Geschichten:Die dunkle Seite - Wege zum Ruhm

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Zwei Offiziere inspizierten die Waffenübungen mehrerer Banner Soldaten vor den Toren der gewaltigen Feste Barbenwehr, wobei ihre Aufmerksamkeit jedoch weniger den Übungen als anderen Dingen galt, die ihnen weitaus wichtiger erschienen.

"Ich denke, es wird nicht mehr lange dauern, bis sich die Kaiserin dazu entschließt, gen Tobrien zu ziehen."
"Reichlich spät, wenn ihr mich fragt. Als ob der Marschall nicht schon längst darauf vorbereitet wäre. Kann mir nicht vorstellen, dass der seelenruhig in Mendena sitzen bleibt und nur darauf wartet, dass das Mädchen ihm seine Aufwartung macht."
Ein Grinsen umspielte das Gesicht des Angesprochenen. "Direkt und schnörkellos auf den Punkt wie immer, mein Bester. Manche mögen eure Worte despektierlich oder gar unverschämt finden, aber ich bin froh, dass es noch Leute gibt, die wie ihr ihre Meinung nicht hinter endlosen Phrasen verstecken."
Der andere Mann nickte ihm kurz zu und fuhr fort: "Glaubt ihr, dass die Kaiserin oder einer ihrer Lakaien dem Marschall militärisch gewachsen sind? Mehr Truppen mögen sie ja aufbieten können als er, aber Masse allein macht noch keine Klasse."
"Ich nehme an, eure Frage war rein rhetorischer Natur, oder?" entgegnete der Angesprochene schmunzelnd. "Wahrscheinlich wird die Monarchin wieder ihren Liebling vom Blaumann und vom Zwerg als Feldherrn einsetzen. Sofern sie in kaiserlicher Selbstüberschätzung nicht gleich selbst den Oberbefehl übernimmt und Klein-Alrik mit anderen 'wichtigen' Kommandos betraut. An Heerführern von Format hat sie außer dem alternden Ugo ja niemanden mehr und der ließe sich von dem Mädchen bestimmt nicht so auf der Nase herumtanzen, weshalb er als Kommandierender von vornherein nicht infrage kam."
"Leider wahr. Und wahrscheinlich wird meine Base, deren geistige Beweglichkeit der ihrer Gestechrüstung entspricht, ebenfalls ein größeres Kommando erhalten, wie mir zugetragen wurde. Da habe ich ja wirklich etwas, auf das ich mich bei dem anstehenden Feldzug, so er denn überhaupt jemals zustande kommt, freuen kann. Ihr dürft euch glücklich schätzen, nach jetzigem Stand der Dinge hierbleiben zu können."
"Ich sage es ja nur höchst ungern, aber ihr habt leider recht. Eigentlich bin ich ja auch kein Etappenhengst, aber die Vorstellung einen schlecht vorbereiteten Kriegszug gegen den wohl brillantesten Feldherrn unserer Zeit begleiten zu müssen, erfüllt mich nun wirklich nicht mit Vorfreude. Und wahrscheinlich werden wieder allerlei Speichellecker, Günstlinge, Intriganten und anderes Gesocks aus dem Umfeld Rohajas schauen, beim Zug gen Tobrien alle möglichen Posten und Pöstchen ergattern zu können, um Macht und Reichtum auf Kosten des Ganzen zu erlangen und so das ihre zum Scheitern der Unternehmung beizutragen. Mag man von den Mitteln des Marschalls halten was man will: Solche Leute hätte er schon längst davongejagt oder am nächsten Baum aufknüpfen lassen. Erinnere mich noch gut an meine Wehrheimer Zeit, wo er einen jungen Bannerträger von der Akademie verwies, weil dieser glaubte, Arroganz und ein klingender Name seien ein gleichwertiger Ersatz für Kompetenz."
"Und dann ist da noch der Markgraf. Ein durchaus fähiger und tüchtiger Mann, keine Frage, aber nun mal leider kein Stratege oder Herrscher vom Formate etwa eines Herzog Jasts. Zudem ist er mehr damit beschäftigt, seine Gemahlin von irgendwelchen Torheiten abzuhalten und reibt sich darob zwischen seinen Verpflichtungen gegenüber dem Reich und seiner Provinz auf, mit dem Resultat, trotz seiner Fähigkeiten keiner seiner Rollen wirklich gerecht werden zu können. Ich weiß, ihr schätzt ihn sehr, aber so ist nun mal nach meiner Sichtweise die Lage der Dinge."
Der andere Mann hielt für einen kurzen Moment inne und schien zu einer Gegenrede ansetzen zu wollen, nickte dann aber lediglich seinem Begleiter stumm zu.
Wenig später wandten sich sie beiden Soldaten um und gingen gemessenen Schrittes zur Feste zurück.

"Nun, es gibt da jemanden, der Kompetenz und Loyalität nicht nur anzuerkennen, sondern auch wertzuschätzen weiß, ganz im Gegensatz zu Dilettantismus und Speichelleckerei. Vielleicht solltet ihr dieses Wissen im Hinterkopf behalten, wenn ich dereinst mit dem garetischen Mädchen gen Tobrien ziehe und die Verantwortung für die Sicherheit von Reichsstadt und Provinz dann in euren und Aldrons Händen läge." Nun war der Moment der Entscheidung gekommen. Würde sein Gegenüber anbeißen oder den Köder zurückweisen?

Der Angesprochene blieb abrupt stehen, stutzte kurz und ging dann wieder weiter. Schweigend durchquerten die beiden Offiziere, die aus unterschiedlichen Gründen gleichermaßen angespannt wirkten, das Burgtor, ihre grüßenden Untergebenen dabei kaum beachtend.
"Gut, Ihr habt mich!" erwiderte der ältere der beiden knapp. "Alles weitere dann zu späterer Stunde. Ich brauche jetzt erst mal ein Bad."
"Dann also bis nachher. Es freut mich, euch weiterhin an meiner Seite zu wissen." Der Offizier begab sich direkt in seine Kammer. Wenn der alte Haudegen seine gerade gegebene Zusage nicht zurückzog, wäre das große Ziel erreicht und das Gros der markgräflichen Truppen würde in der entscheidenden Stunde ganz im Sinne des Marschalls agieren. Ursprünglich hatte der altgediente Veteran erwogen, auch den Heermeister Aldron von Firunslicht anzuwerben. Doch diesen Gedanken verwarf er nun rasch, denn Aldron war für seine Pläne jetzt nicht weiter von Belang.