Geschichten:Die Fetzen fliegen im Hauptquartier

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Es war kaum eine Woche vergangen, da trafen sich die Greifenfurter Edlen im Hauptquartier der Heeresleitung in Weihenhorst. Die Berichte von den Vorfällen in Beldenhag waren schon an das Ohr der Edlen gelangt und so ist es nicht verwunderlich zu nennen, dass in kürzester Frist die Lichthager umringt waren, wollten die Vertreter der anderen Regionen doch aus erster Hand über den Affront des von Plaue informiert werden:

Die Augenbrauen des Barons zu Dunkelsfarn schoben sich drohend zusammen, während er den kleinen Kreis an Baronen überblickte, zu denen er sich zugesellt hatte. Vor einer guten Sanduhr war das erste Treffen der gesammelten Edlen der Mark im Hauptquartier zu Weihenhorst zu Ende gegangen und man hatte sich ins Freie begeben, um über die Ereignisse zu sprechen, welche sich während der Mobilmachung der Landwehr und der Errichtung der vier Sammelpunkte ergeben hatten. Die Stimme des Alten war ein heiseres Flüstern gewesen, als er den Männern von den Ereignissen in Helbrache berichtet hatte. Immer wieder war der Blick des Barons von Dunkelsfarn zu der Gestalt herübergewandert, die abseits der Edlen auf einem Baumstumpf Platz genommen hatte und anscheinend Karten studierte.

»Ich halte mit meiner Meinung nicht hinterm Berg. Was mich angeht, so würde ich der Dergelsteinerin lieber heute als morgen secundieren. Aber das ist nicht der Punkt. Es geht um die Mark und ihr Zusammenstehen. Was haltet Ihr von dieser Geschichte, Junker Hilberian? Wie steht ihr in Pechackern zu den Vorgängen? Und was sagt Ihr dazu, von Schmalfurten? Oder habt Ihr keine Meinung! Und Ihr, Genzmer von Radulfshausen, immerhin stehen auch Eure Leute am Lichthag. Wie steht es in Quastenbroich? Haben sich da schon die Tobrier gerührt? Schließlich geht es hier darum, Zeichen zu setzen.

Dass man aus Kressenburg nichts hört, wundert es Euch? Es ist da nun schon so lange still, dass wohl zu erwarten ist, dass die ganze Baronie den Mantel des Boron dem Schutz des Praios vorzieht. Und das Ihr, Greifenhorster, noch nichts gesagt hat, verwundert mich ehrlich gesagt nicht, immerhin habt Ihr bereits dem Kosch die Tür geöffnet, da ist es auch keine Sache mehr, dem Tobrier ein eigenes Flecklein Land zu gewähren. Zusätzlich zum Breitenhof versteht sich. Für meine Meinung reicht es nicht aus, den Feind vor den Toren der Mark zu bekämpfen. Der Feind im Inneren ist weit dringlicher. Ich begreife nur nicht, warum der Heermeister noch kein Wort verloren hat. Bei Praios, wenn in meinem Banner jemand derartig gegen die Ordnung verstieße, ich wüsste, was ich täte.« Zornig schlug der Baron die geballte Faust in die offene Hand und spuckte aus: »Wie weit ist es mit diesem Land gekommen, dass ein dahergelaufener Landloser, der aus der Hand der Markgräfin belehnt wird, dieser einen solchen Affront zumuten darf, ohne dass auch nur einer ihrer Edlen die Kurage besitzt, gegen solches Verhalten aufzustehen. Nun, meine Herren? Immer noch kein Wort?....«

»Auf ein Wort!« Der Baron von Greifenhorst blickte dabei besonders den Dunkelsfarner an. »Ich wüsste nicht, warum es in Greifenhorst auf einmal ein Stück Tobrien geben sollte, zudem wir doch wohl alle den Flüchtlingen ein neues Dach über dem Kopf gegeben haben? Gut, die meisten von ihnen leben im dem Dörfchen Neu-Münzenberg, die anderen haben sich bei mir in den anderen Siedlungen niedergelassen, und es gab und gibt keine Probleme mit ihnen, warum auch? Die Greifenhorster Landwehr steht bereit, und es dienen dort Greifenhorster Leute, die ihr Land verteidigen wollen. Die Greifenhorster Garde steht ebenso bereit, und auch da sind es Greifenhorster.

Und was den Breitenhof angeht, so wird dessen Vogt, ein wackrerer Rittersmann, mit seinen Greifenhorster Frauen und Mannen mir treu zur Seite stehen. Merkt ihr etwas? Genau, ich spreche von Greifenfurtern, die in Greifenhorst leben, auch wenn ein paar davon ursprünglich aus Tobrien kommen. Genügt euch das als Antwort?«. Otwin von Greifenhorst–Schwarzberg war zum Ende seiner kurzen Rede bemerkbar leiser geworden, ein deutliches Zeichen seines Unmutes.

»Schändlich rütteln an den Pfeilern des Reiches! Wenn nicht gar Götterlästerung! Das ist es doch was dorten betrieben wurde und immer noch wird!«, reichlich gestikulierend und lautstark wandte sich Junker Helmbrecht von Boronshof an Seine Hochgeboren von Radulfshausen und den Baron zu Quastenbroich. »Hat nicht unsere praiosgegebene Markgräfin in hesindegegebener Weisheit verfügt, das alle Einwohner unserer Mark von nun an als Greifenfurter zu betrachten seien, gleich wo ihre Wiege gestanden hat? Und heißt nicht den Willen der Markgräfin in Frage zu stellen auch am Willen des Götterfürsten zu zweifeln, der sie an ihren Platz gestellt? Seht unseren Waffenbruder Gernot von Rothenborn an - auch seine Wiege stand nicht in unserer Mark, doch ist er uns ein treuer Gefährte gewesen bei der Jagd auf diesen Friedlosen. Er hat mit dazu beigetragen, die Sicherheit der Mark zu bewahren und ich bin sicher er steht auch jetzt seinen Mann ohne zu fragen, wen die Markgräfin zum Anführer befohlen! Wenn nicht bald Maßnahmen ergriffen werden, so steht zu befürchten, dass wir dem Schwarzpelz keine starke Front entgegenzusetzen haben, weil wir mit gegenseitigen Beschuldigungen zu tun haben. Wenn Ihr meine Meinung wissen wollt: Wenn dieser Mensch weiter darauf besteht ein Tobrier zu sein, so sollte er lieber seinen Brüdern im Kampf um ihr Land helfen statt hier Unfrieden zu bereiten! Wenn nicht der Landfrieden wäre, die Baronin hätte ihm schon gezeigt was es heißt sich mit einem Greifenfurter anzulegen!«

Ein Lächeln verzerrte die Züge des Barons von Dunkelsfarn, welches die Augen letztlich nicht erreichte. »Ja Greifenhorst«, die krächzende Stimme glich einer Nebelkrähe, die die Dämmerung durchfliegt: »ich habe gehört, dass ihr die Euren als Greifenfurter bezeichnet und meine Hochachtung vor Eurem Untermieter gebietet mir Schweigen. Gleichwohl sage ich, dass Yendor von Gallstein, obwohl Tobrier, zumindest so viel Ehre besitzt, seine Lehen nach dem Gesetze des Göttervaters zu regieren und die Gebote und Weisungen seines Lehnsherren zu achten. Ehre, die nicht für alle Tobrier gilt. Und was die Forderung angeht, wertester Boronshofer, so macht Euch keine Sorgen. Wenn der Ork über Land geht, dann herrscht Kriegsrecht und dann ist der Landfrieden aufgehoben...« Und ein dunkles Glühen glomm in den Augen des Barons, während seine Hand wie zufällig über das Schwert strich.

Der Junker von Breitenhof erhob sich und stemmte die Hände trotzig in die Hüften. In seinen dunklen Augen funkelte deutlich eine Herausforderung. Seine Stimme klang ruhig, aber ein aggressiver Unterton war nicht zu überhören. »Verzeiht nobler Herr von Dunkelsfarn, ich bitte Euch, sprecht nicht so über die Tobrier. Ich selbst stamme aus den überrannten Ländereien im Osten, die einst meine Heimat waren. In Rondras Namen und in den Diensten des Reiches kämpfte ich wider die einfallenden Armeen des schwarzen Borbarad und auch jetzt stehe ich für die Mark bereit gegen die Feinde des Reiches zu streiten. Alles musste ich im Kampf gegen die finsteren Horden opfern: Heim, Hof und Familie!« Bei diesen Worten stand der Schmerz über den bitteren Verlust deutlich im kantigen Gesicht des Junkers geschrieben.

»Ich schlage vor, Euer Hochgeboren, Ihr zeigt euch lieber dankbar für jeden Ritter, der an Eurer Seite gegen die Orks kämpfen will, sonst könnte es Euch bald wie mir gehen, und Eure geliebte Heimat wird von plündernden Horden gebrandschatzt und geknechtet.

Zweifelt nicht an meiner Ehre und an meiner Entschlossenheit, bloß weil ich nicht in der Mark geboren wurde! Seine Hochgeboren, Otwin von Greifenhorst hat es bereits passend in Worte gefasst. Ich bin zwar Tobrier, aber die wenigen Soldaten unter meinem Kommando stammen aus Greifenhorst und sind mutige Greifenfurter Männer und Frauen, sowie ein paar Krieger aus Garetien. Es mag durchaus sein, dass der geachtete Herr Baradar von Plaue eine andere Auffassung der militärischen Vorgehensweise bezüglich der Kommandostruktur an den Tag legt, als meiner Ansicht nach sinnvoll und in Praios Namen rechtens wäre, aber er weiß selbst, was er tut. Ich für meine Teil weiß genau, wem ich zu gehorchen habe. Hütet Euch davor, alle Tobrier über einen Kamm zu scheren!«

Rondrigo von Ahrenstedt war sichtlich erzürnt über die Antipathie, die seinen tobrischen Landsleuten hier entgegenschwappte. Mühsam versuchte er sich beruhigen, was ihm nur langsam gelingen wollen.

Die Miene des Barons von Dunkelsfarn war undurchdringlich, während er sich langsam dem Junker zuwandte: »So, ihr habt Haus und Hof an die dunklen Horden verloren. Ihr habt mein Mitgefühl und bestimmt das all jener, die wie ich im Orkensturm Frau, Kind, Haus und Hof an den Schwarzpelz verloren.« Die Stimme des Barons war leise und nur das leichte Zittern und die gerade Haltung straften die Ruhe des Mannes Lügen: »Seht, genau dies ist das Problem, welches ich habe, und mich deucht, nicht nur ich. Die Tobrier erheben ihre Stimme und künden davon, dass sie Opfer der schwarzen Horden geworden sind, dass man Ihnen Weib und Kinder nahm, dass ihr Land verheert wurde und sie land- und wurzellos sind. Es gibt gar tobrische Vertriebenenchöre, die die Klage der Tobrier in die angenehme Atmosphäre adliger Treffen hineintragen und den Wind über Weiden mit einer Inbrunst schmettern, als sei dies IHR Leid gewesen. Mann, was glaubt ihr, WEM ihr hier von Leid erzählt? Diese Männer«, die Hand des Barons wies über die versammelten Edlen, »haben vor zwölf Jahren mitangesehen, wie ihr Land vom Schwarzpelz überrannt wurde. Wir wissen was es heißt, die sterbende Geliebte in den Händen zu halten. Manch einer sah seine Kinder in den Krallen eines Tairachpriesters verschwinden oder fand, was diese Viecher davon übrig ließen." Die Stimme des Barons war rau vor Schmerz, während er über die Reihen der versammelten Edlen blickte. Der Baron von Orkenwall hatte den Blick ins Innere gekehrt und ein Zorn spielte auf seinen Zügen, der nicht von dieser Welt zu sein schien. An seiner Seite ballte ein Junker die Hand zur Faust, dass die Knochen weiß unter der Haut hervortraten. »Es steht mir nicht zu, dass Ausmaß Euren Leides mit dem meinen zu vergleichen. Aber glaubt mir, wir alle ertrugen und ertragen unser eigenes Leid und dieses für UNSER Land, für die Mark. Es ist mir gleich, ob der gute von Plaue sich in seinem Inneren als Tobrier fühlt. Es ist mir gleich, ob er in die Lieder dieses unsäglichen Chores mit einstimmen möchte. Aber ich werde mir nicht von einem dahergelaufenen Tobrier sagen lassen, dass das Leid seines Volkes über dem der Greifenfurter steht. Und ich werde meine Stimme erheben, wenn er meint, dass ein Tobrier zu gut dafür ist, ein Greifenfurter zu sein.

Wenn Baradar von Plaue meint, nur als Tobrier glücklich zu sein, dann mag er dies da tun, wo er her gekommen ist. Aber er hat sich diesem Land verpflichtet und dies ist eine Ehre, die er nun mit Füßen tritt. Er tritt die MARK mit Füßen! Und er wird so lange recht damit behalten, wie wir als Barone der Mark schweigen. Nein, mein Freund, ihr seid ein Edler Mann und Eure Trauer steht Euch gut zu Gesicht. So lange Ihr nicht vergesst, dass Ihr der Mark verpflichtet seid, so lange könnt Ihr in privatissimo singen, wes Lied Euch gut dünkt.«

Von Ahrenstedt sah den Herrn von Dunkelsfarn ernst an. »So, Herr Baron, dann verstehen wir uns ja bestens. Ihr scheint genau, wie viele hier, zu wissen, von welchem Verlust ich spreche. Ich wollte nicht um Euer Mitleid bitten, Euer Hochgeboren. Das liegt mir gewiss ferner, als Ihr es Euch vorstellen könnt. Jammern, das dürften wir alle wissen, hat noch niemanden gerettet. Ich wollte lediglich die Ehre Tobriens geachtet wissen, egal was ein einzelner Mann sich heraus nimmt. So wisset denn auch, dass ich das Wort Loyalität sehr genau kenne. Ich kann verstehen, wenn Ihr über des Herrn von Plaues unverständlichen Eigensinn flucht, aber nehmt mich zum Beispiel. Ich bin zwar nur ein tobrischer Ritter und kein nobler Baron, aber dennoch weiß ich wohl, wem es die Treue zu halten gilt.«

In den Augen des Junkers blitzten nun feierliche Entschlossenheit und großer Mut auf. »Und Ihr habt mein Wort, dass ich, wie wohl alle, die hier versammelt sind, alle Kraft aufbringen werde, um dem Feind die Stirn zu bieten und dass wir nicht ruhen werden, bis die Mark, Eure und nun auch meine Heimat, wieder sicher ist.

Ich denke, wir haben genug Verluste erlitten und sich zu streiten wird nur den Orks dienlich sein. Ich hoffe, dass Ihr nicht wirklich an meiner Ehre oder meinem Kampfeswillen zum Wohle des Reiches zweifelt.« Rondrigo sprach diese Worte langsam und ruhig aus. Es war ihm absolut ernst. »Doch wie Ihr trefflich erkannt habt, Baron von Dunkelsfarn, so ist es die Aufgabe der Barone der Mark sich gegen diesen Affront zur Wehr zu setzen. Redet mit dem Herrn von Plaue, vielleicht könnt Ihr ihn doch noch beschwichtigen. Ich fürchte zwar, dass er Euch nicht zuhören wird, aber ich denke, dass man nichts unversucht lassen sollte. Ich bin zwar sein Landsmann, aber eben nur ein Junker. Mir wird er erst Recht nicht zuhören, schätze ich.«

Eine weitere Stimme mischte sich in die Gespräche der Greifenfurter Adligen. Anselm Hilberan von Hundsgrab-Bugenbühl hatte dem Disput gelauscht und war immer erregter geworden, je mehr Stimmen sich erhoben. »Unweit von Pechackern befindet sich eine neue Siedlung von Tobriern unter dem Banner derer zu Hundsgrab. Wir haben den Herrschaften in Travias Namen eine Scholle der Mark anvertraut, auf dass sie selbst ihr Auskommen haben und zu Ehren der Mark und des Fleckens Pechackern handeln und kämpfen werden. In unserer Landwehr befinden sich Frauen und Männer tobrischer Abstammung, die Seite an Seite mit unseren märkischen geübt haben und nun wohl auch kämpfen werden. Praios sei dank gab es bei uns bisher keine schwerwiegenden Auseinandersetzungen. Aber«, und nun fuhr Anselm Hilberan von Hundsgrab-Bugenbühl merklich schärfer fort, »wenn hier nun eine Person sich erdreistet, das Leid ihres Volkes über das Leid der Märkischen oder einer anderen Gemarkung Leid stellt, eine solche Person hat nicht nur jeglichen Bezug zur Realität verloren. Es gibt eine Stärke unter uns, die uns zu Märkern macht: unsere Gemeinsamkeit. Und seien die Streiter des Plauers auch Tobrier, so sie hier in der Mark sind, haben sie sich in die Markgrafschaft auch einzuordnen. Und sollte dies bedeuten, dass ein Tobrier unter dem Banner und Befehl der Markgrafschaft kämpft, um einem gemeinsamen Feind zu trotzen, so soll dem so sein. Mein Verstand mag sich gar nicht vorstellen, was sonst alles geschehen mag. Uneinigkeit auf dem Schlachtfeld, bei Rondra, da können wir auch gleich die Orkbrut an unser Herdfeuer einladen.«

Man sah dem Junker an, dass er sich in Rage geredet hatte und schon nahe daran war, das Schwert blank zu ziehen.