Geschichten:Durchs wilde Vellberg

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Mit zunehmender Neugier und auch Vorfreude hatte Elissa von Aelderklamm in Begleitung des auf dem Weg nach Arvepass befindlichen Korporals die Reise nach Vellberg begonnen. Diese Gefühle irritierten die sonst eher nüchtern denkende Frau zugleich ein wenig, denn es wäre schon sehr überraschend, den Ort aus ihrem Traum zu finden (so er denn überhaupt existierte) und noch unwahrscheinlicher, dort von irgendwem oder -was erwartet zu werden, das die Junkerin nicht einfach nur als Bereicherung seines Speiseplans betrachtete.
Während der Reise sprach Elissa nur wenig mit ihrem Begleiter. Nicht, weil sie plötzlich maulfaul geworden wäre oder sich Standesdünkel zugelegt hätte, sondern weil sie zu sehr damit beschäftigt war, die wilde Schönheit dieser Region zwischen Trollzacken und Golf von Perricum zu bewundern. Obwohl sie in den vergangenen Götterläufen diesen Landstrich des Öfteren bereist hatte, waren der Offizierin dessen Reize zuvor nie wirklich aufgefallen.
Kurz bevor die Reisenden die Grenze zu Vellberg erreichten, trübte sich die Stimmung Elissas für einen Moment. Nur wenige Meilen weiter nördlich hatte sie im Kampf zwischen einer von ihr geführten Patrouille und einer Gruppe Trollzacker ihre linke Hand verloren. War das wirklich schon sieben Götterläufe her? Wie schnell Satinav doch sein Boot durch die Zeiten lenkte!
In der Baronie ihres ungeliebten Halbbruders angekommen, begann Elissa Erkundigungen bei den Einheimischen nach dem Ort ihres Traumes einzuholen. Sie erfuhr zwar rasch, dass die Baronie nach einem markanten Berg im Osten des Lehens benannt worden war, doch wusste keiner der Befragten diesen näher zu beschreiben.
Die beiden Reisenden machten gerade unerkannt auf einem Hof unweit von Gut Rotbach Rast - unerkannt, da Elissa vermeiden wollte, aufzufallen - als sie endlich auf jemandem traf, der ihr weiterhelfen konnte. Die alte Mutter des Bauern war früher als Jägerin und Fallenstellerin durch den Norden der Baronie gezogen und kannte daher die Gegend, zumindest laut ihrer eigenen Aussage, in- und auswendig. Nachdem die Adlige der halbtauben Frau die Beschreibung ihres Traumes geradezu zugebrüllt hatte, erinnerte sich diese nach kurzer Überlegung tatsächlich an so einen Ort. Elissa war wie erstarrt ob dieser Mitteilung. Ihr Ziel, so die Alte, sei tatsächlich der Vellberg, genauer gesagt die Quelle des Rotbachs, der dem Berg entspringe. Der Traum schien doch mehr als nur ein bloßes Hirngespinst zu sein!
Am nächsten Morgen verabschiedete die Hauptfrau sich von ihrem Begleiter der letzten Tage und konnte stattdessen gegen Geld und gute Worte den fast gleichaltrigen Enkel, Gerwulf, der Altbäuerin als ortskundigen Führer und Helfer gewinnen. Nach einem einfachen Frühstück machte sie sich mit ihrem neuen Reisegefährten kurz nach Sonnenaufgang auf den Weg. Elissa war von einer zunehmenden Ungeduld erfüllt, die sich selbst nicht so recht erklären konnte. Die ersten Meilen verliefen der Bach und der Weg nach Burg Mallvenstein parallel, was das Fortkommen sehr erleichterte. Den Namen der Burg auf dem Wegweiser zu lesen, hatte der jungen Frau jedoch einen schmerzhaften Stich versetzt. Dort ruhte ihr geliebter Vater; nur wenige Meilen entfernt, doch zugleich unerreichbar fern. Schließlich trennte sich der Weg von dem Bach, dessen Verlauf sie durch stetig unwegsamer werdendes Gelände Richtung Nordosten folgten. Dabei wurde Elissa schmerzlich bewusst, dass dieses unwirtliche Terrain von einer Einhändigen nur schwer zu bewältigen war. Mehr als einmal musste sie ihren Stolz herunterschlucken und sich von Gerwulf einen Felsen hochziehen lassen, den sie alleine nicht hinaufzuklettern vermocht hätte. Trotz ihres Ärgers war sie über seine Hilfe dankbar, zumal sich der Mann nicht aufdrängte und nur wenig mehr als unbedingt nötig sprach. Schwätzer hatte Elissa in Perricum schon mehr als genug um sich herum.
"Da, seht, Herrin! Das dahinten ist der Vellberg, dem der Rotbach entspringt. Wenn sich das Wetter hält, können wir in zwei Stunden dort sein."
Die Adlige schaute in die ihr von Gerwulf gewiesene Richtung und erschrak für einen kurzen Moment: Der Berg sah tatsächlich genauso aus wie in ihrem Traum! Unwillkürlich beschleunigte Elissa ihre Schritte, sie wollte unbedingt noch vor Einbruch der Abenddämmerung dort ankommen.
"Das ist ja wirklich ein beeindruckendes Massiv, Gerwulf. Weißt Du übrigens, ob dort jemand lebt?"
"Naja", begann der Bauernsohn herumzudrucksen, "es soll dort ein finsterer Druide mit einigen von ihm magisch beherrschten Tieren hausen. Niemand weiß, was er dort treibt und niemand möchte es wissen. Ab und an taucht er bei uns oder auf Gut Rotbach auf, um Waren zu tauschen. Dabei spricht er kaum ein Wort und schaut so unheimlich drein, dass einem Angst und Bange wird. Ich bin ganz gewiss kein Feigling, Herrin, aber wenn ihr erlaubt, dann warte ich etwas abseits der Quelle auf Euch, denn dem Druiden möchte ich lieber nicht zu nahe kommen. Wer weiß, vielleicht verzaubert er mich sonst. Und ihr solltet besser auch vorsichtig sein."
"Ich werde mich bemühen, Gerwulf," erwiderte Elissa, dabei ein Schmunzeln mühsam unterdrückend.
Die letzte Meile ihres langen Weges legte die Adlige allein zurück. Kurz vor ihrem Ziel konnte sie sowohl die Quelle als auch eine menschengroße Gestalt, die von einigen Tieren umgeben war, ausmachen. Nun galt es!