Geschichten:Die Henne der Greifin

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Wegen der Abwesenheit der Markgräfin Irmenella von Wertlingen auf dem Kriegsrat zu Weihenhorst lasten Durchführung und Erfolg der Versammlung auf der Meisterin der Mark, Faduhenna von Gluckenhagen. Dies gibt dem Herold noch einmal die Gelegenheit, auf die tatkräftige Frau aufmerksam zu machen, die die Mark seit einem Jahrzehnt regiert und ihre Fähigkeiten in den Dienst der Greifenfurter und der Familie von Wertlingen gestellt hat.

Faduhenna stammt aus Garetien, wo ihre Familie ein altes Rittergeschlecht bildet, das in der Grafschaft Hartsteen in Sichtweite von Trollzacken und Raschtulswall zu Hause ist. Die Meisterin der Mark besuchte – protegiert durch den Grafen von Hartsteen – das Rechtsseminar beim Greifen zu Beilunk und als echte Ritterin anschließend die Wehrheimer Offiziersschule. Ihre Zeit im Reichsheer war nur kurz, sie war Hauptfrau an der Weidener Grenze, bevor das Reich sie auf verschiedene Missionen schickte, die gleichermaßen diplomatisches Geschick wie robuste Wehrhaftigkeit verlangten. Sie gilt noch heute in Gareth als eine Frau mit großer Zukunft im Reich, wenn sie endlich auf ihre Tätigkeit in Greifenfurt verzichtete. Namentlich die führenden Köpfe der Kanzlei für Reichsangelegenheiten sehen in der Ritterin eine Figur für ihre aventurienweiten Aktivitäten, beispielsweise als Botschafterin im Bornland oder als Regentin von Hôt-Alem.

Doch Faduhenna von Gluckenhagen hatte weiland im Orkenkrieg gefochten, den Schwarzpelz gejagt, sich ihm gestellt und ihn gemeinsam mit den Märkern besiegt. Daraufhin entschieden die Oberen in Gareth im Einvernehmen mit der Familie Wertlingen, die Ritterin zur Meisterin der Mark zu machen, um dieses verheerte Land wieder aufzubauen, und sie mit der Vormundschaft der unmündigen und dennoch früh verwitweten Irmenella von Wertlingen zu betrauen. Beide Aufgaben erledigte sie mit dem ihr eigenen Hang zur Tat, mit Witz und Verstand, mit Durchsetzungskraft und der nötigen Überzeugungskunst, um dem märkischen Sturkopf die Notwendigkeiten der Stunde über die eigene Scholle hinaus deutlich zu machen. Ihrem Mündel widmete sie sich mit der Kraft der Berufung, nicht der Beauftragung, was Erlaucht ihr heute danken: Die Greifin steht hinter der Meisterin der Mark – und manche meinen gar, wohl eher auf ihren Schultern.

Die Identifikation mit Greifenfurt ist bei Faduhenna so vollkommen, dass sie erstens nicht nur in der Lage ist, akzentfrei märkischen Dialekt zu sprechen, sondern darüber hinaus schon manchen Strauß mit Gareth gefochten hat, der ihr leicht sämtliche Sympathien dort verscherzen könnte. Den größten Kampf gab es zu fechten, als Markgräfin und Meisterin sämtliche tobrischen Flüchtlinge im Handstreich zu Greifenfurter Vollbürgern erklärten, um sie somit dauerhaft an die märkische Scholle zu binden. Die Stürme, die daraufhin aus Gareth und dem freien Tobrien wehten, bedurften einer so standhaften wie geschickten Faduhenna, um sie zu überstehen: Kein Schlingern im Kurs, keine Umkehr, kein Beigeben. Greifenfurt setzte sich gegen die Anwürfe von Hoheiten und Exzellenzen durch.

Aus diesem Grund – weil Faduhenna weiß, wie sehr sie für die neue Heimat der geflohenen Tobrier gekämpft hat – ist die Meisterin der Mark heuer nicht gut auf alles zu sprechen, was die tobrischen Märker von Greifenfurt separieren könnte. Erst recht nicht aber auf solche, die sich dies offenbar zur Aufgabe gemacht haben. Mögen Baron Baradar von Plaue und Faduhenna von Gluckenhagen im Wesen nicht unähnlich sein, auf der Sachebene gibt es kein Miteinander. Faduhenna hat schon mehr als einmal ihr oft kolportiertes Wort vom »Hagenbutt« angewendet, um den Herrn von Beldenhag zu charakterisieren – eine für sie derartig unübliche Form der Schelte, dass sich Faduhennas Umfeld auf dem Praiosberg zur Stadt Greifenfurt schon ein wenig wunderte.

Das erneute Zusammentreffen von ›Henne‹ und ›Keiler‹ zu Weihenhorst verspricht, zumindest spannend zu werden.


Sibelian Precker