Geschichten:Dreihügler Muttertag - Vom Stande

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Dreihügeln, 11 Peraine 1035 BF

„Nein Mutter, das seht Ihr falsch.“ Bisher hatte Gramhild alle Beleidigungen hingenommen, aber wenn jemand schlecht über ihre Kinder oder Hunde sprach, war das zu viel, selbst wenn es sich um ihre Ziehmutter handelte. „Der Kandidat, den ich für mich ins Auge gefasst habe, ist schlicht zu hohen Standes, als dass ich es wagen würde, ihm auch nur den Vorschlag einer Ehe zu unterbreiten. Und was meine Töchter betrifft, so meinte ich das genau wie ich es sagte. Sie werden mit ihrem zukünftigen Gemahl ihr Leben verbringen und hoffentlich glücklich werden müssen, nicht ich. Bisher habe ich nicht einmal die Sicherheit, dass dieses Junkertum, dass ich bekommen habe, nach meinem Tod überhaupt an meine Töchter geht. Adran könnte genauso gut wieder einen bäuerlichen Perlvogt einsetzen. Also werde ich mein Möglichstes tun, ihn von der Eignung meiner Kinder zu überzeugen und ihnen gleichzeitig bei der Wahl eines Mannes zu helfen, den sie sich aussuchen!“ Über ihre Hunde sprach sie nicht, denn ihr war klar, dass Yadviga diese nur gegen sie verwendet hatte, weil sie genau wusste, dass diese ihr wunder Punkt waren.

Yadviga seufzte tief, dann stellte sie vorsichtig das Glas ab und sah ihrer Ziehtochter tief in die Augen. Hatte die alte Dame gerade eben noch auf eine angenehme Weise fahrig gewirkt, so schien sie nun von einer klaren Härte, wie sie einem Diamanten gut zu Gesicht gestanden hätte. Und doch lag in ihren Augen ein leichtes Bedauern wie ein Frühlingsregen. „Nein, mein Kind, genau in diesem Punkt irrst du. Du kannst entweder Adran davon überzeugen, dass die Töchter seiner Junkerin eine richtige Wahl für eine Perlvogtei sind, oder du setzt ihnen bei der Wahl ihres Bräutigams keine Grenze. Beides zusammen kommt schwerlich zusammen.

Das Vogteiwesen bedeutet, dass dem Bauern ein Herr vor die Nase gesetzt wird, dem er zu gehorchen hat und bei dem er sicher sein kann, dass dieser genau weiß, was das Beste für ihn ist. Er muss ihn akzeptieren und darf seine Befähigung und auch sein Recht, über ihn zu herrschen, niemals anzweifeln. Denn wenn der Vogt irgendwann dem Bauern sagen muss: Stirb für die Mark, dann muss der Bauer wissen, dass hier jemand einen Befehl gibt, der über so kleinliche Dinge wie Selbstsucht erhaben ist. Er muss wissen, dass der, der ihm einen Befehl erteilt, dies nicht tut, um ihm zu beweisen, dass er die bessere Position erhalten hat. Er muss wissen, dass der, der den Befehl gibt, von den Göttern genau zu diesem einen Zwecke bestimmt worden ist.

Wie soll Adran deine Töchter im Amt eines Perlvogtes akzeptieren, wenn sie unter ihrem Stande heiraten und sich mit dem gemeinen Volk verbünden? Und – weit schlimmer noch – wie soll ein Untertan einen Befehl akzeptieren, der ihm von jemandem gegeben wird, dessen einziger Verdienst die Kraft seiner Lenden ist und der in allem anderen mit ihm selber auf gleicher Stufe steht?“

Einige Augenblicke ließ sie die Worte auf sich wirken, bevor sie sich eine erneute Erwiderung zurecht legte. „Mutter, Adran ist durch seine Reisen in jungen Jahren durchaus dazu in der Lage zu beurteilen, ob jemand tüchtig ist oder nicht, egal ob die Person nun von Stande oder niederer Herkunft ist. Ich gebe zu bedenken, dass er *mir* das Amt der Perlvögtin angeboten hat, obwohl er sicher etliche Adlige besseren Standes mit reinerer Blutlinie zur Auswahl gehabt hätte, einfach weil er es mir zutraute und mir vertraut. Zudem ist ja nicht gesagt, dass Rahjamunde und Rondraja sich Bürgerliche oder Bauern suchen, die sie ehelichen wollen. Gerade bei Rondraja sehe ich einen ehrgeizigen Tatendrang, dass sie sich der Mark und dem Adel beweisen will. Da wird sie wohl kaum einen Bräutigam unter ihrem Stande suchen.“

Die Züge Yadvigas spiegelten deren Ringen um eine passende Antwort. Kurz schien es, als wolle sie widersprechen, dann stahl sich die Luft mit einem tiefen Seufzen zwischen den fest zusammengepressten Lippen hervor und gleichzeitig wirkte es, als altere sie in Sekunden, als werde sie plötzlich genau die alte Frau, die sie ja durchaus war. Alle Energie, aller Trotz, den sie jedem Einzelnen in ihrer Umgebung wie auch dem Leben selbst entgegenwarf, schien in sich zusammenzufallen und einer unendlichen Resignation Raum zu schaffen. Ein weiteres Seufzen folgte, gab einem Lächeln ein wenig Raum, konnte aber einem Ausdruck tiefster Traurigkeit nicht Stand halten. Es dauerte mehrere Herzschläge, bis sich die Alte wieder im Griff hatte.

„Nun denn. Dann hoffe ich mit dir, dass du Recht hast damit, dass die jungen Damen ihr Standesbewusstsein über jugendliche Flausen setzen, auch wenn ich zumindest von einer ‚Goldschmiedin von Stand‘ gar nichts mehr erwarten mag. Und wenn du mir zugehört hättest, dann wüsstest du, dass es in meiner Rede nicht um die Frage ging, ob Adran weiß, was er tut.

Warum geht es nicht in die Köpfe von euch jungen Dingern rein, dass ein Adliger, der sich ‚gemein‘ aufführt, das Allergefährlichste ist, was es geben kann? Hat euch das Mühlinger-Massaker denn gar nichts gelehrt?“


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11. Per 1035 BF
Vom Stande
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Kapitel 12

Vom Brande
Autor: Wertlingen und Gramhild