Geschichten:Drei Krähen und ein Räblein – Das, was sein wird

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26. Rahja 1041

„Warum suchst Du Dir keinen Mann auf den Du Dich verlassen kannst?“, wollte die Baronin wissen, „Vielleicht kann er dir dieselbe Welt eröffnen, nur auf einem anderen Weg?“

Ailsa löste ihren Blick von ihm und blickte nach vorne - ein Fremder kniete vor ihr. Sie hatte ihn noch nie zuvor gesehen.

„Einen, auf den Du Dich verlassen kannst, ganz gleich was geschieht.“

Der Fremde sah ihr direkt in die Augen. Noch immer kniete er vor ihr.

„Ich kann keine Nacht mehr schlafen. Immerzu muss ich an Euch denken. Ihr geht mir nicht mehr aus dem Sinn! Und so sehr ich mich auch mühte, ich kann Euch nicht vergessen und mehr noch: Ich will Euch nicht vergessen!“, er hielt einen Moment inne, „Ihr seid wie der eine Stern am Firmament, der alle anderen in seiner Helligkeit überstrahl. Ihr seid mein Licht, das mir den Weg weist. Euer Lachen erhellt meinen Tag, Euer lieblicher Blick gibt mir Kraft, Eure Stimme erfüllt mich mit Zuversicht. Ihr seid das Liebste, das allerliebste was es auf ganz Dere geben kann. Ihr seid der Anfang und das Ende und auch alles dazwischen. Und ich will keinen einzigen Praioslauf mehr ohne Euch sein. Ich brauche Euch, so wie eine Krähe den Wind braucht um zu fliegen. Und deswegen frage ich Euch, Ailsa ni Rían, vor allen Anwesenden und im Angesicht aller Zwölfe, wollt Ihr vor der Herrin Travia und ihren elf göttlichen Geschwistern mit mir den Traviabund schließen?“

Alles in Ailsa schrie. Es schrie so laut, dass sie sich wunderte, warum es niemand hörte. Alles in ihr schrie: Nein! Nein! Nein, sie wollte nicht. Sie wollte ihn nicht. Sie liebte ihn nicht. Sie begehrt ihn nicht. Er war niemand für sie. Er bedeutet ihr nichts. Und dennoch sagte sie: „Ich will Euch vor der Herrin Travia zu meinen Gatten nehmen.“

Beifall brandete über sie hinweg. Er klang wie Hohn, wie Spott in ihren Ohren. Sie hatte keine Wahl gehabt. Sie hatte nicht ablehnen können. Sie hatte nicht ablehnen dürfen.

Ein verzücktes Lächeln legte sich über seine Lippen. Er stand auf, zog sie an sich heran und küsste sie auf den Mund. Doch noch im selben Augenblick stahl ihr Geliebter sie aus seinen Armen und begann mit ihr den nächsten Tanz, nur dass sie dieses mal noch enger und noch inniger tanzten. Irgendwann drehte er sie wieder aus und begann erneut mit einer unsichtbaren Dame weiter zu tanzen.

Der Fremde war unterdessen an die Wiege getreten. Ailsa trat zu ihm. Sanft legte er seine Hand um ihre Taille und schaute auf das Kind in der Wiege herab. Doch dort in der Wiege lag kein Kind, ja nicht einmal eine Decke. Die Wiege war leer. Vollkommen leer.

„Schau sie Dir an!“, stieß der Fremde voller Bewunderung und Stolz hervor. Ein verzücktes Lächeln umspielte seine Lippen. „Unsere Tochter. Wie schön sie ist! So wunderschön, wie ihre Mutter! Sie hat Deine blauen Augen, Ailsa, und Dein feines Gesicht.“

Die Wiege blieb leer. Ailsa hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Sie wollte davonlaufen, einfach nur weit weg von diesem Ort, doch ihre Beine verweigerten ihren Dienst, sie gaben einfach nach...

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Und sie fiel. Sie fiel einfach. Umgerissen von ihrem Hintermann. Stürzte auf ihren Vordermann. Die Reiterei zwängt sich an ihnen vorbei. Über sie hinweg. Die mächtigen Schlachtrösser waren ganz nah. Sie konnte ihren Schweiß riechen.

Ailsa rappelte sich auf. Nahm ihr Orknase und schlug auf den erstbesten Feind ein, der sich ihr in den Weg stellte. Bezahlen, sie würden allesamt bezahlen. Bezahlen für ihre Verlogenheit, für ihre Falschheit, für ihre List. Mochten die Götter ihnen gnädig sein, sie würde es gewiss nicht...

Sie machten keine Gefangenen. Ihre Gegner hatten bis zum bitteren Ende gekämpft, kein einziger von ihnen hatte sich ergeben. Der Boden war mit Blut getränkt und von Leichen gesäumt. Unter den Toten auch Koscher: Der Baron von Rohalssteg, Conrad Salfridjes von Rohalssteg, der von innen das Tor zu öffnen versucht hatte. Der Baron von Drabenburg, Balinor von Drabenburg. Die Fürstlich Schlachtreiterin Birsel von Stanniz. Und noch viele weitere.

Hoch oben kreiste eine Nebelkrähe und sang ein trauriges Lied...