria sie regelmäßig im Kloster besuchte. Darauf freute sich Malveda jeden Mond aufs neue. Ja, sie war richtig glücklich.

Doch hielt diese Glück nicht lange. Ihre Herkunft aus reicher, aber bei Standesgenossen verachteter Familie holte sie auch hinter den Klostermauern ein. Es Begann im Rahja 1035 BF, als Saria ihr bei einem Besuch die Nachricht vom Tod von Malvedas Onkel Barnhold überbrachte. Wie es hieß, wurde er bei einem Überfall von Strauchdieben nahe seines Gutes umgebracht. Diese Nachricht traf sie schwer, hatte sie ihren Onkel doch abgöttisch geliebt. Nun war er für immer fort. Malveda stürzte sich daraufhin noch verbissener in ihre Studien. Das Kloster war nun ihr wichtigster Halt. Doch sollte ihr auch dies genommen werden. Denn wenig später kam ihrer Mutter mit einer gar unsagbaren Bitte auf sie zu. Malveda sollte aus der verbotenen Bibliothek des Klosters einen seltenen Folianten stehlen. Zu der verbotenen Bibliothek hatten die Novizen freilich keinen Zutritt, doch kannten Xeledane und Malveda einen geheimen Zugang. Sie tat wie ihr geheißen. Für die Familie tut man doch alles, redete sie sich immer wieder ein. Doch hatte sie fortan schreckliche Gewissensbisse gegenüber dem weisen Vater. Aber sie schwieg und verdrängte ihre Tat. Anders hätte sie nicht weiterleben können.

Ein Götterlauf später überbrachte Saria die Nachricht vom Tod ihres Bruders Jahom. Der Knappe am Kaiserhof galt nunmehr als verschollen und mutmaßlich ertrunken. Ein weiterer Schlag für die noch junge und schon so geschundene Seele der Novizin. Daran konnte auch nicht die Vermählung ihrer Schwester Berdina mit dem aus hohen Hause stammenden Orlan von Weyringhaus zwei Monde später nichts ändern. Malveda erkannte wohl den politischen Nutzen dieser Verbindung, doch brachte es ihren Bruder und Onkel nicht zurück. Ein schreckliches Ereignis überschattete die Feierlichkeiten. Während des Festmahls brach Malvedas Vater Haldan leblos zusammen. Er hatte einen Schlagfuß erlitten, wussten der herbei geeilte Heiler zu berichten. Doch tuschelten auch nicht wenige hinter vorgehaltener Hand von Gift. Seit dieser Boronshochzeit hatte Malveda das Kloster nicht mehr verlassen. Sie suchte Trost und Zuspruch beim weisen Vater und Allwissenden. Doch die schrecklichen Nachrichten ihre Familie betreffend hörten nicht auf.

Im Boron 1037 BF wurde ihr Vetter Celnidan bei einem Duell in Perricum getötet. Diese war die letzte Nachricht die Malveda von Saria erhielt. Denn nur zwei Monde später bat der weise Vater Malveda ihn bei einem Spaiziergang im Schlangengarten zu begleiten. So schonend wie nur möglich erzählte er ihr von dem Tod ihrer Vertrauten Saria. Sie, ihre beiden Kinder und ihr Gemahl Caradan wurden bei einem Ferkinaüberfall im fernen Perricum brutal niedergemetzelt. Malveda brach zusammen. Sie blieb einen Mond im Bett, weigerte sich aufzustehen. Niemand ließ sie an sich heran. Auch nicht den weisen Vater. Sie war gebrochen.

Als sie sich wieder erholt hatte und bedächtig durch die Halle der Hüter streifte, fiel ihr Blick auf ein neu auf gehangenes Gemälde. Es zeigte den weisen Vater, Abt Adran von Feenwasser. Dieser ließ dieses mannsgroße Portrait von dem renommierten Künstler Danilo da Yaquirion anfertigen. Ein Meisterwerk. Malveda war sofort fasziniert von dem Kunstwerk. Sie verbrachte nun fast jede freie Minute um sich das Gemälde anzusehen, um darin einzutauchen. Es gab ihr Kraft.

Ihre Familie war verflucht, das war sich Malveda sicher. Manchmal blickte sie sich um und beobachtete die anderen Novizen. Sie alle waren von der Allwissenden geküsst. So war Selinde trotz ihrer Alters schon eine talentierte Bildhauerin. Lorion hatte ein herausragendes Gedächtnis und Bastan folgte mit Eifer der Profession seines berühmten Vorfahrens. Aber Malveda fragte sich, was sie konnte. Worin war sie gut, herausragend? Nichts. Die Allwissende hatte sich nach dem Diebstahl des Folianten von ihr abgewendet, da war sie sich sicher.

Während dessen ging das Eichensterben weiter. Die Nachricht vom Tod von Cordovan von Vierok nahm Malveda hin ohne eine Miene zu verziehen. Es berührte sie nicht mehr.