Geschichten:Der Ruf des Südens - Aufbruch

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Pelkhafen, Lande der Reichsstadt Perricum, Hesinde 1042 BF:

Er nickte ergeben den drei Herrschaften zu und verließ eilig die schwarze Kutsche, die soeben am Rande des geschäftigen Hafens von Pelkhafen angekommen war. Seit dem der einst beschauliche Ort von der Reichsstadt in Besitz genommen wurde, wimmelte es hier nur so von städtischen Beamten, Händlern, sowie Bau- und Hafenarbeitern. Pelkhafen war aus seinem Schlummer erwacht. Das neu erbaute, steinerne Wachkastell mit dem Banner der Reichsstadt war ein untrügliches Symbol dafür wer hier uneingeschränkt das Sagen hatte: Die Reichsstadt Perricum. Personifiziert wurde diese Macht durch den Ratsgesandten Retodan Barûn-Bari.

Der Ort selbst bestach vor allem durch seine kleinen, an der Küste aufsteigend angeordneten Häuser rings um den Hafen, die allesamt weiß gekalkt waren, jedoch mit Fensterläden und Türen in den buntesten Farben wetteiferten. Auf den flachen Dächern der Häuser spielte sich abends das Leben der Dorfbewohner ab.

Gemächlich schlenderte er zu Hafen, wo eine Reihe Karavellen Perricumer Bauart hintereinander festgetaut waren und gerade mit Kisten und Säcken beladen wurden. Die Namen der vordersten Schiffe waren 'Eorcaïdos', 'Paradisvogel' und 'Raubvogel'. Die Namen der anderen Schiffe konnte er nicht lesen. Schnurstracks ging er auf eine Gruppe Frauen zu. Laut den von ihm im Vorfeld zu studierenden Dossiers müssten das die drei Kapitänen der genannten Schiffe sein: Ranari Siebenwind, Ada Munter und Perisha von Palmyr-Donas. Die ersten beiden waren in Kauffahrerinnen und Händlerinnen, Perisha hingegen war Kapitänin der kaiserlichen Perlenmeerflotte und sogar weitläufig mit ihm verwandt. Ein sichereres Zeichen, wie wichtig dieses Unterfangen schien.

"Werte Damen, ich melde mich zum Dienst!" Mit einem eher unglücklich rüber kommenden militärischen Gruß versuchte der junge Mann sein Erscheinen anzukündigen - war eher nicht so gut ankam.

Pherisha zog wenig gerührt eine Augenbraue hoch, während ihn Ranari nur entgeistert ansah. Es war an Ada, das Wort an den Neuankömmling zu richten.

"Sie einer an, welch Leichtmatrose wird denn hier vors Bug geschwemmt?" Ihr hämisches Grinsen ließ mehrere Goldzähne aufblitzen.

"Mein Name ist Ramirion Hal von Palmyr-Donas, ich wurde geschickt von ... ." Weiter kam er nicht.

"Jaja Bürschchen, wir wissen Bescheid!" Mit einer abfälligen Handbewegung dreht sich Ada von dem jungen Mann ab.

"Ihr habt die 'Ehre' mit mir auf der 'Eorcaïdos' mitzusegeln." Die scharfe Stimme Ranaris durchschnitt gar die salzige Brise des Golfs von Perricum. "Sucht Euch schon mal eine Ecke zum Kotzen, denn dort werdet ihr die nächsten Wochen verweilen."

Ramirion nickte knapp und begab sich auf das ihm zugewiesene Schiff. Wenn alle so waren wie die drei Kapitänsschnepfen würde diese Fahrt ein Niederhöllenritt werden.

So begab er sich auf das Oberdeck um die Lage zu sondieren. Wie Ameisen trugen schuftende Hafenarbeiter Kiste um Kiste, Sack um Sack auf die Schiffe. Was deren Inhalt war, wusste er nur zu gut: Es waren beste Perricumer Waffen und Rüstungen aus den Waffenschmieden der Reichsstadt, sowie Unmengen von Korn. Beides war für die mittelreichische Entklave Hôt-Alem bestimmt, wobei, ganz richtig war das nicht. Er wusste, die Waren sollten dort ans Imperium weiterverkauft werden. Ein nicht unheikles Unterfangen, waren die Ernten in Perricum dieses Jahr doch denkbar schlecht ausgefallen. Aber die großzügigen Kornlieferungen aus Aranien, die in der 'Einigung von Morganabad' in Aussicht gestellt wurden, machten dieses Geschäft dennoch möglich. Es galt abzuwägen, wollte man die herrschaftliche Oberschicht mit erlesenen Waren aus Al'Anfa und Uthuria beglücken, oder die Mäuler des Pöbels stopfen? Für die Auftraggeber dieser Unternehmung schien die Antwort eindeutig.

Aufmerksam ließ Ramirion seinen Blick über die Szenerie schweifen. An Bord eines der anderen Schiffe glaubte er weitere Personen seiner Dossiers erkannt zu haben. Der adrett gekleidete Mann mittleren Alters mit seinen schulterlangen, dunkelbraunen Locken musste Orelian Barûn-Bari sein, der als ausgebufftes Schlitzohr und notorischer Schwerenöter galt – aber eben auch als meisterlicher Seefahrer und Händler. An seiner Seite seine Gemahlin Neride Feqzaïl, ebenfalls eine wagemutige Händlerin und Kauffahrerin. Beide galten als federführend für diese Unternehmung und hatten, zumindest was die Handelsabschlüsse anging, das letzte Wort. Ob es ihm wohl missfiel, dass sie ihn auf diese Überfahrt begleitete? Darüber könnte Ramirion nur spekulieren. An der Seite ihrer Eltern stand die mädchenhaft wirkende Eshila. Doch sollte man sich über ihr harmloses Äußere nicht täuschen lassen, denn sie galt trotz ihrer jungen Jahre als verbissene Verhandlungspartnerin und wahres Zahlengenie. Sie wurde als Leiterin des neu zu gründenden Kontors in Hôt-Alem gehandelt.

Auffallend war, wer noch nicht zu erspähen war: Sibella Eorcaïdos von Aimar-Gor. Diese sollte das diplomatische Chor anführen, zu dem auch Ramirion gehörte.

Am Bug der 'Eorcaïdos' stach ein junger Mann, in den Farben und Symbolen der Hesinde-Kirche gefüllt, in Ramirions Augen. Dieser lehnte an einem der Mäste und zeichnete die trutzige Bastion von Pelkhafen in der Abendsonne.

"Ah, noch ein Leichtmatrose nehme ich an?"

"Hm, wie es scheint." Der junge Geweihte ließ sich von dem ihm aufgezwungenen Gespräch nicht aus der Ruhe bringen und zeichnete weiter.

"Ihr seid Bastan Hesindion Munter, richtig, der Nachfahre des großen Bastan Munter. Aber das hört Ihr wahrscheinlich oft." Ramirion lächelte etwas gequält. "War Euer Empfangskomitee genau so herzerwärmend wie das meine?"

"Sie haben mich ignoriert. Aber das ist nicht schlimm. Ich habe gerne meine Ruhe!"

"Ah ich verstehe." Der Wink mit der Schiffsplanke war überdeutlich, aber Ramirion ließ sich nicht beirren. "Ihr sollt also auf der Reise das tun was Ihr am besten könnt, zeichnen und kartographieren, nehme ich an. Freut Ihr Euch schon auf Hôt-Alem?"

"Ich werde mit einigen anderen auf Souram an Land gehen"

"Oh, mir war nicht bewusst, dass wir einen Landgang auf Souram geplant hatten. Was ist dort Eure Aufgabe? Die wilde Flora und Fauna zu zeichnen?"

"Das kann ich Euch nicht sagen!"

"Oh, ein Geheimauftrag, wie spannend." Scheinbar hatte hier jeder einen solchen wie Ramirion empfand. Ein junger Mann weckte unterdessen sein Interesse. Dieser war im vollkommen unbekannt, auch konnte er ihm keinen der bekannten Dossiers zuordnen. "Sagt, wer ist dieser Mann?"

"Das? Das ist Tamin von Cardebas. Er ist als Strohmann für die Korneinkäufe verantwortlich gewesen. Was sonst sein Aufgabenbereich ist, weiß ich nicht. Er dient sonst am Hof des Markgrafen."

"Gut, dann werde ich Euch mal wieder Euren Zeichnungen überlassen." Nickend verabschiedete er sich von dem wenig gesprächsoffenen Hesinde-Geweihten und so langsam dämmerte ihm, auf was er sich bei dieser Unternehmung eingelassen hatte.

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Aus der Ferne betrachteten drei Herrschaften die Szenerie und wirkten sehr zufrieden.

"Auf zum reisenden Kaiserhof nach Barbenwehr, die Kaiserin dürstet es, die 'Einigung von Morganabad' zu zelebrieren und wartet bekanntlich nicht gerne, meine Lieben!" Die tiefe Stimme des Mannes ließ Vorfreude durchklingen.

"Sie wird sich sehr generös zeigen. Da bin ich mir sicher", pflichtetet eine Frauenstimme bei.

"Sie hatte fähige Berater – zumindest dieses Mal", merkte eine zweite männliche Stimme trocken an.



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Texte der Hauptreihe:
Hes 1042 BF
Aufbruch
Anteilnahme


Kapitel 4

Rückkehr
Autor: Bega