Geschichten:Der Götter Werk und Yolandes Beitrag – Märchenstunde (Dritter Teil)

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Schloss Dryadenstein, Peraine 1042

„Aber was soll nur aus dem Mädchen werden?“, kehrte die Raukenfelserin zurück zum Thema.

„Aus welchem Mädchen?“, gluckste die Edle in Gedanken.

„Aus meiner Tochter“, rief Yolande ihr ins Gedächtnis.

„Ah“, machte Helidora da nur und tippte sich gegen die Stirn, „Stimmt, das Mädchen. Was ist denn mit ihr?“

„Dort wo sie ist...“, die Raukenfelserin atmete schwer, „... dort ist es so...“

„... provinziell?“, half die Edle schockiert aus.

„Provinziell?“, griff Yolande auf, obgleich sie dieses Wort hasste, „Provinziell ist kein Ausdruck, Helidora. Und was soll denn aus ihr werden, wenn sie sich nicht bei Hofe zu benehmen weiß?“

Nun seufzte Helidora: „Ja, ich verstehe Euch, Yolande. Ich verstehe Euch wirklich. Ich meine, wo wäre ich heute, wenn ich das Benehmen bei Hofe nicht gelernt hätte? Vermutlich in irgendeiner Gosse in Gareth, wo ich meinen Körper verkaufen würde...“

Das hielt Yolande freilich für eine maßlose Übertreibung, dennoch nickte sie ergeben.

„Ich würde ihr ja selbst alles beibringen, aber ich... ich darf sie nicht sehen...“

„Barbaren!“, entfuhr es der Edlen mit gespielter Fassungslosigkeit, „Einer Mutter den Kontakt zu ihrer eigenen Tochter zu verwehren!“

„Sie weiß auch nicht, dass ich ihre Mutter bin...“

„Und... und ihren Vater... ?“

„Kennt sie auch nicht...“

„Bei den Göttern!“, entfuhr es ihr, „Das arme Ding...“

„Und wenn sie jetzt keine vernünftige Ausbildung erhält, was soll denn dann aus ihr werden?“

„Ach, Yolande, liebste, geschätzte Yolande, bringt das Mädchen doch einfach zu mir“, schlug sie nun endlich großmütig vor.

„Das... das... das würdet Ihr für mich tun, Helidora?“

„Um meinem Bruder eins auszuwischen würde ich alles tun, Yolande. Wirklich alles“, sie nickte energisch, „Und in höfischen Dingen macht mir niemand so leicht was vor.“

„Aber Ihr seid doch so viel beschäftigt, Helidora“, wandte sich die Raukenfelserin nun, „Ich kann das doch wirklich nicht von Euch erwarten...“

„Lasst das mal meine Sorge sein, Yolande“, sie tätschelte die Hand ihrer Gegenüber sanft, „Ganz allein meine Sorge.“

„Vielleicht könnte ich sie ein oder zwei Tage die Woche zu Euch schicken?“

Helidora nickte.

„Um ihr höfisches Benehmen beizubringen?“

Wieder nickte Helidora.

„Und ein paar Übungen am Schwert könnten ihr gewiss auch nicht schaden, was meint Ihr?“

„Gewiss nicht!“, stimmte die Edle zu.

„Noch eines“, gestand Yolande, „Den nächsten Götterlauf muss noch Stillschweigen herrschen...“

„Ah!“, machte Helidora, „Wegen ihres Vaters, ja?“

Die Raukenfelserin nickte: „So ist es. Die Abmachung endet, wenn sie ihre Knappschaft antritt. So lange müsst auch Ihr schweigen, Helidora. Keiner darf die Wahrheit erfahren. Nicht einmal das Mädchen selbst. Niemand. Genaugenommen eigentlich auch nicht Ihr. Bitte.“

„Wie sagt man doch: Rache wird am besten kalt serviert, nicht wahr?“

„Wie ich Euch kenne, werdet Ihr einen perfiden Plan aushecken?“

„Oh ja!“, erwiderte die Edle und nahm einen Schluck Wein, „Darauf könnt Ihr Euch verlassen. Bei den Göttern!“