Geschichten:Das Schweigen im Walde I: Feuersbrunst - Teil 13

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Erinnerungen X – Der Rabe im Greifennest

Uslenried, Mitte Efferd 1028 BF

„Es gibt Kunde aus Greifenfurt, Euer Hochgeboren“. Meister Datierlich, Erster Schreiber des Barons, stand mit hochrotem Kopf in der hohen Halle von Burg Greifenklaue, in welcher der Baron, mit einem Holzschwert bewaffnet, seinem Sohn die Kunst der Schwertfechtens nahezubringen versuchte. Allerdings war Corian heute nicht so sehr bei der Sache, obwohl er schon vor dem Morgenmahl gebettelt hatte, dass sein Vater mit ihm das Kämpfen üben möge. Nach anfänglichem Enthusiasmus war Corians Begeisterung doch nun in ein blühendes Märchenspiel übergegangen, in dem sein Vater all jene Räuber, Drachen und Bösewichte darstellen durfte, die der strahlende Jungheld besiegen musste. „Nimm das, Schurke“, rief der Junge, und Wulf konnte den Schlag gerade noch so abwehren.

„Nun lass gut sein“, sagte er, „wir wollen doch hören, was Meister Datierlich für Nachricht hat.“ Mit einem Nicken bedeutete er dem Schreiber, die Neuigkeiten zu berichten.

Datierlich schnappte nach Luft. Offenbar war er den Weg von seiner Kanzleistube bis hierher gelaufen und nun ob seiner wohlgenährten Leibesfülle davon etwas außer Atem. „In Greifenfurt sammelt sich ein Heer“, schnaufte Datierlich. „Es soll Entsatz für das geschlagene Reichsheer sein. Etliche Greifenfurter Barone haben sich ihm angeschlossen, und etliche Söldnerhaufen lagern bereits um die Stadt.“

Die Art und Weise, in welcher der Schreiber das Wort ihm betonte, ließ Wulf stutzig werden. „Ihm?“ fragte nach. „Es heißt, der Heerführer ist ein Rabenmund.“ Datierlich schwieg betreten, dann fuhr er fort. „Answin von Rabenmund, um genau zu sein“.

Wulf glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. „Answin von Rabenmund, der Usurpator?“

„Ja, Euer Hochgeboren, ich fürchte, so ist es.“ Mit einer fahrigen Geste strich sich der Schreiber durch das rötliche Stoppelhaar. Sein Gesicht sprach Bände, und Wulf ahnte, dass das nicht alles gewesen war.

„Was noch?“ fragte er deshalb.

„Auch aus Waldstein sollen schon Ritter und Barone aufgebrochen sein, um sich ihm anzuschließen. Unter anderem Baron Nimmgalf von Hirschfurten.“

„Nimmgalf?“ Wulf glaubte seinen Ohren nicht zu trauen.

„Ich fürchte, so ist es, Hochgeboren“, entgegnete Datierlich.

Wulf überlegte einen Moment. „Bereitet ein Schreiben vor, gerichtet an alle Vasallen der Gräfin. Auf Geheiß des Obristen der Grafschaft undsoweiterundsofort ist ein Verlassen der Grafschaft für jegliche Truppen untersagt, bis das die Herrschaftsverhältnisse im Reich gekläret sind. Ein jeder, der sich dem angeblich wieder aufgetauchten Answin von Rabenmund anschließt, sei zu melden und vor dem Reichsgericht wegen Verrat und Bruch des Lehnseides anzuklagen. Eine Ausfertigung davon auch an die gräfliche Kanzlei. Ich unterzeichne, sobald alles geschrieben und gesiegelt ist.“

Datierlich nickte und eilte pflichtbewusst davon.

„Und was bedeutet das nun, Vater?“ Corian blickte erwartungsvoll zu Wulf hinauf. Dieser strich dem Knaben mit der Hand über den Kopf und erwiderte: „Nichts Gutes, mein Sohn, nichts Gutes.“