Geschichten:Der Zoff in Perricum nähert sich dem Ende

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Als die Nacht hereinbrach, klatschten immer noch die Regentropfen gegen das bernsteinfarbene Butzenglas der großen Fenster. Im Innern schimmerte der Schein des Feuers über die warmen Wände. Alles, fast jegliches Geräusch vernahm Hamuth, als er neugierig sein Ohr an die hintere Wand preßte, um jeden Laut aus dem Raum der Hohen aufzunehmen. Denn Geld hatte man ihm versprochen, viel Geld, für jede Einzelheit.

In dem riesigen - im kupfernen Licht glühenden - Diwan lag die Kadi im Nachthemd und gaukelte ihren winzigen Sproß leise an. Die großen, wunderlich umherblickenden Augen verrieten die bereits lernende Neugier des erst vier Monde alten Haselhainers. Immer wieder - auf ihrem Bauch sitzend - warf er seinen viel zu großen Kopf unbeholfen in rollenden Neigungen über die winzigen Schultern, um Neues zu sehen: Die Büste des Großvaters, den Kriegsattel des Urgroßvaters, Wandteppiche, die von der Geschichte und dem Fall Nebachots erzählten.

Doch immer wieder neigte sich der Kopf in Richtung Fenster, wo eine dunkle Gestalt in langsam nickenden Bewegungen seinen Kopf leise gegen das Glas stieß.

"Simold, wie langä wiellst Du noch da Triebsal blasän? Am Ändä machst Du noch die Scheibä kaputt und der Kleinä kriegt einän Zugh," neigte die Schwester kurz ihren Kopf ohne ihn wirklich anzuschauen.

Einen kurzen Moment verstummte das leise scheppernde Geräusche des gegen die Scheibe klopfenden Kopfes: "Isch weiß nischt, wie isch das wiedär gut machen kann?"

"Liegt Dir immär noch das Urteil im Magän?"

"Ja", erwiderte er, um danach aber wieder von neuem seinen Kopf gegen die Scheibe zu klopfen.

"Simold," stand sie auf, um mit ihren zierlichen nackten Füßen hinüber zu ihm zu gehen. "Äs war Rächt gesprochen, wie äs niedärgeschriebän iest und Du weißt, daß mier keinä andärä Wahl blieb, um dän Friedän in der Grafschaft zu wahrän. Äs giebt gänug, die Eslam hassän. Nach einär Värschonung wäre dann am Ändä isch als parteiisch hingäställt wordän. Und was uhns das gäbracht hättä, weißt Du."

Langsam drehte sich der Baron um und blickte seiner Schwester in die ehrlich offenen, grünen Augen. Der Schein des Kamins hinter ihr entflammte ihr Haar in einer feurigen Korona, während direkt daneben ihr Sohn damit beschäftigt war eifrig sabbernd und mit glucksenden Lauten durch das Fenster zu blicken.

"Isch weiß, abär isch dänkä dabei nur an Disch. Äs wird noch ein Nachspiel habän innärhalb der Pulethaner. Es haftet nun der Hauch der Unrächtmäßigkeit und Grausamkeit." sprach er fast seufzend, um genauso wie der Kleine mit einer ihrer kastanienroten Haarlocken zu spielen.

"Sie könnän uns vielleicht sogar zärstörän."

"Das könnän sie nischt," hetzte sie. "Keinär könnte misch wiedärlägän." Sein Lächeln wurde bitter, während er die Strähne immer weiter um seinen Finger wickelte.

"Simold", versuchte sie den Bruder in den schwestelichen Arm zu nehmen, doch er wendete sich wieder dem Fenster zu.

Einen Moment stand sie unsicher daneben, bis sie ihren Kopf langsam an den brüderlichen Rücken schmieg und mit der freien Hand über seine Schulter fuhr.

Eine ganze Weile verharrten sie so, bis seine Rechte sich auf ihre Finger legten und sie sanft drückten.

Verzweifelt versuchte der Page durch die dicken etwas zu vernehmen, doch es gab keinen Laut zu erhaschen.

"Äs gab' nie eine Altärnativä fier misch", sprach er leise.

"Für misch auch nischt."

Plötzlich vernahmen sie Geräusche an der Doppeltüre. Es wurde geklopft und ein Page trat herein.

"Marben,” nickte er zu Simold, “Mara," verneigte er sich vor der Kadi "Eslam und Yendor von Gallstein wollen Eusch sprächän, Marben."

Lediglich mit einem Nicken in die Richtung des Pagen, gab Simold seine Antwort, nachdem die Finger der Kadi noch einmal kurz seine Schulter drückten und sie wieder einige Schritte auf den wärmenden Teppich ging.

Simolds Sinne schärften sich. Sein Herz schlug auf. Genauso wie das Ohr des versteckten Pagen, vernahm sein Gehör plötzlich jeden Laut im Umkreis:

Zuerst nur leise, aber schwungvoll sirrten Kettenhemd des Gallsteiners, wie der Ringelpanzer Eslams von um der Ecke in die Sinne des Haselhainers, noch bevor er sie sehen konnte.

Als sie in den hohen Türbogen schritten und im Licht der hinter ihnen hergetragenen Laterne ihre dunklen Silhouetten in den Raum warfen, wirkten sie wie zwei vergangene Kriegsgötzen vergessener Äonen - wie man es auch aus ihrem Zorn schließen konnte.

"Eslam, Yendor isch grüßä Eusch." bemerkte der Haselhainer mit einer tonlosen Stimme.

Wortlos schritten die beiden in den Raum hinein.

Zorn blitzte im Blick des Gallsteiners, als dieser die Kadi auf dem Divan sitzen sah. Vielleicht war es nur die Anwesenheit des unschuldigen Kindes, das seine Lippen versiegelte.


Der kleine Balg schrie, und der Page vernahm kaum noch ein Wort aus dem Innern, das er entziffern konnte.

Zuviel Angst hatte die laute aber immer noch gerechte Diskussion der Männer im Kinde gerührt.

Auf Simolds Stirn war eine Ader dick geschwollen. Eslam, der eigentlich bekannt dafür war, der zornigste zu sein, war am Ende noch der vernüftigste geblieben, um die beiden Männer zum Einlenken zu bewegen.

Immer wieder hatte er sich die Haare gerauft.

Simold sog die Luft tief ein. Seine Ohren glühten vom kreischen des winzigen Neffen.

"Also gut, Jändohr. Du glaubst also, daß wir Dayinän Ruf zärstären könntän."

Yendor warf zornig den Kof zu einem Nicken zurecht, um seine kurzen mordenden Blicke wieder von der Kadi zu nehmen.

"Wie wärä äs dänn, wänn isch Dier ätwas gäbä, womit Du misch zärstären kannst?", sagte Simold gehetzt, bog flink wie ein Raubtier um den großen Tisch, nahm der - den Kopf heftig schüttelnden - Kadi den Sohn aus den Armen und hielt ihn vor das interressiert blickenden Gesicht des Galsteiners.

Von außen prasselten die Efferdsgaben gegen die Scheibe, es blitzte und donnerte hell ins Zimmer hinein, um den Kleinen noch mehr zu erschrecken und zum Kreischen zu bewegen. Die Kadi war aufgesprungen und im Lichte der zuckenden Blitze wurde ihr sonst so gebräuntes Gesicht leichenblaß. Der Page drückte die Wangen noch so sehr an die hölzerne Wand, doch er vernahm nichts mehr von dem, was der Herr von Hassal'han Ammayin nun sagte. Mit einem tosenden Donnern verstummten auch die Lippen Simolds. Ruhe herrschte im Raum - gespenstische Ruhe.

Die Augen der beiden Barone waren Schreckensgeweitet. Als würde für sie die Zeit still stehen, rührten sie sich keinen Deut.

Das prasseln des Regens ließ nach. Die Kadi schritt langsam vor, nahm ihrem Bruder den Sohn sanft aus den Händen, legte ihn in die Kuhle ihrer Elle und küßte ihren Bruder sanft auf die unrasierte Wange.

"So die Göttär wollän, daß wier seine Namänsgäbung feiern könnän, wird sein ärstär Name Si'Yandor sein. Das bedeutet der Rechtbringende. Und der Namä klingt so ähnlich, wie der eines gutän Freundäs, dän wir ob seinäs gutän Wesäns sähr schätzen."

Eslam schluckte schwer, bevor sein verwunderter Gesichtsausdruck wutverzerrten Zügen wich. Alsdann schlug er zur Überraschung aller Anwesenden Simold die Faust in Gesicht, so dass der Marben von Haselhain rücklings über den Diwan flog und auf der anderen Seite hart auf den Boden aufschlug. Simold keuchte schwer und wischte sich - nachdem er einmal vergeblich versucht hatte auf die Beine zu kommen - das Blut seiner aufgeplatzten Unterlippe mit dem Handrücken beiseite. Der Gallsteiner blickte den Säugling an. Nichts in seinem Gesicht zeigte eine Regung, geduldig wartete er, wissend das Eslam keine Ruhe gewähren würde.

Schon wieder waren die kräftigen Hände des kräftigeren Eslams an Simold, doch diesmal zogen sie ihn wieder auf die Beine.

Ernst faßte Eslam den Jüngeren in die Augen, bis sich seine Mundwinkel hoben, er zuerst grinsen und dann lachen mußte, bis er ihm schließlich auf die Schulter klopfte.

"Das stähän wir schon gemainsam durch main Freundt."

Doch Gallsteins Miene erhellte sich nicht. Während Simold gefallen war, blieb der Blick aus den schwarzen Augen Yendors auf dem Knaben liegen.

Ein Muskel begann am Kiefer zu zucken, Zeuge der inneren Anspannung des Barons.

Nachdem Eslam geendet hatte, trat Yendor vor. Er holte schwer Luft, seine Augen funkelten nun bedrohlich. Man konnte sehen das er bis zum Zerreißen gespannt war.

"Was wagst Du? Bietest mir was ich zerstören könnte und weißt genau, daß ich es nie könnte?" Ein Flüstern die Worte. Die Hände des Gallsteiners zuckten, schlossen sich zu Fäusten, so das weiß die Knöchel zu sehen waren, öffneten sich sofort wieder.

"Du hast Nichts verstanden. Nichts! Ich schade meinen Freunden nicht. Ich schade dem Reich nicht. Ich sterbe eher, als eine dieser Regeln zu verletzen. Wer zu mir gehört, gehört damit zu den Streitern, die ich als gut für das Reich befunden habe. Zu euch fasste ich Vertrauen. Recht ist das Recht des Reiches. Gerechtigkeit ist die Gerechtigkeit des Reiches. Ihr habt Recht gesprochen und mich verurteilt für eine Tat, die einzig und allein dem Erhalt des Reiches diente und nun kommst Du und wagst es mich abermals zum zornigen Schänder stempeln zu wollen?"

Er trat einen Schritt vor. Sein Gesicht nun verzerrt vor maßlosem Zorn.

"VERDAMMT SOLLST DU DAFÜR SEIN!!!" Eine wilde Bewegung brachte jede Wortmeldung von Seiten Simolds zum Schweigen. Die linke Hand hielt der Baron warnend erhoben, während seine Rechte auf dem Griff seines schweren Dolches zum Liegen kam. Es brauchte keine große Menschenkenntnis um zu wissen, das die Grenze der Ruhe beim Gallsteiner erreicht war. Yendor drehte sich zu der Kadi hin, verneigte sich. Die Miene des Barons nun wieder kalt wie Marmor.

"Ihr seid die Kadi. Euer Wort ist Recht. Zum Mörder wider das Reichsrecht von Euch verurteilt. Das Reich hat seinen Kettenhund geprügelt, so wie es sich für eine blutrünstige Bestie gehört. Ihr braucht Euch nicht vor mir zu fürchten. Denn irgendwo in mir bin ich trotz allem noch Mensch geblieben, auch wenn es jetzt feststeht: Blutsäufer im Dienste des Reiches. Recht gesprochen von Euch. Mein Gruß an Euch, Kadi." Das letzte Wort spuckte er förmlich aus, dann drehte er sich um und machte sich auf das Anwesen zu verlassen.

Hinaus in den Hof; gelangte Yendor, getrieben von seinem unbändigen Zorn, der ihm die Kehle förmlich zudrückte. Einer der Bediensteten trat vor, hielt dem Gallsteiner einen Strick hin. Erstaunt erkannte dieser zehn von insgesamt zwanzig Rösser, aus dem besten Blute dort stehend. "Von meinem Herrn, für Euch, Herr." Verkündete stolz der Diener, der mit diesem Strick auch gleich die Zügel hielt.

Yendor starrte auf die Pferde, dann auf den Knecht, der unter diesem Blick angstvoll einen Schritt zurück machte, den Strick, der zu dem Zaumzeug von jedem der zehn Pferde führte, wie zum Schutze vor sich haltend. Der Baron baute sich vor den Rössern auf, besah sie sich kurz und dann spuckte er dem Knecht vor die Füße.

"Von mir für Deinen Herrn." Mit diesen Worten wandte er sich ab, packte wutentbrannt die Zügel seines Pferdes, setzte seinen Fuß in den Steigbügel, als er die Gestalt von Simold erkannte.

Wie ein Streiter aus den alten tulamidischen Märchen sah er aus, wie er da zwischen dem gewaltigen Torbogen stand, dessen zahlreiche Fresken im Schein des Himmelsfeuers zu einem bedrohlichen Leben zu erwachen schienen. Langsam hob der Baron von Haselhain seine Waffe. Ein Krummsäbel, auf dessen Schneide Verzierungen zu erkennen waren, die von einem schrecklichen Tode kündeten für alle Feinde, die den Träger dieses Stahls heraus zu fordern wagten.

“In Ordnung Yändor. Du kannst Hassal´han Ammayin heutä noch verlassän, aber nur als mein Fayndt undt wänn Du an mir vorübär kommst. Bleibst Du diesä Nacht, wirst Du mier die Freunschaft haltän.”

Finster die Worte und dunkel die Stimme, welche sie verkündete. Eine Herausforderung!

Der Gallsteiner hörte die Worte und nahm den Fuß aus dem Steigbügel. Langsam, bedächtig zog er sein Schwert aus der Befestigung am Sattel.

Es brauchte keine weitere Geste um zu verstehen, das er die Herausforderung annahm. Schweigen legte sich über den Hof, selbst die Pferde wollten scheinbar nicht mehr atmen.

Was für ein Gegensatz! Leicht gewandet der Baron von Haselhain, bewaffnet mit einem Krummsäbel. Mit einem Kettenmantel angetan und einem Schwert in der Hand bewegte sich dagegen schwer Gerüstet der Baron von Gallstein auf seinen Gegner zu. Garetier gegen Garetier und doch trennten sie Welten.

Kein Wort sprach der Gallsteiner, sondern führte seinen ersten Hieb. Ein Schlag, gezielt auf den Schlagarm von Simold, doch dieser machte einen Schritt zur Seite, ließ seine Waffe die Kraft des geführten Angriffes aufnehmen und trug nun mit großem Schwung seinen Gegenangriff vor.

Funken sprühten auf, als hell kreischend wieder Stahl auf Stahl traf. Tobrische Schmiedekunst, gegen die Meisterschaft der Tulamiden Schmiede. Auf die Parade folgte der Angriff des Gallsteiners, doch zeigte sich das der Nebachote den Mangel an Rüstung durch Schnelligkeit ausglich. Wo das Schwert des Gallsteiners hinzog, war kein Ziel aus Fleisch und Blut mehr vorhanden. Eine Kerbe zog er tief in das Holz des Tores. Schweres Zedernholz aus dem Raschtulswall und trotzdem nicht gegen diese Wut gefeit.

Schlag auf Schlag wurde geführt und dann traf der Baron von Haselhain. Die Antwort ließ nicht auf sich warten, doch musste man hier sagen, das die Kraft der Schläge den Vorteil der Rüstung ebenfalls wett machten. Schnell war der Haselhainer, zu schnell? Ein weiterer Hieb des Gallsteiners, noch rechtzeitig brachte Simold seinen Kopf aus der Schlagrichtung und so spritzen neben seinem Ohr scharfe Steinsplitter weg, als die Klinge mit unglaublicher Wucht auf den Stein traf. Das Geräusch, welches entstand, klang wie das Aufheulen gequälter Seelen, die ihre Marter in der Seelenmühle erleiden mussten.

Die heraneilenden Wachen wollten schon eingreifen, doch brachte sie ein kurzer Befehl des in der Tür stehenden Eslams von ihrem Vorhaben ab. Diesen Kampf mußten die beiden Barone alleine ausfechten und daß wußte der Brendiltaler der mit einem aus Stein gemeiseltem Gesicht dem Kampf folgte.

Gerade wollte der Gallsteiner sich aus der ungünstigen Position bringen, als Simold die Chance wahrnahm und das Loch in der Deckung seines Gegners ausnutzte. Schnell wie eine Schlange, stark wie der Tritt eines Ochsen, so zuckte seine Klinge vor und der Gallsteiner musste den Hieb schlucken. Er taumelte, schüttelte kurz seinen Körper und griff an!

Längst waren beide Streiter durch den dicht fallenden Regen bis auf die letzte Faser am Leibe durchnäßt. Donnergrollen kündete an, das die Stumherrin noch nicht ihre Fahrt über den Himmel beenden wollte.

Ein Blitz zeigte den furchtsamen Augen des Pferdeknechtes deutlich, wie das Schwert des Schlächters von Mühlingen einen Schnitt am Oberschenkel seines Herrn verursachte. Doch dies trieb Simold wohl nur an. Er wollte den Kampf schnell beenden, täuschte einen Hieb auf das rechte Bein des Gallsteiners an, dieser zog seine Klinge nach unten, nahm erst im letzten Moment die Kehre des Krummsäbels wahr, doch es war zu spät um zu reagiern. Zu nah war er, zu schnell der Wechsel von Hiebart und Stand, den Simold ausführte. Vorteil eines Kämpfers ohne Rüstung. Waren die Ringe des Kettenmantels schon angebrochen durch die vorangegangenen Schläge? Was es auch war, die Spitze des Krummsäbels ließ die Kettenglieder sich auseinander biegen, bis sie zerrissen. Tief drang die Klinge in den Leib des Gallsteiners ein. Einen Augenblick in der Zeit hielten beide Streiter inne. Unglauben lag auf den Zügen von Yendor.

Blut drang über seine Lippen, sein Schwert zitterte...

Ein Schrei, unmenschlich, hasserfüllt, brach sich Bahn aus dem Leib des Gallsteiners. Blut regnete in feinem Nebel von seinen Lippen. Ein Schritt zur Seite, die Klinge des Nebachoten zog er damit aus seinem Körper, Zoll für Zoll. In seinen Augen leuchtete nun Haß. Keine Gande mehr. Kampf bis zum Ende!

Ein Hieb traf den Haselhainer, warf diesen nun zurück. Regen vermischte sich mit Blut und Schweiß. Simold atmete schwer, während Yendor durch die Wunde in einen Rausch gefallen zu sein schien. Angriff folgte der Parade. Steinstaub und Matsch zeichneten die Schläge, die ihr Ziel nicht erreichten. Kerben in Holz und tiefe Furchen im Stein kündeten von der gewaltigen Wucht. Dies hier war kein Turnierkampf. Dies war ein Kampf auf Leben und Tod!

Ein weiterer Treffer ließ Simold nun erschauern. Die Kräfte des Haselhainers schwanden zusehends, doch er führte seine Angriffe mit einem Mute aus, der fast an Wahnsinn zu grenzen drohte. Ein jeder wollte die Entscheidung. Wieder machte Simold einen Ausfall, ließ seinen Krummsäbel schnell hernieder sausen, doch sein Gegenüber wehrte nicht ab, ließ den Schlag in die Leere gleiten und zog mit seiner Waffe durch, während er durch den Schritt nach vorne noch zusätzlichen Schwung holte.

Simold sah den Schlag, drehte sich auch fast aus diesem heraus, doch am Ende reichte es nicht. Blut regnete auf den Boden, zeichnete, fallend vom Schwerte des Gallsteiners, seine Spur in die Luft. Zu viel Blut ...

Der Baron von Haselhain presste seine Hand auf die Wunde am Bauch, doch konnte dies das Blut nicht zurück halten, welches mit großem Druck heraus drängte. Leben rann pulsiernd in den Schlamm zu seinen Füßen. Ein Versuch seine Waffe zu erheben, doch die Kraft fehlte. Fehlte um auf den Beinen zu bleiben. Langsam sank er auf die Knie ...

Yendor trat vor. Sein Schwert erhoben, weit hinter seinen Kopf den Schwung holend für den letzten Hieb. Niederstrecken würde er Simold, würde dessen Haupt vom Rumpf trennen!

Eslam zog die Luft tief ein.

"NEIIIINNNNN!" Gellend hallte der Schrei wider von den Wänden. Ein Blitz erhellte die Szene, so viele Dinge beleuchtete er ...

Die Wachen, die auf der Mauer standen. Ihre Bögen gespannt, die Pfeile angelegt auf den Feind ihres Herrn. Bereit ihn zu richten, doch hielt Eslam sie immer noch zurück.

Simold, der kniend seinen Tod erwartete, den Blick jedoch nicht auf den Gallsteiner gerichtet, sondern auf die Gestalt der Kadi, die aus dem Haus getreten war. Das Greinen eines Kindes drang durch den Regen. Ein Kind, geborgen in den Armen der Kadi. Die Kadi stand dort, an den Stufen, die zum Hofe führten. Die rechte Hand ausgestreckt, mit der Linken ihr Kind an sich drückend. Der Regen ließ ihre Haare glänzen, die, schwarzen Flüssen gleich, hinab an ihren Hals rannen. Spuren der Nacht legend auf die weisse Haut, bis sie sich ergossen auf den wogenden Busen. In ihren Augen, welche sonst den Stolz eines alten Volkes trugen, zeigten sich Wut, Unverständnis, Angst und Verzweiflung.

Yendor hielt das Schwert noch immer erhoben, seine Augen folgten dem Blick Simolds, auch er sah die Kadi, sah das Kind. All die Verzweiflung dieser Frau, deren Bruder er hier töten wollte. Den Bruder, der ihr Schutz bot. Familie ...

Und dort auf den Stufen stand Rhiannon und hielt Alena in ihrem Arm ... Seine Frau, sein Kind ... Familie ...

Blutgeschmack breite sich in seinem Gaumen aus, doch die Übelkeit die er nun verspürte kam aus einem anderen Grunde. Seine Hände öffneten sich, entließen den Stahl aus festem Griff. Schwer ging auch er in die Knie, nahm Simolds Gesicht in seine Hände, betrachtete fassungslos sein Werk. "Simold ... Du Narr ... Du wahnsinniger Narr ... "

Simold blickte ihn an, ein schmerzverzerrtes Lächeln auf seinen Lippen. Keuchend drangen schwach seine Worte durch den Regen zum Gallsteiner.

“Yändor, begleitä Ariana auf den Reichskongräß! Ich fierchtä isch wärdä nischt mitreitän kännän.” So sank er nach vorne, bis seine Stirne, die von Yendor berührte. Kalt war die Haut des Haselhainers, bleich sein Antlitz. Nur sein Wille hielt ihn noch.

Yendor ließ seine Hände sinken, packte Simold und barg ihn in seinen Armen. Schmerzen verschleierten den Blick des Barons, als er seinen Freund erhob und zu den Stufen trug. Wachen eilten herbei, nahmen die Last ab. Keinen Atemzug zu spät, denn diese Belastung hatte die schwere Verletzung des Gallsteiners stark gereizt. Blut floß in einem steten Strom aus der Wunde und ein schwerer Husten ließ ihn zusammenzucken. Ein wenig verwundert betrachtete er seine Hand. Überall Blut. Wieder hustete er, wieder trat ein Schwall Blutes über seine Lippen und nun brach auch er ebenfalls zusammen, wurde jedoch rechtzeitig von seinem Freund Eslam aufgefangen. Schmerz des Körpers und der Seele ließen ihn verlieren. Am Ende war er doch nur Mensch.

"Rhiannon. Was habe ich getan?" Mit diesen Worten sank er hinab in die Schatten ...