Geschichten:Das Verbot der Nandus-Kirche - Alles was bleibt, ist ein Stein

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Ritterherrschaft Falkenhof in der Grafschaft Eslamsgrund. Rahja 1036 BF

Den ganzen Rückweg von der Kaiserstadt Gareth bis ins beschauliche Falkenhof hatte Angrist krampfhaft über die richtigen Worte nachgedacht. Doch gab es für solche Neuigkeiten überhaupt richtige Worte? Dutzende Versionen, wie er seiner Gemahlin die schlechte Kunde darbieten könnte, hatte er sich zurecht gearbeitet, aber im Anschluss wieder verworfen.

Nun, da er im Schlafgemach stand und sich der Kleider der langen Reise entledigte, musste er sich rasch einer formidablen Erklärung widmen. Glücklicherweise gewährte sie ihm unbewusst etwas Zeit, indem sie schon kurz nach der Begrüßung ihre zahlreichen Neuigkeiten zum Besten gab.

„… fände ich eine angemessene Beteiligung.“ Erklärte Roana, während sie ein Gewand fürs Abendessen aus dem Kleiderschrank suchte. „Oder findest du es ist zu wenig?“ Beim letzten Satz drehte sie sich fragend zu Angrist, was ihn verdutzt aus seinen Gedanken riss?

„Hast du mir überhaupt zugehört?“

„Natürlich!“ versuchte Angrist einzulenken. „Ob die Beteiligung genug ist für…ähm.“

Roana rollte genervt mit den Augen und wendete sich wieder ihrer Kleiderwahl zu. „…die Beteiligung an dem Hochzeitsgeschenk ihrer kaiserlichen Majestät!“ beendete sie den Satz. „Der Adel Garetiens plant der Kaiserin eine Pfalz einzurichten. Von Falkenstein wird sich mit Sicherheit an der Bibliothek und dem Hesinde- oder Nadusschrein beteiligen…und ich fände es klug, wenn wir uns aus Eigeninitiative beteiligen, BEVOR er die Steuern erhöht.“ Endlich hatte sie eine passende Gewandung für Angrist gefunden und reichte sie ihm.

Angrist atmete tief ein und begann sich anzukleiden. Große Ausgaben wären, nach seinem Fehltritt in Gareth, ruinös für die Familie.

Auch wenn er diesbezüglich kein Wort verlor, las seine Frau in ihm scheinbar, wie in einem offenen Buch. „Stimmt etwas nicht?“ fragte sie argwöhnisch.

Angrist vermied Blickkontakt, während er sich wieder ankleidete. „Ich glaube nicht, dass er sich für einen Nandusschrein einsetzen wird.“

„Ja, dann halt Hesinde, spielt doch keine Rolle.“ winkte seine Gemahlin gleichgültig ab.

„Die Nanduskirche ist verboten worden vom Adelskonvent.“ Angrist wusste nicht, warum er diese Neuigkeit wie eine Beichte darlegte. Vermutlich weil er selber nicht unschuldig an der Entwicklung war.

Verdutzt starrte Roana ihren Gemahl an. „Das ist doch nicht dein Ernst?!“ Angrist nickte nur bestätigend.

Nachdem sich Roana von dieser schwerwiegenden Neuigkeit gefangen hatte, senkte sie nachdenklich den Blick und ging unruhig in der Kammer auf und ab. „Dann haben es diese Dummbatzen tatsächlich durchgezogen. Als ich diese Einladung gelesen hatte, habe ich es für einen schlechten Scherz gehalten. Wer hat gegen die Kirche gestimmt? Mit Sicherheit dieser Höllenwaller…und war dein Bruder auch vor Ort, um für das Verbot zu stimmen? Wie dem auch sei, immerhin weiß Falkenstein, dass wir auf seiner Seite sind. Wir müssen diesen Vorteil weiter ausbauen, indem wir unsere Frömmigkeit gegenüber Hesindes Lehren stärken.“

Seufzend hörte Angrist seiner Frau zu, während er mit gesenktem Kopf seine Schläfen rieb. Die Situation wurde immer vertrackter. Noch immer war er seiner Frau viele Beichten schuldig. „Wir haben aber keine Frömmigkeit gegenüber Hesindes Lehren.“ warf Angrist leicht genervt ein.

„Was redest du denn da? Natürlich haben wir das. Wir haben doch den Schrein im Dorf errichten lassen.“ hielt Roana die Maskerade aufrecht, als wäre er ein dahergelaufener Fremder.

Angrist seufzte nur schwer darauf.

„Jedenfalls denkt Falkenstein dies, und er soll es ruhig weiter denken.“

„Ich habe gegen die Nanduskirche gestimmt.“

Ungläubig dreinschauend hielt Roana inne. Scheinbar zerfiel ihr mühsam aufgebautes Konstrukt innerhalb weniger Augenblicke. „Du hast was?“

„Ich habe gegen die Nanduskirche gestimmt. Sie hat die Leute gegen den Adel aufgewiegelt. Sie gehört verboten!“ setzte Angrist nach, um seiner Entscheidung Wirkung zu verleihen.

„Du hast was?! Vor deinem Lehnsherren wendest du dich gegen seinen Glauben? Bist du von allen Zwölfen verlassen? Von Hesindes Weisheit bist du es scheinbar!“ noch immer ungläubig fauchte Roana ihren Gatten an.

„Bleib mir weg mit Hesindes Weisheit! Du hast nicht mit ansehen müssen, was Hesindes Weisheit mit dem einfachen Volk anstellt!“

„Was interessiert mich das Volk, wenn ein ganz anderer deinen Rang aberkennen kann. Deine Position verdankst du allein Falkensteins Gutmütigkeit, die er wunderlicher weise bereit ist, in einen Rond zu investieren.“ Den Namen spuckte sie mit so viel Abscheu aus, als würde sie sich vor sich selber ekeln.

Angrist presste die Zähne aufeinander. Er wusste, dass Roana nicht viel von seiner Familie hielt. Wie konnte sie auch, bei so einem halsstarrigen undiplomatischen Familienoberhaupt, welches auch noch sein Bruder war. Und allem Anschein nach, war Angrist auf dem besten Wege in seine Fußstapfen zu treten.

Roana atmete tief ein und versuchte sich zu beruhigen. Sie klopfte sich nachdenklich mit dem Zeigefinger auf die Unterlippe, wie sie es in solchen Situationen immer tat, und blickte dabei aus dem Fenster. „Ich werde das wieder in Ordnung bringen. Dann wird die Abgabe an Falkenstein umso großzügiger ausfallen müssen. Vielleicht können unsere Steinmetze eine Hesindestatuette anfertigen.“

Angrist schaute zornig zu seiner Frau hinüber. Stets hielt sie die Zügel in der Hand und plante seine nächsten Schritte vor. Stets sagte sie ihm, wie er sich gegenüber seinem Lehnsherren und seinem Bruder zu verhalten hatte, um den bestmöglichen Vorteil raus zu schlagen. Und er musste eingestehen, dass sie auch ganz geschickt in diesen Dingen war. Nun aber hatte er Entscheidungen entgegen ihren Ratschlag und Anweisung gefällt.

„Wir können keine großen Ausgaben machen. Der Steinbruch gehört uns nicht mehr.“ An diesem Punkt angelangt, klang diese Beichte mehr wie eine Genugtuung.

Der Zeigefinger glitt kraftlos von ihrer Unterlippe, während Roana langsam den Kopf zu ihm drehte. „Was ist mit dem Steinbruch?“

Nun blickte Angrist seiner Gemahlin zum ersten mal in die Augen. „Ich habe ihn beim Boltan verspielt.“ Nur ein Rond konnte bei einem solchen Eingeständnis, so dermaßen trotzig wirken.

Roana blinzelte mehrmals hintereinander, als begriff sie nicht, was Angrist ihr gerade mitgeteilt hatte.

Angrist hatte Position bezogen, also musste er den Grund halten. „Du hast mich schon richtig verstanden. Und wenn mir danach ist, verspiele ich auch das ganze Rittergut!“ Mit diesem Satz knallte er die Tür hinter sich zu, wissend, dass seine Gemahlin in diesem Moment vor Wut schäumte.


Der Hunger auf das Abendessen war im Zorn ertrunken, also versuchte sich Angrist bei einem Spaziergang ums Gehöft zu beruhigen. Vermutlich war er eher auf seinen Bruder sauer, dessen schlechter Einfluss wohl auf ihn abfärbte, oder auf sich selbst, dass er keine klügere Entscheidung getroffen hatte…oder aber auch auf das verdammte Blut der Ronds, dass ihn zu solch einen Holzkopf werden ließ.

Als er an den Stallungen vorbei kam, fiel ihm ein, dass er bei der Ankunft völlig den Inhalt seiner Satteltaschen vergessen hatte. Den fatalen Inhalt, weswegen er jetzt zum Teil in dieser Misere steckte. Der Grund, warum er Schwierigkeiten bei den nächsten Abgaben an seinen Lehnsherren haben wird, vor allem falls dieser die Abgaben aufgrund der kaiserlichen Hochzeit noch erhöht.

Angrist griff in die Satteltasche und holte ein Steinstück heraus. Eines der Steinstücke, die ihm eine wichtige Einnahmequelle seines Gutes kostete. Er betrachtete nachdenklich das Steinfragment, welches auf dem Relief einige Wellen eingraviert hatte. Daher rührte auch der Name „Wellenstein“. Angrist wusste noch nicht warum, aber etwas Besonderes war an diesem Stein, da Häscher des Güldenen bereits versucht hatten, ihn in ihre Gewalt zu bringen.

Er musste diesen Stein sicher verwahren, und er hatte auch schon eine Idee wo ein guter Ort wäre…

Schließlich schmuzelte Angrist, als ihm bewusst wurde, dass er einen ertragreichen Steinbruch verlor, um einen einzelnen Stein zu gewinnen.