Geschichten:Dreihügler Muttertag - Vom Weiher

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Dreihügeln, 11 Peraine 1035 BF

Gerade wollte die Junkerin der Alten zumindest innerlich Recht geben und die Verteidigungsrede für ihre Töchter zurechtlegen, als sie – schon wieder – verdutzt neben ihrer Ziehmutter stehenblieb und ebenfalls den Mühlweiher musterte. „Was genau jetzt?“ Der Umgang mit der alten Dame war ja noch nie einfach gewesen, aber warum musste sie heute so sprunghaft sein? „Das Abschlagwerk. Siehst du es denn nicht?“ Die Alte fuchtelte ein wenig ungeduldig mit den Armen. „Da hängt etwas drin!“ Und schon war Yadviga Keilholtz schnurstracks losmarschiert in Richtung Mühlgraben.

„Ach das!“ Irgendwie musste sie ihre Ziehmutter dazu bringen, jetzt nicht in den Mühlweiher zu fallen. Denn so rüstig Yadviga noch war, mit ihren über 80 Götterläufen war sie doch nicht mehr die Agilste und Wendigste. „Ja, das habe ich heute Morgen auch schon gesehen. Ich wollte gleich am Abend dem Mühlbauern Bescheid geben, damit sein Sohn und er sich ein paar Leute nehmen und das in Ordnung bringen.“ Sie hatte keine Ahnung, was es war, was sich da im Abschlagwerk verfangen hatte. Es war kein Netz und auch keine Algen, aber es hatte auch nichts mit den Muschelanlagen zu tun. Davon kannte sie tatsächlich alle Einzelteile. Irgendwas hatte nach einem starken Schauer vor ein paar Tagen wohl den Weg in den Nardesbach gefunden, das den Weiher speiste, und sich dort verfangen. „Das muss gestern oder heute passiert sein. Gestern früh war das noch nicht.“

Yadviga hatte sich indes eine Weidenrute abgeschnitten und begann nun, sich an einem Ast festhaltend, mit der Weidenrute am Wehr herumzustochern. „Wo sind nur die Männer, wenn man sie mal braucht? Wirst du wohl?“ Braunes Fell bewegte sich unter der Wasseroberfläche, als die Weidenrute endlich griff, und während sich das dort im Wasser liegende, aufgedunsene Tier um seine eigene Achse drehte, verzog sich das Gesicht Yadvigas missbilligend. „Köter oder Wolf. Die Frage stellt sich hier. Aber ich tippe auf Köter. Altes Vieh wahrscheinlich. Müsste man sich die Fänge für ansehen. Sollte man aber rausholen, wenn man nicht will, dass das Wasser vergiftet wird. Ich werd meinem Kutscher Bescheid sagen. Soll er es rausfischen. Dann hat er wenigstens was zu tun und lungert nicht rum. Lass uns wieder zurück zum Haus gehen. Je schneller wir den Dreck hier raushaben, desto besser.“

Mit besorgter Miene beobachtete die Junkerin das Treiben der Alten, während diese am Wehr stocherte. Einen Moment hatte sie sich Sorgen gemacht, dass Yadviga abgleiten und in den Weiher fallen könnte, bis sie den Kadaver ebenfalls als solchen erkannt hatte. Immerhin konnte es der Fellfarbe nach keiner ihrer Hunde sein, die waren ja alle fast ausschließlich schwarz, zumal sie keinen vermisste. „Gut. Sonst hätte ich eines der Kinder geschickt, jemanden zu holen, der sich darum kümmert.“ Sie deutete auf die wenigen kleinen Kinder, die auf dem Dorfanger herumtollten und gerade fangen spielten, dabei aber immer wieder neugierige Blicke in Richtung der beiden Edlen warfen. Ein großer, zottiger, rabenschwarzer Hund lag nicht weit von ihnen entfernt und behielt sowohl die Kinder, als auch einige zwischen ihnen auf noch ungelenken Pfoten herumstolpernde Welpen im Auge, die bestimmt auch mal so groß würden, wie das ausgewachsene Exemplar. Gramhild wartete, bis ihre Ziehmutter ihrer Meinung nach wieder festeren Boden unter den Füßen hatte und wandte sich dann wieder in Richtung des Gutshauses.

Dort angekommen war es nur eine Frage von Wimpernschlägen, bis die Alte den gesamten Haushalt hochgeschreckt und ihren Kutscher und einen Knecht losgejagt hatte. Gramhild hatte stumm dabeigestanden und lediglich mit knappem Nicken und bestätigenden Blicken die Kommandos der Älteren bestätigt. Endlich drehte sich die Ziehmutter zu Gramhild um, rieb sich vergnügt die Hände und schnupperte kurz in die Luft. „Und nun sollten wir essen. Immerhin haben wir für heute schon einiges in die Wege gebracht. Nachher darfst du mich gerne auf ein paar Gläschen Obstler in die gute Stube einladen, damit wir die Familieninterna angehen. Ich möchte die Sachen so schnell wie möglich geklärt haben. Auch wenn es hier grundsätzlich viel früher frostfrei ist, bleibt der Märker Sommer zu kurz, dass man Familienangelegenheiten auf die lange Bank schieben könnte. Bis die Einladungen zu den Hochzeiten raus sind, vergeht viel zu viel Zeit und ehe man sich versieht, fallen beim Traviadienst bereits die Iffirnssterne. Aber genug davon. Beim Essen wird keine Politik gemacht.“

Gerade noch konnte die Junkerin ein Seufzen unterdrücken, wandte sich dann kurz Roselda zu und schickte sie etwas von dem Eintopf, Brot und Butter holen. Die Platzwahl überließ sie ihrem Gast, wobei sie hoffte, dass diese nicht wieder anfing, über die Einrichtung zu schimpfen. Kurz fiel ihr Blick auf den im Winter eingerichteten, kleinen Travia-Schrein und sie lächelte. Ja, eigentlich wäre es schon nett, wieder einen Mann im Haus zu haben, der für mehr als nur die schweren Arbeiten taugte, mit dem man sich auch über Dinge unterhalten konnte, die den Bauern des Dorfes zu weit entfernt erschienen, um als wichtig erachtet zu werden. Jemand, der ihr bei der Verwaltung helfen könnte und mit dem man sich auch sonst gut verstand. Sie hatte da durchaus jemanden im Sinn, doch der entzog sich ihres Standes und es wäre kaum schicklich, ihn zu fragen. Zumal dieser eine Mann sich besser eine jüngere Frau suchen und Erben zeugen sollte. Einen kleinen Augenblick wirkte sie verträumt, während ihr Blick noch immer an der kleinen Anrichte haftete, über der das alte Wandrelief zu sehen war. Doch mit einem Kopfschütteln kam sie wieder zurück ins Hier und Jetzt. Sie würde einiges an Überzeugungskraft benötigen, dass Yadviga ihre Töchter nicht an irgendwelche Kerle versprach, die sie weder kannten noch wollten. Immer hatte sie ihren Mädchen versprochen, die alte Dame auf Abstand zu halten, weil sie ihre eigene Wahl treffen sollten. Dennoch hoffte sie, dass zumindest Rahjamunde bald soweit wäre.

Das Mahl selbst verlief ungewöhnlich harmonisch. Yadviga lobte die Küche, aß weit mehr, als man von einer Dame ihren Alters erwartet hätte und da man mit vollem Munde nicht sprechen kann, verlief das Essen sogar ruhig.


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11. Per 1035 BF
Vom Weiher
Vom Mühlgewerbe


Kapitel 9

Vom Manne
Autor: Wertlingen und Gramhild