Geschichten:Der Kanzleistuben Humor

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Folgender Bericht wurde dem »Hause Yaquirblick« von einem unerkannt bleiben wollenden Kanzleirat aus der Allgemeinen Reichskanzlei, d.h. dem Hause des in Almada vielgeliebten und hochgeschätzten Reichserzkanzlers Hartuwal Gorwin vom Großen Fluß, überbracht. Er nimmt Stellung zu dem im Yaquirblick No. 6 veröffentlichten Articel Fällt bald ganz Caldaia an Garetien?

»Der Prinz der Nordmarken war heute besonders gut gelaunt, was mir merkwürdig erschien, da wir den ganzen Tag auf der staubigen Reichsstraße von Gareth nach Ferdok geritten waren und nun in einem drittklassigen Gasthaus in Luring ein frühes Abendessen nahmen. Wie stets gingen wir mir dem Kanzler die Acta des Tages durch, bevor das Essen serviert wurde, doch selbst auf die financiellen Schwierigkeiten der nördlichen Grafschaften reagierte er nicht wie sonst mit beißenden Bemerkungen in Richtung alle jener, die ihn umgaben, sondern zügelte seinen Ärger und seine Spottlust. In den Blicken der anderen Schreiber suchte und fand ich das gleiche Unverständis, das sich steigerte, je länger sich der Kanzler schmunzelnd durch die krakeligen Zeilen des Kanzleirates Jörbard arbeitete. Er ging sogar soweit, verholen zu kichern, wenn er ein Pergament vom ›Zu erledigen‹ auf den ›Erledigt‹-Stapel legte, so daß ihn Herr Narbosios endlich frug:

›Excellenz ... ähem ... ist Euch nicht wohl heute?‹ 

›Papperlapap, Narbosios! Es geht mir ausgezeichnet, und ich bin entzückt über das Gekrakel des alten Uhus Jörbard!‹ Sprach’s und wühlte sich weiter durch die Schriftstücke. Zwar kicherte er nicht mehr, aber es war ein rötlicher Glanz auf seinen Wangen und ein lustiges Zittern in den Schnurrbartenden ... Das Essen brachte uns Erholung, verwendete doch der Kanzler nun seine Konzentration auf den Eintopf und die Suche nach den verlangten Speckstückchen, so daß Herr Narbosios das Gespräch behutsam auf den heutigen Morgen brachte, an dem der almadanische Kanzler so aufgebracht die Alte Residenz verlassen hatte. Offenbar wollte der alte Fuchs endlich wissen, was Rafik von Taladur und Prinz Hartuwal besprochen hatten, weshalb Herr Narbosios nun vorsichtig anhub:

›Ach, äh, Excellenz, hmf, wegen heute frühe, hätte ich ... sollte ich noch etwa eine Urkunde siegeln, äh, ich meine als Ergebnis des Gespräches mit Herr Rafik von Ta...‹

Schallendes Gelächter unterbrach den würdigen Herrn Narbosios, das donnernd wie eine galoppierende Kavalkade Ferdoker Reiterinnen aus des Kanzlers Schlund tönte, laut und anhaltend. Während Herr Narbosios an sich herunter sah, um zu ergründen, ob etwa an ihm etwas hafte, daß des Kanzlers Anfall von Humor erregt habe, lachte eben dieser weiter und weiter, hielt sich gar prustend an der Tischplatte fest und konnte sich erst mit einem Gläschen Wein und viel Luft wieder beruhigen. Puterrot und noch immer nicht ganz ernst erklärte er sich:

›Herr Rafik von Taladur! Ja, dem könnt Ihr eine Urkunde machen! Macht ihm eine dafür, daß ich in meinem Leben noch nicht ein so dämliches Gesicht gesehen habe wie das seine heute früh!‹ — Lachen, Pause, unruhige Blicke unsererseits. — ›Wißt Ihr, Herr Narbosios‹, fuhr Prinz Hartuwal weiter fort, ›das hättet Ihr sehen sollen! Kam doch der edle Herr Rafik auf meine Bitte heute in die Residenz, das Gesicht säuberlich gepudert wie meine Gattin zum Hofbanquete, und erkundigte sich ganz freundlich, ob es etwa um die Selaque-Affaire ginge. Stattdessen aber legte ich ihm – sicherlich gemein, immerhin ist er ein Camerad aus alten Tagen – eine Brief von einem almadanischen Popanz bezüglich einer neu zu gründenden Grafschaft Caldaia vor. Und als er richtig erregt war über diesen Wolfskopf, habe ich ihm ganz sachlich erklärt, wie famos ich die Idee fände, habe ihm rational dargelegt, wie genialiter der Vorschlag sei und schließlich – ganz ernst – behauptet, daß dieses Caldaia dann am besten – was für ein Spaß! – nach Garetien zu schlagen sei!‹ 

›Nach Garetien?‹ 

›Ganz recht! Und nie wieder werde ich ein herrlicheres Gesicht sehen können, als das abwechselnd bleiche und purpurfarbene des Herrn Rafik von Taladur. Denn – hehe – er hat’s mir abgenommen!‹ Aus reiner Höflichkeit lachten wir nun alle mit dem Kanzler, der offenbar glaubt, die eigenen Witze seien immer noch die besten, bis wir dann wieder ernster an die Arbeit gingen, wobei der Kanzler denoch mitunter vergnügt gluckste.

Wie dem auch sei, ich dachte, den Herren vom ›Yaquirblick‹ könnte diese Information nützen, weshalb ich sie hier aus dem Gedächtnis niedergeschrieben habe. Die Gegenleistung in Silberlingen wünsche ich folgendermaßen ...«