Geschichten:Der Ritt in den Reichsgau Teil 11

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Teil XI

Mit lautem Krachen zerbarst der irdene Pokal an der soliden Wand. Der schwere Rotwein rann langsam an der groben Mauer herab und bahnte sich seinen Weg durch jede noch so kleine Fuge oder Ritze.

Wütend sprang Bernhelm von Wetterfels auf und funkelte den Boten böse an. Der deutlich kleinere Mann rappelte sich gerade wieder auf stand mit eingezogenem Genick einige Schritte entfernt während er sich ängstlich an sein dunkelblaues Barett klammerte.

„Wie kannst er es wagen?“ polterte die tiefe, Ehrfurcht gebietende Stimme des Grafen.

„Verzeiht, aber...“

„Ich habe dir armseligen Kreatur nicht erlaubt zu sprechen! Und ich habe dir auch nicht erlaubt sich zu ducken!“

Der Pfalzgraf war über den Umstand, dass der freche Bote dem Pokal ausgewichen war beinahe noch erzürnter, als über die unheilschwangeren Neuigkeiten selbst.

„Schere er sich fort, sonst werde ich dich mit meinen eigenen Händen am Kragen packen und aus dem Fenster werfen!“

„Ja, mein Herr, verzeiht mein Herr!“ Sich mehrfach tief verbeugend wich der Bote immer schneller zurück und verließ schließlich die Empfangshalle des Hausherren.

Die Wachen am Eingang musterten das fliehende Häufchen Elend mit zunehmendem Amüsement; zu gut kannten sie die nur schwer zu zähmende Wut ihres Gebieters.

„Bring mir neuen Wein!“ schnauzte Bernhelm einen der jungen Pagen an. Der vielleicht dreizehn Sommer alte Knabe verbeugte sich formvollended und verschwand.

Leise Schritte näherten sich und eine Hand legte sich auf die Schulter des Grafen. „So beruhigt Euch doch, nobler Herr.“

Der Graf fuhr herum und blickte in das schmale längliche Gesicht seines langjährigen Beraters, des Junkers von der Firunshöh. Die hellblauen Augen des Edlen blitzten lebhaft und seine dürren Finger zogen sich langsam zurück. Er trug einen in gelb und blau geteilten Rock mit dem wetterfelser Wappen und einen breiten Dolch am Gürtel.

Bernhelm fuhr sich geistesabwesend durch den dichten dunklen Bart und schritt zu seinem breiten, gepolsterten Sessel zurück, auf dem er für gewöhnlich Gäste empfing. „Wie soll ich mich da beruhigen, Radulf? Das kann doch nicht wahr sein!“

Seufzend sackte der schwergewichtige, breitschultrige Mann auf den Stuhl zurück. „Wie weit ist es bloß gekommen, Radulf?“

Einen Moment lang grübelte der Graf, dann fragte er mit fester Stimme: „Sag, wer bin ich?“

Deutlich von dieser Frage irritiert, schwieg der Junker zunächst und überlegte. Man konnte den Grafen mit nur einer unbedachten Bemerkung bis aufs Blut reizen, was sehr fatale Folgen haben konnte. Natürlich war sich Bernhelm von Wetterfels des Reichsfriedens bewusst, aber wenn der Zorn ihn packte, hatte schon der eine oder andere unvorsichtige Mann herausgefunden, wie schnell dem Grafen eben dieses Gesetz gleichgültig wurde. Bernhelm war ein berüchtigter Kämpfer, der mit Axt und Schwert umzugehen verstand, was er gegen die Oger und damals im Bürgerkrieg gegen die Answinisten auch mehrfach unter Beweis gestellt hatte.

Radulf entschloss sich zu einer Antwort mit der er vorläufig nichts falsch machen konnte. „Nun, mein Herr, Ihr seid der Pfalzgraf von Reichsgau.“

„Richtig.“ Bernhelm entriss dem Pagen den neuen Weinpokal und trank gierig einige Schlucke. Sein Blick starrte ausdruckslos in die große Halle. Ein wärmendes Feuer prasselte im Kamin, über dem ein großes, mittlerweile leicht angegilbtes Banner hing, welches das Hauswappen derer von Wetterfels zeigte.

„Und diese armseligen Kerle sind allesamt nichts weiter als Pferdemist, mein Herr.“

„Auch richtig. Und seit wann, mein lieber Radulf, sag mir, seit wann befasst sich ein Pfalzgraf mit Pferdemist?“

Radulf von Firunshöh lächelte listig. „Nun mein nobler Gebieter, vor einigen Monden ersuchtet Ihr Mitgliedschaft bei diesem Pferdemist, wenn ich Euch erinnern darf.“

Bernhelm wollte schon wieder aufbrausen und fluchte lauthals. „Orkmist! Jetzt quäle mich doch nicht mit solchen Kleinigkeiten, Radulf! Nur weil diese Emporkömmlinge sich zu fein waren, uns in ihre Reihen aufzunehmen, wofür wir im Nachhinein auch dankbar sein sollten, sollen wir nunmehr versucht haben, sie umbringen zu lassen? Die sind doch den Bolzen gar nicht wert!“

„Nun mein Herr, dennoch sind sowohl einige Pfortenritter als auch die gesamten Pulethaner erzürnt. Auch wenn die Pfortenritter noch zögern, so habe ich gehört die Pulethaner sind sich sicher, dass Ihr die Schuld an diesem unseligen Zwischenfall in Greifenhorst tragt.“

„Alles Lügen! Namenlose, bittere, giftige Lügen! Ich weiß noch nicht einmal genau wo dieses Breitenhof überhaupt liegt! Wer setzt diesen Unfug eigentlich in die Welt?“

Radulf straffte sich. „Es sind Gerüchte mein Herr. Sie verbreiten sich von selbst. Stellt Euch vor, diese Lügen dringen bis nach Gareth ... ein erheblicher Skandal wäre die Folge.“

„Ich bin kein Narr, Radulf, und ein hilfloses Kind schon gar nicht. Man wird auf dieses Gewäsch nichts geben. Ich bin immerhin Pfalzgraf auf Geheiß des Reiches und des Reichsbehüters Brin von Gareth und nicht irgend ein daher gelaufener armer Wicht! Dennoch wird unser Ruf erheblich leiden. Wir müssen uns etwas einfallen lassen, denn diese Schmähungen sind einfach unerträglich! Die Pfortenritter, die sich in ihrer selbstgefälligen Eitelkeit baden sind kaum einen Deut besser, als die Pulethaner, die in ihrer Brutalität und vermeintlichen falschen Rechtschaffenheit schwelgen. Wir werden sie allesamt noch Respekt lehren!“

Verächtlich spie der Graf auf das am Boden liegenden Schriftstück, welches er ebenfalls nach dem Boten geworfen hatte.

„Recht habt Ihr, mein Gebieter. Euch wird sicherlich bald eine passende Antwort einfallen.“

Der Graf nickt behäbig.

„Und jetzt steht zu befürchten, dass diese dreisten Schurken auch noch hier her kommen... aber das werden sie noch bereuen.“

Bernhelm neigte sein Haupt langsam an das Gesicht seines Beraters. „Wir müssen uns beeilen, denn die Zeit drängt. Ich habe da noch ein paar alte Freunde, die jetzt hilfreich sein könnten. Schicke sofort einen Boten aus! Als Vorsichtsmaßnahem sollten wir folgendes in Betracht ziehen...“