Geschichten:Die Faust des Grafen - Die Familie steht über Allem!

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Burg Orbetreu, 24. Peraine 1031 BF


Kritisch beäugte Boraccio sein ramponiertes Zelt, das man notdürftig geflickt und wieder aufgestellt hatte. Der Angriff auf den Tross hatte einiges an Material in Mitleidenschaft gezogen und würde die Kosten für diesen Feldzug in die Höhe treiben. Seufzend wandte sich der Condottiere wieder den Papieren, die vor auf dem Tisch lagen, zu. Am Zelteingang verdunkelte eine große Gestalt das Licht. „Capitan?“ „Ja, was gibt’s, Joß?“ „Die Domna, wie Ihr wünschtet.“ „Soll rein kommen. Und sucht weiter nach Jacopo!“ „Zu Befehl!“

Eleona wurde in das Zelt geschoben. Sie rieb sich die Handgelenke, wo man ihr die Fesseln abgenommen hatte und schaute verärgert dem diebisch grinsenden Joß nach, der sich wieder entfernte. Vor dem Zelt bauten sich hörbar zwei Wachen auf.

Boraccio hatte sich erhoben und machte nun eine elegante Verbeugung. „Domna Eleona, wie ich hörte? Es ist mir eine Freude Euch zu empfangen. Aber nehmt doch Platz.“ Er deutete auf einen Stuhl vor dem Tisch. „Darf ich Euch eine Erfrischung anbieten? Ein strammer Muktur, Jahrgang 25. Nicht so gut wie der 24er, aber das Beste, was sich hier auftreiben lässt.“ Ohne auf eine Antwort zu warten goss er den Wein aus einer Karaffe in zwei bereitstehen Becher aus Silber, die mit rahgefälligen Gravuren verziert waren und stellte einen vor Eleona auf den Tisch, bevor er wieder auf seinem Stuhl Platz nahm.

Eleona blieb stehen. Argwöhnisch betrachtete sie den Söldner vor sich. „Egal was Ihr gedenkt hierdurch zu erreichen: Ihr werdet keinen Erfolg haben!“ Sie nahm sich einen der Becher. „Ich werde nicht kooperieren!“

Der Almadaner lächelte kurz. „Ich hatte keine andere Antwort von Euch erwartet. So betrüblich das für mich ist, so ist es mittlerweile doch nicht weiter von Belang. Die Burg ist erobert, früher oder später werde ich mit meinen Truppen hier abziehen und Euer Bruder wird vermutlich hier einziehen. Orbetreu ist nicht mehr weiter meine Angelegenheit.“ Er zuckte mit den Schultern. „Auch wenn mich einige Details zu den Plänen Eures Cousins durchaus interessieren würden. Ich muss neidlos zugeben, dass er einige sehr unangenehme Überraschungen bereitgehalten hat. Ein tüchtiger Offizier und würdiger Gegner.“ Er hob seinen Becher wie zu einem Trinkspruch und nahm einen Schluck, ohne auf die Reaktion seines Gastes zu warten. „Vielleicht richtet Ihr ihm bei Gelegenheit meine Empfehlung aus?“ Er nahm einen weiteren Schluck und setzte seinen Becher ab. „Was mich zu einer weiteren wichtigen Frage bringt, meine schöne Domna. Da Ihr ja Euren Unwillen zur Kooperation bereits bekundet habt, frage ich mich, wie ich Euren weiteren Verbleib organisieren soll. Sollte ich Euch in die Obhut Eures Bruders geben? Oder wäre Euer werter Cousin der richtige Ansprechpartner? Ihr werdet sicherlich verstehen, dass ich auf einen angemessenen Zuschuss zu den Kosten bestehen muss, die Eure Bewirtung hier mit sich zieht.“ Eleona zögerte kurz. „Um meine Bewirtung solltet Ihr Euch keine Gedanken machen. Wenn dieser Tropfen hier zu kostspielig für Euch ist, so könnt Ihr gerne meinen Becher auch noch haben.“ Sprach sie ruhig. „Oh, es sind nicht die Kosten für diesen eher mittelmäßigen Jahrgang, die mich schrecken. Zu Hause würde ich mich gar nicht trauen den Gaumen einer Domna damit zu belästigen. Aber hier, am Rande der Zivilisation, dazu in einem Feldlager, lässt der Umstand, dass nichts Besseres zu bekommen ist, seinen Wert enorm steigen. Was wohl nicht jeder verstehen mag. Aber so ist das mit dem Wert von Dingen, jeder hat seinen eigenen Maßstab, wie lieb und teuer ihm etwas ist. Oder jemand.“ Die letzten Worte waren eher beiläufig gesprochen, trotzdem beobachtete der Junker aufmerksam seinen „Gast“. „Ihr vergesst, dass dies meine Heimat ist. Dies als Rand der Zivilisation zu bezeichnen, ist in mei-nen Augen wenig schmeichelhaft.“ Sprach Eleona ruhig, aber bestimmt.

„Oh, es war durchaus nicht meine Absicht Euch zu beleidigen, werte Domna.“ Boraccio nahm einen weiteren Schluck aus seinem Becher. „Aber da habt Ihr ein weiteres Beispiel dafür, dass es im Auge des Betrachters liegt, was als kostbar erachtet wird.“ Unvermittelt sah er die Frau intensiv an. „Ich frage mich nun, wem wohl mein Gast am kostbarsten ist? Dem Bruder, der sich gegen seine Familia gestellt hat? Oder dem Cousin, der sich mit seinem Lehnsherrn überworfen hat? Oder gar dem Grafen, der in seinem Zorn alle strafen möchte, die sich gegen ihn stellen? Was meint Ihr, Domna Eleona?“ Eleona schaute ihr Gegenüber über den Rand des Bechers an, welchen sie zum Mund geführt hatte. Sie nahm einen Schluck, ehe sie antwortete: „Wenn es Euch allein um das Geld geht, wäret Ihr gut beraten, dem Willen des Grafen zu folgen. Die Frage ist nur, wie viel dieser bereit wäre zu zahlen, dass er mein Haupt auf einen Richtblock zwingen kann.“ Die Regung Boraccios genau beobachtend, setzte sie sich auf einen Schemel. „Die Frage, die Ihr Euch stellen solltet, Boraccio d’Altea ist, ob Euer Herz eine solche Schlangengrube ist?“ Eleona blickte dem Söldnerführer nunmehr direkt in die Augen.

Boraccio war sichtlich amüsiert und nahm einen weiteren Schluck. „Nun, wir wollen ja nicht, daß sich seine Hochwohlgeboren an der Herrin Rahja versündigt, in dem er ein so hübsches Haupt von einem nicht minder wohlgeformten Rumpf trennen läßt, nicht wahr?“ In einem deutlichen ernsteren Tonfall fuhr er fort. „Außerdem fürchte ich, dass die Verhandlungen mit diesem Pfeffersack wenig erfreulich sein werden und auch weniger bei herauskommen wird, als mir lieb ist. Euer werter Bruder hat bereits ein kleines Geschenk in Form Eures ... Cousins? ... Voltan erhalten, das ist bereits mehr, als er überhaupt verdient hat.“ Er blickte nun seinerseits Eleona in die Augen. „Seht Ihr, Domna, mir liegt nichts an diesem Streit zwischen dem Grafen und Eurer Familia. Mir liegt aber daran die Angelegenheit zügig zu einem Ende zu bringen. Je eher Ihr mir einen guten Vorschlag unterbreitet, desto eher seid Ihr von meiner Gesellschaft befreit. Auch wenn ich das ein wenig bedauern würde Euch ziehen zu lassen.“ Eleona nahm noch einen Schluck. Ich hätte bei allem guten Umgangston den dieser Kerl hat, fast vergessen, dass er nur ein Söldner ist. Und Söldner bezahlt man! Schade, eigentlich. Dachte sie bei sich. „Wenn Ihr Geld sehen wollt, dann müsst Ihr Euch schon an meinen Vetter wenden. Mein Bruder hat die Familie entehrt. Ein ehrlicher Rat an Euch: Passt lieber auf Euch auf. Mit ihm an Eurer Seite werdet Ihr niemals sicher sein, dass Euer Freund Euch nicht in die Seite fällt.“

„Mit Verlaub, Domna, Euer Bruder ist ein Narr! Und obendrein hat er keine Ahnung. Ganz sicher werde ich niemandem vertrauen, der seine Familia verrät. Warum dieser Pfeffersack ihn zum gräflichen Zeugmeister gemacht hat statt Eurem Cousin, wird mir wohl ein Rätsel bleiben. Aber wo wir grade von Eurem Cousin sprechen ...“ Er kratzte sich verlegen am Bart „so fürchte ich, dass sein derzeitiger Aufenthaltsort sich meiner Kenntnis entzieht. Was vermutlich auch besser so ist, sonst fehlte uns die Muse hier zu plaudern. Davon abgesehen vermute ich, dass er im Augenblick nicht sonderlich gut auf mich zu sprechen ist. Was nur verständlich ist, aber Verhandlungen nicht eben zuträglich. Ihr hättet nicht zufällig einen alternativen Vorschlag für mich? Gerne würde ich Euch ja länger Gastfreundschaft gewähren, aber ich fürchte, dass ich in naher Zukunft abreisen werde und ihr nur wenig geneigt seid, das schöne Almada zu bereisen. Was wiederum bedauerlich ist.“ Eleona lächelte bei den Worten des Almadaners. Offenbar war doch mehr eines Ritters in diesem Söldner als sie gedacht hatte. Er erschien Ihr mehr und mehr ehrlich, was sie von einem Gefolgs-mann Geismars nicht erwartet hätte. Ruhig und vorsichtig antwortete sie dem Almadaner: „Ich gehe davon aus, dass sich Hadrumir an Cordovan Hagrobald von Grebelsteen-Schwingenfels wenden wird. Dieser wird sich als Unterhändler wahrscheinlich an Euch wenden.“ Der Aracener schaute zufrieden drein. „Fein, dann sind die lästigen Geschäftsangelegenheiten ja geklärt. Vielleicht mögt Ihr mir ja derweil einmal verraten, was so eine schöne Domna bei dieser ganzen unerfreulichen Angelegenheit zu suchen hat. Die Meinung des Krämers in Feidewald kenne ich ja bereits.“ Eleona funkelte ihn aus wütenden Augen an. „Die Familie steht über Allem! Das wird dieser Bastard Geismar niemals verstehen. Wer sich gegen einen Schwingenfels stellt, stellt sich gegen alle Schwingenfelser! Habt Ihr eine Familie, Boraccio d’Altea?“

„Sicher. Als mein Bruder damals ...“ Plötzlich starrte Boraccio finster drein. „Wie auch immer. Ich verstehe durchaus, warum Ihr auf der Seite Eures Cousins gefochten habt. Nur nicht, warum dieser Waffengang überhaupt von Nöten war. Wie ich hörte, wäre noch vor einiger Zeit Euer Cousin hier an meiner statt aufmarschiert. Ein sehr drastischer Sinneswandel, wie mir scheint.“ Eleona schaute traurig. „Drastisch vielleicht, aber notwendig! Geismar verscherbelt die Grafschaft. Titel werden verkauft, das Wort eines Adligen ist nichts mehr wert und dieser Halunke lebt wie die Made im Speck!" Sie schaute den Almadaner ruhig an, wusste sie doch, dass streng genommen auch er seinen Titel als Edler gekauft hatte.

Er wich ihrem Blick aus und starrte in die Ferne. „Hier in Garetien seid Ihr bisher davon weitgehend verschont worden, aber in den großen Städten, in Punin oder gar yaquirabwärts im lieblichen Feld haben immer mehr die Kaufherren das Sagen, weil sie Geld haben und sich damit die Macht kaufen können. Entweder, in dem sie dem Adel bereitwillig Geld leihen und ihn damit in der Hand haben. Oder in dem sie direkt einen Condottiere mit seinem Tercios anwerben. Das mag vielen nicht gefallen, aber den Fluss der Zeit kann man nicht aufhalten. Und wer versucht sich dagegen zu stemmen geht allzu leicht unter." Boraccio sah sie wieder direkt an. „Für das Wohl der Familia sollte man hin und wieder bereit sein Kompromisse schließen zu können." Ihr Blick hielt dem seinen stand, als sie bestimmt antwortete: „Traditionen muss man ehren und ein Kompromiss mit diesem dreckigen Hund Geismar ist nichts wert. Vielleicht werdet Ihr dies auch dereinst einsehen müssen." Der Condottiere zuckte mit den Schultern. „Ich weis sehr wohl, dass der Krämer schon bald mit spitzer Feder seine Dukaten zusammenrechnen wird, sobald sein Zorn verflogen ist und ihn wieder jedes Silberstück schmerzt, das er für Mercenarios ausgeben muss. Dann sehen wir weiter. Ich verkaufe ihm meinen Rat und die Dienste meines Tercios, nicht meine Seele." Er griff wieder nach seinem Becher und nahm einen Schluck. „Dies hier ist Eure Heimat, Ihr seht das natürlich ein wenig anders. Das würde ich auch, wenn es hier um die ragatische Grafenkrone ginge." „Hoffentlich wird sich die Rechnerei des Grafen nicht ein negatives Ergebnis für Euch haben.“ Eleona leerte den Becher mit einem letzten Zug. Der Aracener grinste. „Das gehört zu meinem Risiko. Würde ich das nicht eingehen wollen, wäre ich wohl im falschen Gewerbe.“ Mit ernsterer Miene fuhr er fort. „Alles verändert sich zurzeit im Galopp. Man muss zusehen, wo sich die guten Gelegenheiten finden lassen. Was ist mit Euch? Wollt Ihr Euer Leben hier in diesem dauernden Schlachtfeld fristen? Eine schöne und kluge Domna wie Ihr sollte doch ihren Weg in der Capitale machen können.“ „Und von welcher Capitale sprecht Ihr, Boraccio d’Altea? Punin? Oder doch Gareth? Und selbst wenn, mein Weg ist mir vorbestimmt.“ Er zuckte mit den Schultern. „Das bleibt Euch überlassen, aber in Punin ist das Wetter deutlich besser. Und es ist weniger vorbestimmt als Ihr glaubt. Wenn Ihr es nur versucht, dann wird sich auch etwas ändern. Ihr dürft nur nicht immer in den alten Bahnen denken.“ Eleona sann kurz über das Gesagte nach. Sie dachte an ihren Sohn, geboren aus einer Schande heraus, in welche sie die Fehde mit der Familie Windischgrütz gestürzt hatte. Kurz geriet sie ins Stocken. „Manchmal zwingen einen die Umstände dazu etwas zu tun, was man vielleicht nicht möchte.“

Boraccio leerte seinen Becher. „Ja, wir alle müssen Dinge tun, die uns nicht gefallen. Ich zum Beispiel muss mich wieder um lästige Angelegenheiten des Krieges kümmern anstatt weiter mit einer hübschen Domna zu plaudern. Bitte verzeiht, wenn ich so abrupt unser Gespräch unterbrechen muß, aber die Pflicht ruft.“ Er erhob sich. „Man wird Euch in ein angemessenes Quartier geleiten, wo Ihr bis zum Abschluss der Verhandlungen verweilen könnt. Ich hoffe, wir werden uns schnell einig und können den etwas unangenehme Zustand beenden.“ Galant machte eine er Verbeugung. „Es hat mich sehr gefreut eine angenehme Konversation mit Euch zu führen, Domna Eleona. Ich würde mich freuen, wenn wir das bei Zeiten noch einmal wiederholen könnten.“