Geschichten:Die Falle einer Ratte - Reitet schnell, bleibt gefährlich

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Burg Rudes Schild, Peraine 1032 BF


»Mein treuer Illehardt, was willst du?« In einem schweren Sessel sitzt der gefürchtete Marschall Garetiens, ein Handtuch um den Kopf gewickelt, die Füße in einem nach Kräutern duftenden, dampfenden Bottich, die Gestalt verhüllt mit einer leichten Decke. Vom Sitz des Marschalls hat mein einen weiten Blick in Richtung Gareth – über reiche Länder, die nun der Hand des Blutigen Ugo gehorchen.

»Mein Marschall! Ihr habt Nachrichten erhalten.«

»Hm. Was für Nachrichten? Werden ja wohl kaum Lapa-ellen sein, oder? Sonst kämst du nicht selbst herauf.«

»Nein, es ist eigentlich nur eine Nachricht, aber sie erreicht uns aus verschiedenen Richtungen: Die Pförtner haben uns die Fehde erklärt!«

»Uns?« Ugo nimmt das Handtuch vom Kopf. Das Haar klebt ihm schweißnass am Schädel. Er blickt seinen Adjutanten verwundert an. »Uns? Und das fällt denen jetzt erst ein? Und was heißt denn uns, Illehardt? Der Goldenen Lanze? So verrückt können die nicht sein.«

»Dem Bund der praiosgefälligen Ordnung, mein Marschall. Den Pulethanern.«

»Ei! Das ist ja! Gib mir mal das Handtuch.« Der Marschall erhebt sich schwerfällig aus dem Stuhl, hebt die Füße nacheinander aus dem Bottich und lässt sie sich vom treuen Illehardt abtrocknen. Krumm sind die Zehen, schwielig die Sohlen – Füße, die nur noch zum Reiten, nicht aber zu Gehen taugen.

»Ja, es geschah am Rande der Erhebung dieser neuen Pfalzgräfin in der nördlichen Einöde. Da sind wieder ein paar turbulente Dinge passiert, bei Kors Hammer! Eure Gemahlin war mittendrin dabei.«

»Bitte?«

»Irgendein schwarzmagischer Mummenschanz, Ihr wisst schon. Wahrscheinlich hatte man es auf den kaiserlichen Hof abgesehen oder auf Prinz Storko. Jedenfalls war Eure Gattin wohl auch in Gefahr.«

»Und, was ist? Geht’s ihr gut?«

»Ja, es geht ihr gut. Habe Nachricht von ihren Begleitern, die sie seit ihrem Aufbruch von Schloss Mühlingen beschützen. Sie hat keinen Kratzer.«

»Hol der Gehörnte die Kratzer. Geht’s dem Kind gut, will ich wissen!«

»Ja, mein Marschall. Die Schwangerschaft ist nicht gefährdet. Aber das verdanken wir nicht dem hochmögenden Pfalzgrafen Hilbert von Hartsteen.«

»Illehardt, knappen Bericht, wenn ich bitten darf.« Ugo von Mühlingen warf ein paar glühende Kohlen in eine Messingschale, die dort sogleich ein paar Kräuter erglimmten, die wiederum einen angenehmer Duft verströmten – gut für geplagte Lungen.

»Hilbert von Hartsteen hat öffentlich verkündet, dass ihm er Rest der in Gefahr befindlichen Adligen und Standespersonen herzlich schnuppe wären, solange er gerettet sei. Darauf hat ihm der Baron von Höllenwall aus dem Rondrarium gebetet und Hilbert einen hundsföttischen, verschleimten, miesen , kriecherischen ...«

»... komm zum Punkt, Illehardt ...«

»kurz: Feigling genannt. Außerdem hat Höllenwall Hilbert und seiner ganzen Bande – das sind die Pförtner – die Fehde erklärt. Doch statt davonzukriechen, wie alle Anwesenden gedacht haben, hat Hilbert von Hartsteen das ganze sofort im Duell klären wollen. An Ort und Stelle.«

»Friede seiner Seele.«

»Nein, er lebt. Er ist von Höllenwall schwer verletzt worden, aber lebt. Höllenwall hingegen ist nun auf der Feste Osenbrück eingeschlossen, belagert von den Waldsteiner Wölfen, die Hilbert von Hartsteen gerufen hat.«

»Illehardt, das klingt nicht gerade glaubhaft. Was werden denn die Pförtner sagen, allen voran mein alter Freund Danos der Dreifach-Ritterliche, wenn Hilbert Söldner ruft. Ha!« Belustigt rief Ugo aus, doch ging sein Lachen in einen abscheulichen Husten über, der erst nach mehreren Augenblicken vorüber war. Er krächzte: »Höllenwall auf Osenbrück! Das ist eine Idee aus Hesindes dunklem Loch – wo die uns doch allen verboten haben, jemals einen Fuß in ihre Burg zu setzen. Ha! Das ist gut.« Ugo setzte sich auf eine Bank unter dem Fenster und wies herrisch auf das alte Stiefelpaar, das er anziehen wollte.

»Nun aber nehmen die Pulethaner die Fehdeerklärung an. Wir haben Nachrichten aus Eslamsgrund und Perricum, sogar aus Greifenfurt. Die Kameraden fragen sich, was Ihr tun werdet, mein Marschall. Immerhin belagern die Waldsteiner Wölfe einen der Unseren.«

Mühlingen verzog schmerzhaft das Gesicht, als sein geschundener Fuß in die Stiefel glitt. »›Unseren‹? Illehardt, meines Wissens bist Du nicht Bundesbruder bei den Pulethanern. Meines Wissens nehmen wir nur Ritter auf. Die Pförtner nehmen auch andere, wir nicht. Sei’s drum, ich würd’ dich eh nicht gehen lassen.« Er tätschelte seinem Adjutanten den Kopf, während jener vor seinem Marschall kniete auch den anderen Fuß in den Stiefle zu pressen. »Aber recht hast du. So geht das nicht. Und dann noch die Mietlinge des Streitziger Heuchlers – das geht nicht.«

»Wieso Heuchler?«

»Weil Wulf sich einen goldenen Fuß damit verdient, Kors Jünger in die Schlacht zu schicken, selbst aber so tut, als lebte er ganz nach Rondras heiligem Rittergelübde. Außerdem habe ich nicht vergessen, dass er damals genau wie alle anderen auf die Kesselflicker eingedroschen hat. Seine Hand ist so blutig wie meine, aber Uslenried trägt immer Handschuhe ...«

»Was also tun, mein Marschall?«

»Schicke an die Bundesbrüder eine Ladung hierher. Wir wollen uns auf Rudes Schild beraten. Und du selbst gehst jetzt zu ›Borons Vorhut‹ und zu den ›Kronenputzern‹ und fragst nach Freiwilligen. Alle, die vier Wochen auf des Kaisers Sold verzichten, sollen ihren Lohn von mir erhalten – und von Hilbert von Hartsteen. Hähähä. Nimm, wer immer sich meldet, mit nach Osenbrück. Reitet schnell und bleibt gefährlich. Und wenn Ihr in Osenbrück angekommen seid, dann legt Ihr des Kaisers Rock ab. Greift nicht an, aber sorgt dafür, dass vor der Burg die Kräfte gleich verteilt sind. Und wenn Ihr angegriffen werdet: Pardon wird nicht gewährt. Wir liegen in Fehde, nicht im Bette.«

Mühlingen zog sich den blutroten Umhang über und ging zur Tür. »Und noch eins: Schick meinen nichtsnutzigen Neffen mit zehn Mann, meine Frau zu holen. Sie soll auf Rudes Schild niederkommen. Ich habe genug von Überraschungen.«