Geschichten:Die Legende von Korbronn - Teil 6

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In einer der Herbergen hatten die Reisenden noch Unterkunft bekommen und nach einem kräftigen Mahl saßen alle noch eine Weile im Schankraum beisammen.

Ratlosigkeit machte sich breit, da nun, da man Greifenfurt erreicht hatte, keiner mehr genau wusste, was eigentlich als nächstes zu tun sei.

„Wir sollten erst einmal ruhen,“ gab Wolfward von Schroffenstein, der alte Recke, zu bedenken.

Allgemeine Zustimmung antwortete ihm auf seinen Vorschlag und so zerstreute sich die Gesellschaft zügig. Rondrigo saß noch eine Weile mit seiner Schwester beisammen, denn ein eigenartiges Gefühl hatte sich seiner bemächtigt.

„Ich fühle mich unwohl,“ sprach er schließlich. „Es hat nichts mit dem Essen zu tun, es ist einfach... ich werde das Gefühl nicht los, dass ein großes Unheil, gleich einem mächtigen schwarzen Vogel seine Schwingen über uns ausgebreitet hat und seinen finsteren Schatten auf uns wirft.“

Khorena überlegte einige Momente und seufzte leise. „Jetzt weißt du, wie es mir geht, seitdem ich diese schrecklichen Bilder in meinem Kopf sah.“

„Wir müssen morgen früh gleich zum Praiostempel und um Schutz beten!“ Rondrigo klang entschlossen.

Khorena nickte und nahm noch einem Schluck aus ihrem irdenen Becher. „Wir sollten wirklich zum Tempel gehen,“ sie stockte kurz, „vielleicht kann man uns dort einen Rat oder einen Hinweis geben, ich weiß es auch nicht...“

Die beiden Geschwister legten sich schließlich auch zur Ruhe in der Hoffnung, dass der nächste Tag einige Antworten bereit halten würde. Khorena schlief in dieser Nacht recht unruhig, hielt sie doch das Gefühl der Ratlosigkeit wach. Sie vermutete, dass die Antwort auf ihre Fragen ganz nah und doch fühlte sie sich meilenweit davon entfernt.

Die junge Tempelnovizin war erstaunt. Selten hatte sie zu so früher Stunde so viele edle Damen und Herren gesehen, die um Einlass in den Tempel des leuchtenden Herrn Praios baten.

„Der gleißende Herr des Lichts und der Ordnung segne euch,“ sprach sie feierlich und trat beiseite, um die Reisenden in das Gotteshaus zu lassen.

Nach kurzem Gebet erhoben sich Edlen und in diesem Moment trat ein Mann in den hellen Gewändern eines Dieners des göttlichen Praios zu ihnen.

Nazar. Ein blinder Bannstrahler und nicht nur einfach ein Bannstrahler unter vielen, sondern derjenige, der die Truppen des Ordens in Greifenfurt anführte.

Welch Kraft musste in solche einem Mann stecken? Hatte er nicht das Licht seines Herrn verloren? Hager war er von der Gestalt her, fast ein wenig ausgezehrt wirkend, doch zeugten seine Bewegungen von der Stärke und Gewandtheit eines Kriegers, der nicht so leicht zu besiegen war. Er trug das Kettenhemd leicht auf seinen Schultern. Die weiße Kleidung der Bannstrahler ließ ihn fast zu einem unberührbar erscheinenden Menschen werden, dessen Augen die Herrlichkeit seines Herren sah, dessen Zeichen, die flammende Sonne, auf seiner Brust abgebildet war. In den Schlachten gegen den Ork war auch er ein gefürchteter Kämpfer gewesen, der so manchen Orkenkrieger an Zähigkeit überbot, bis er auch das Letzte gab um zu helfen. Sein Leben wurde gerettet, nicht aber sein Augenlicht.

Es war nicht möglich lange in diese weißen Augen zu blicken, die einen so streng fixierten, als könne Nazar jede Kleinigkeit erkennen, so als würde er selbst in die Seele eines Menschen blicken. Welche Dinge erkannte er wohl wirklich? So viel hatte man schon von dem weisen Führer des Ordens gehört.

„Warum kommt ihr so spät?“ erklang die heisere Stimme des Mannes, rau wie ein Reibeisen. Seine blinden Augen starrten durch die Adeligen hindurch, so dass nicht nur Rondrigo und Khorena einen unangenehmes Kribbeln empfanden. Cordovan blickte überrascht und auch Wolfward und sein Knappe standen wie vom Donner gerührt vor dem Bannstrahler.

Voller Ehrfurcht verbeugte sich Eldwin vor dem Bannstrahler, nur um sich dann selbst zu schelten. Der Mann konnte nichts sehen und deswegen kam er sich bei der Verbeugung sehr dumm vor. Trotz seiner Behinderung wirkte der Mann in keinster Weise schwach oder beeinträchtigt. Nein im Gegenteil. Eldwin hatte das Gefühl, dass von diesem Mann eine Stärke ausging. Eine Kraft, die von Innen herrührte und das beeindruckte den Knappen ungemein. Es musste für den Mann schlimm sein das Licht seines Herren nicht mehr sehen zu können. Unwillkürlich verspürte der junge Knappe auch einen Anflug von Mitleid, doch er würde es nicht wagen, so etwas auch nur anzudeuten.

„Verzeiht,“ sagte Cordovan, „wir wollten...“

„Ihr wisst doch gar nicht, was ihr wollt!“, unterbrach ihn Nazar harsch.

„Ihr sucht nach einer Wahrheit, die lange vergessen und verschollen ist. Doch die werdet ihr nicht finden. Aber es ist euch bestimmt etwas anderes zu finden.“

Der einst sehr kräftige Mann hustete und hielt sich die Hand vor den Mund. Noch immer blickten die Edlen ihn sprachlos an, doch nun sprach auch Demut aus ihren Blicken.

„Einst geachtet, nun verloren liegt im tiefsten Wald der Mark etwas verborgen, dass wieder zu Tage treten und im strahlenden Licht unseres Herrn glänzen muss. In diesem Grün verharrt das alte Geheimnis.“ Seine blinden Augen fixierten Rondrigo von Ahrenstedt und ein schiefes Lächeln trat auf seine harten Züge.

„Ihr... Ihr habt davon bereits gehört; von jener Quelle, aus der das dem Herrn Kor so gefällige Blut sprudeln soll.“ Khorena schaute irritiert zu ihrem Bruder hinüber.

Rondrigo schluckte schwer und in seinem Hirn rasten die Gedanken. Was wollte der Mann nur von ihm? Er selbst hatte also den Schlüssel bereits in der Hand und sollte eigentlich wissen was zu tun ist?

„Verzeiht,“ flüsterte Rondrigo, „ich bin mir nicht sicher, was...“

„HA!“ Nazar schnaubte wie ein altes störrisches Ross. „Ihr seid nicht sicher? Dann geht mir aus den Augen, denn eure Anwesenheit beleidigt mich. Wie wollt ihr alle die Wahrheit finden, nach der ihr strebt, wenn ihr wankelmütig im Herzen seid?“

Nazar wollte sich abwenden, als Ritter von Schroffenstein vortrat. „Wir kennen nur eine Wahrheit: Das Herz für die Greifin, das Blut für die Mark!“

Die anderen strafften sich und wiederholten entschlossen die Worte de Ritters: “Das Herz für die Greifin, das Blut für die Mark!“

Nazar hielt inne und nickte bedächtig. „Aber ihr seid in eurer Suche nicht allein.“ Die Stimme des Bannstrahlers war zu einem gequälten Flüstern geworden.

„So sei es.“ Dann wandte er sich ab, und gestützt von der jungen Novizin Rondrigo überlegte noch immer krampfhaft, was Nasar gemeint haben könnte. Eine Quelle? Ein Fluss vielleicht? Oder der Ursprung eines Flusses? „Was meint er damit, dass Du weißt wonach wir suchen“ Khorena schaute mit großen Augen Rondrigo an.

Doch der Ausdruck in seinem Gesicht verriet, dass er selbst nur wenig Rat wusste.

Was konnte der Mann nur meinen? Warum mussten weise Männer immer so rätselhaft sprechen und konnten nicht einfach klar aussprechen was sie sagen wollten? Eldwin runzelte die Stirn. In seiner freien Zeit las er sehr viel und sein Herr hatte nicht nur einmal betont, für was für einen schlauen Kopf er Eldwin hielt.

Der Knappe fühlte sich im Moment aber gar nicht so gescheit. Immer und immer wieder wiederholte er die Worte Nazars im Geiste.

„Es ist ein Rätsel, Herr.“ meldete sich Wolfwards Knappe zu Wort und schien sich damit selbst zu überraschen. Eigentlich hatte er es nicht laut sagen wollen, doch nun war es geschehen.

„Eine lange vergessene Wahrheit – vielleicht ein lange vergessener Ort?“

Cordovan hatte die Hände in die Hüften gestemmt und war nun seinen Gefährten nach draußen gefolgt.

„Ein Ort des Kor in der Mark?“ Der Knappe hatte von so einem Ort noch nie gehört.

„Natürlich!“ Rondrigo fasste sich an die Stirn. „Kennt ihr die alte Legende vom Korbronn? Es ist eine Sage, eine Geschichte, die von vielen alten Greifenfurtern erzählt wird.“

Khorena zuckte mit den Achseln, denn sie war genau wie Rondrigo in Tobrien geboren worden und weilte im Gegensatz zu ihm erst einige Wochen in der Mark. Auch Gar’wain blickte unschlüssig drein. Er hatte zwar wie die meisten seines Volkes ein Faible für alte Legenden und geheimnisvolle Geschichten, gerade wenn es um den von den Nebachoten so sehr verehrten Herr der Schlachten ging, doch von Korbronn hatte er noch nie gehört.

Wolfward und Cordovan war anzusehen, wie die Erkenntnis in ihre Gesichter kroch. „Das kann doch unmöglich sein?“ fragte Cordovan vom Greifener Land zweifelnd.

„Ich glaube wir sollten nicht zaudern,“ sprach Rondrigo nun mit alter Entschlossenheit. „Es ist wohl an der Zeit, dass der alte Korbrunnen wieder in Praios Licht erstrahlt. Am besten wir teilen uns auf: Wolfward, Eldwin, Gar’wain: geht in die Stadt und erkundigt euch nach alten Greifenfurtern, die schon lange leben und vielleicht etwa darüber wissen. Cordovan, halte nach alten Karten Ausschau, möglicherweise finden wir dort Hinweise. Khorena und ich werden das Stadtarchiv aufsuchen und dort in den Aufzeichnungen nachforschen.“

„Sollten wir nicht Hilfe bekommen, wie der weise Herr Nazar sagte?“ fragte Eldwin.

Khorena nickte. „Ja, aber ich würde nicht darauf vertrauen, dass uns diese Unterstützung vor die Füße fällt.“

„Doch, das glaube ich schon,“ sagte Rondrigo überzeugt und deutete lächelnd in Richtung der nächsten Straßenkreuzung.

„Dort kommt sie schon.“


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Texte der Hauptreihe:
K1. Teil 1
K2. Teil 2
K3. Teil 3
K4. Teil 4
K5. Teil 5
K6. Teil 6
K7. Teil 7
K8. Teil 8
K9. Teil 9
K10. Teil 10
K11. Teil 11
K12. Teil 12
19. Per 1027 BF
Teil 6
Teil 5


Kapitel 6

Teil 7
Autor: T. Baroli