Geschichten:Die zweite Wahl - Was man sich nicht aussuchen kann

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Ende Praios 1034 BF, Pfalz Breitenhain, Kaiserlich Sertis


»Wer hat mir nur dieses widerwärtige Morfu in meine Burg geschickt?« 

Mit geballten und gegen den unsichtbaren wolkenverhangenen Himmel erhobenen Fäusten tobte Hilbert von Hartsteen durch seine Amtsstube in der kaiserlichen Pfalz Breitenhain. Drei Wochen nun war die Ehe mit Isa von Mersingen offiziell gültig und jeden einzelnen Tag hatte er inbrünstig verflucht.

Alles, aber auch wirklich alles an seiner neuen Gemahlin widerte ihn an. Ihre Mundwinkel, durch die andauernden Ekelbezeugungen schon von tiefen Falten umspielt, ihre leichenfahle Blässe, die von dem dämmrigen Licht der dunklen Samtvorhänge herrührte, als ob sie sich vor dem Antlitz des Herrn Praios verstecken musste, ihre strohigen Haare, die wie dünne Bindfäden aus ihrem unförmigen Haupte wuchsen. Vor allem aber: ihre Stimme.

Porzellan und Kristall mochte dieses schrille Quietschen zerspringen lassen. Der Klang der Diener der Erzdämonen konnte nicht schlimmer sein. Nur wenn sie schon den Mund auftat und mit ihren giftigen Krähenäuglein in seine Richtung stierte, sickerte ihm bittere Galle nach oben in seinen Mund. Es marterte jedes ihrer hohlen Worte, deren Plumpheit und Provinzialität, Arroganz und Dummheit einem jeden Zuhörer förmlich das Hirn zerreissen und platzen lassen musste. Vor allem aber er, der Pfalzgrafen zu Sertis, und seine Nerven waren es, die litten, und jeder Sommertag verwandelte sich in eine eisige Niederhölle.

Es war drei Wochen her, dass die Ehe vor Travia, vor allem wohl aber Phex geschlossen worden war. Wenn Hilbert an die Summen von Dukaten dachte, die allein für den Dekor des Ballsaales und die Verköstigung der Kaiserin aus seiner Schatulle in die Hände der gierigen Händler geflossen waren, schnürte sich dem Hartsteener die Kehle zu. Er konnte sich nicht an die Anzahl der Wechsel erinnern, unter die er seine krakelige Unterschrift gesetzt hatte. Aber er konnte den leisen Spott bereits hören, den man in Uslenried und Hirschfurten ihm gegenüber kaum verhohlen als freundliche Worte verkleidete. Durch Praios und seinem Namen war die Ehe geschlossen worden. Die Herrin Rahja war zum Fest nicht erschienen. Die ganzen langen drei Wochen über nicht.

Wie anders war doch Alena gewesen. Wie stark und selbstbewusst, voller Leben, Kraft und Hingabe. Erst jetzt begann Hilbert langsam zu verstehen, was er tatsächlich verloren hatte. Wehmütig ging sein Blick aus dem Fenster auf den kleinen Rosengarten im Schatten der Pfalz hinunter.

»Wirsel, die Pferde klarmachen! Ich muss raus. Ich brauche Luft. Sofort. Luft!«

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Eine einzelne Träne, wie ein kleiner Kristall, ruhte in ihren Augenwinkeln. Marbolieb, die treue Zofe und gute Seele, schien das einzige Wesen in diesem finsteren Wald zu sein, das noch zu ihr hielt. Ach, wie fehlte ihr die mächtige Pfalz Weidleth und ihre gütige Schwester Yolande, deren freundliche Augen ihren Schwermut wegnehmen konnten.

Was war ihr Trost? Mit zittrigen Fingern griff die Pfalzgräfin zu Sertis zu der kleinen weißen Figurette, von sich schwer sagen liess, ob sie eine Taube oder einen Raben darstellen sollte. Der kleine Glasermeister aus der Pfalzgrafschaft hatte sie ihr am Tag ihrer Vermählung geschenkt und ihr den Segen der Zwölfe gewünscht.

Ein Rascheln holte Isa aus ihren Gedanken. Mit einem kleinen Aufschrei ließ sie die Kristallfigur aus ihren Fingern auf den klaten Steinfussboden gleiten, wo sie in tausend Splitter zerstob. Isa schaute entsetzt auf die Türschwelle, über die soeben eine graue Ratte aus ihrer Kemenate hinaus in die Tiefen der Pfalz Breitenhain gehuscht war.



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25. Pra 1034 BF
Was man sich nicht aussuchen kann
Die Geschichte mit der Kaiserin im Alttobrischen Sommer


Kapitel 3

Autor: Hartsteen