Geschichten:Die Absage - Phex 1029 BF

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Burg Oberhartsteen, Mitte Phex 1029 BF


Es verging eine Woche, in welcher der Vogt von Neufelden seinen Gastgeber nicht wieder vor Gesicht bekam. Als Helmar schließlich mit seinen Begleitern nach mehreren Tagen zum Mittagsmahle saß, erschien ein Diener Luidors und eröffnete ihm, dass der Graf von Hartsteen ihn nun empfangen wolle. 'Endlich!', ging es durch Helmars Kopf, als er dem Lakai in den Arbeitsraum seines Gastgebers folgte. Wieder traf er Luidor von Hartsteen umgeben von vielen Dokumenten an seinem Schreibtisch an und wieder bemühte sich der Graf um seinen Gast, indem er ihn wieder mit Handschlag begrüßte und ihn bat, Platz zu nehmen. Er hoffe, die Zeit wäre Seiner Wohlgeboren nicht zu lang geworden. Er bedauere es sehr, dass das Antwortschreiben Seiner Hochwohlgeboren Graf Ingramm so lange habe auf sich warten lassen. Allerdings sei der Bote aus Wandleth heute Morgen erst eingetroffen. Luidor schaute dabei etwas betroffen und bedauernd, als er fort fuhr über die gräfliche Antwort zu berichten: "Obwohl ich Seiner Hochwohlgeboren ausgesprochen genaue Angaben über dieses lohnensreiche Unternehmen gemacht habe, möchte er absehen von einer weiteren Fährstation."

Luidor nahm ein gesiegeltes Pergament von seinem Schreibtisch. Es war, so konnte Helmar deutlich erkennen, mit dem gräflichen Wappen der Grafschaft Schlund versehen. Luidor fuhr fort und zitierte aus dem gräflichen Brief: "Einen großen Reiz übt die Aussicht auf eine verstärkte Handelsbeziehung zu unseren befreundeten östlichen Nachbarn auf Uns aus. Gerade in Zeiten wie diesen, wenn der Handel gefährdet ist von allerley Wegelagerern und sonstigen üblen Schurken. Und vielleicht wird in bäldiger Zukunft tatsächlich eine Fähre über das Darpatwasser den reisenden Händlern die Gunst und die TRAviagefällige Gastfreundschaft der Schlunder Landen bei ihrer Reise wohl gefallen. Doch in Anbetracht der unsicheren Lage dieser Tage sehen wir von einem solchen Risiko-trächtigen Unternehmen ab."

Bedauernd schaute Luidor von dem Pergament auf. "Es tut mir ausgesprochen leid, aber die Sturheit seiner Hochwohlgeboren ist im Schlund sprichwörtlich. Erst vor wenigen Monaten investierte er in eine Gesellschaft, welche den Handel über den Raschtulswall fördern solle, eine recht hohe Summe. Obwohl das alte Väterchen nicht darauf verweist, so sehe ich doch hierin den Hauptgrund seiner derzeitigen Abneigung einen weiteren Handelsweg zu riskieren. Ich versuche aber weiterhin, Seine Hochwohlgeboren davon zu überzeugen, dass eine zweite Investition für den Handel im Schlund äußerst dienlich sei. Doch versprechen kann ich erstmal nichts."

Helmar bemerkte den betroffenen Ausdruck im Gesicht seines Gesprächspartners. Und als Luidor begann, aus dem gräflichen Antwortschreiben zu zitieren, wurde die Ahnung Gewissheit. Seine Gedanken rasten, als er schließlich leicht stockend zu sprechen begann: „Nun … sieht so aus, als müsste die Fähre noch ein wenig warten … Auf jeden Fall … Ich danke Euch für Eure Bemühungen und die gewährte Gastfreundschaft. Aber dass mich das Bienlein steche … verstehen kann ich diese Entscheidung seiner Hochwohlgeboren Ingramm rein gar nicht! Der Darpat ist doch nicht der Raschtulswall! Und der Herr Graf muss noch nicht einmal selbst investieren! … Ich hätte große Lust, mich selbst nach Wandleth zu begeben. Aber wenn Ihr meint, dass er sich auf keinen Fall umstimmen lässt, dann wäre das eine Verschwendung von Zeit und Geld. Beides Dinge, von denen man nicht zuviel haben kann … Zumal sich bald die Mersingen wieder rühren wird."

Helmar hielt inne.

„Entschuldigt. Das ist wohl nicht Euer Problem. …", der Edle von Fuchsbach stockte erneut, so als dächte er tief nach.

„Die Fähre wird also weiterhin ein Plan bleiben wie schon so oft in der Geschichte." Stellte er schließlich mit einem resignierten Schulterzucken fest. „ … Eine andere Sache aber hätte ich noch, wenn Ihr mir noch einen Moment Gehör schenken würdet. Ich bin auf der Suche nach einem Baumeister und Steinmetzen. Könnt Ihr mir jemanden empfehlen, der auch verfügbar wäre? In der Traviamark ist es ja derzeit recht schwierig jemanden zu finden, der genügend Erfahrung hat und nicht in Rommilys am Wiederaufbau mit tätig ist. Ich hätte so einiges in Neufelden und Zapfenschlag zu tun und die Bezahlung wäre nicht die schlechteste."

Grübelnden Blickes schaute Luidor seinen Gast an. Nach kurzer Zeit des Nachdenkens antwortete er: "Wulfhardt von Hartsteen-Dergelstein ist ein fähiger Architekt und Baumeister der Familie Hartsteen. Er ist mit der Greifenfurter Baronin Gunilde von Dergelstein verheiratet. Ich werde ihn bitten, sich Eurer Probleme anzunehmen." Luidor machte eine Notiz.

Helmar antwortete:„Wenn Euer Verwandter aus dem Greifenfurtschen sich darauf einließe, wäre ich sehr erfreut, ihn in Neufelden und Zapfenschlag begrüßen zu dürfen. An angemessener Vergütung soll es nicht scheitern. Mit Eurer Erlaubnis und auf Eure Empfehlung hin würde ich des weiteren einige Steinmetzen und Maurer aus der Umgebung Hartsteens anwerben wollen um die anstehenden Bauarbeiten dann auch ausführen zu können Denn wie gesagt, es ist derzeit in der Gegend von Rommilys nur schwer möglich, gute Handwerker zu angemessenem Lohn einzustellen. Und wie ich bereits bemerken durfte, ist die Qualität der hiesigen Steinmetzarbeiten außerordentlich."

"Dann solltet Ihr Handwerker aus dem Schlund nehmen. Gerade die zwergischen Steinmetze aus Erlenstamm sind für ihre Fertigkeiten über die Grenzen des Schlunds berühmt. Ich werde eine diesbezügliche Anfrage bei Ihrer Hochgeboren Thalionmel von Erlenstamm stellen und mich für Euch einsetzen!"

Mit einem weiteren Blick taxierte Luidor seinen Gast erneut. "Es dauert mich sehr, dass Ihr so unverrichteter Dinge nach Neufelden zurückreisen müßt. Ich hätte wirklich gehofft, dass man ein gutes Geschäft zustande bringen würde. Darf ich Euch wenigstens in einer anderen Sache einen Gefallen tun?"

„Nun…" Helmar überlegte kurz. „Das könntet Ihr vielleicht. Bislang war es mir leider nicht möglich, meinem Sohn Redwic standesgemäße Ausbildung zukommen zu lassen. Er ist im besten Alter, eine Knappschaft aufzunehmen. Wenn Ihr jemanden kennt, oder, ich will nicht vermessen klingen, ihn hier bei Euch in Hartsteen in Knappschaft nehmen würdet, wäre ich Euch sehr verbunden. Er ist ein guter Junge, flink im Geist und ohne körperliche Gebrechen. Und trotz all der Fährnisse, die hinter uns liegen, die Götter mögen's so belassen, zeigt er Eifer im Waffenhandwerk. Wenngleich ich mir wünschen würde, dass er diesen Eifer auch anderen Tugenden gegenüber an den Tag legen würde, aber das kann ich in Neufelden nur bedingt gewährleisten."

Luidors Gesicht wurde ernst und er hörte dem Vogt zu Neufelden aufmerksam zu. "In der Tat, die Ausbildung der eigenen Nachkommenschaft ist das wichtigste, was jede Familie im Auge haben muss. Wie sehr verkommen in der heutigen Zeit die guten alten Traditionen, und die Kinder werden in Schulen", Luidor sprach das Wort verächtlich aus, "zum Kriegshandwerk erzogen! Nichts gegen die Lehranstalten von Wehrheim oder Gareth, aber viel zu kurz kommt dort die Bildung des Charakters eines jungen Menschen! Was lernen die Kadetten an den Akademien? Karriere und schnellen Aufstieg. Das Gegenteil dessen, was sie lernen müssen, nämlich Demut, Ehrbewußtsein und Unterordnung in der von Praios gewollten Ordnung. Ihr tut sehr gut daran, für Euren Sohn Redwic einen guten Lehrmeister zu suchen, denn nur wer Dere aus dem Blick eines Knappen erfahren hat, ist in der Lage sie auch aus dem Blick eines Ritters zu sehen. Ich biete Euch an, mir Euren Spross vorbei zu schicken. Ich werde ihn persönlich prüfen, und wenn er sich als würdig erweist, dann werde ich ihn persönlich lehren, was es heißt als Ritter für seine Verantwortung einzustehen. Aber seid versichert, dass es ein harter und strenger Weg ist, zu einem Ritter von Hartsteen ausgebildet zu werden!"

„Aber diese Strenge entspringt der Liebe und der Sorge um das Heil derer, die uns nachfolgen. Und der breite von vielen betretene Weg ist nicht immer der beste", pflichtete ihm Helmar bei. „ In der Tat ist es mir lieber, er wird durch eine gestrenge Erziehung dazu ermächtigt, mit den Härten des Lebens umzugehen, als unvorbereitet und ohne Übung von ihnen überrannt zu werden. Welch ein Vater wäre ich, wenn ich nicht so dächte?"

Der Vogt von Neufelden war einmal mehr überrascht vom Verhalten des Hartsteeners. Seit vielleicht dreihundert Jahren lebten die Edlen von Fuchsbach in Neuborn, aber Hartsteener Grafen und Barone gab es schon zur Zeit von Bosparans Fall - Ein Wunder, dass Luidor überhaupt mit ihm sprach und dann so ein Angebot! Gleichzeitig erfüllte ihn das Angebot mit einem gewissen Stolz, als er antwortete: „Es wäre mir eine große Ehre, Euch meinen Sohn vorstellen zu dürfen. Gebt Bescheid, wann auch immer Ihr ihn Eurer Prüfung unterziehen wollt, und ich werde ihn sofort herbringen lassen."

Beide waren aufgestanden und Luidor hatte Helmar zur Tür geleitet. Luidor reichte dem Vogt von Neufelden die Hand und verabschiedete sich: "Gut, dann schickt den Jungen im Frühjahr nach Burg Oberhartsteen. Wenn er seinem Vater auch nur zum Teile ähnelt, dann bin ich bester Dinge über seine Zukunft. Euch und Euren Begleitern wünsche ich eine von Aves behütete Reise und den Segen der Zwölfe!"


- ENDE -