Geschichten:Brendiltaler Reigen

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Anreise

Nach und nach waren die Gäste der bevorstehenden Hochzeit eingetroffen. Die ersten unter ihnen bereits so früh, dass sie noch einige Tage bei den Baronen von Haselhain und Brendiltal zu Besuch einquartiert waren, bevor sie sich gemeinsam nach Rashia’hal, dem Heiligtum der drei gütigen Schwestern begaben, wo die Trauung stattfinden sollte.

Welch gar unerwartete und dennoch typisch nebachotische, überschwängliche Pracht erwartete sie und die andere Angereisten dort. War Rashia'Hal sonst ein Ort der Ruhe und Beschaulichkeit, an dem sich Sieche zur Heilung oder von Tsa gesegnete Frauen einfanden, um bei der Geburt ihrer Kinder die Unterstützung der Geweihten zu erhalten, so herrschte dort in diesen Tagen rege Betriebsamkeit. Nicht nur, dass die Familie des Bräutigams keine Kosten gescheut hatte, indem sie einen Großteil der Zelte den Gästen zur Verfügung stellten, nein auch der Einmarsch der Familien Brendiltal und Pfiffenstock, oder besser Beshir’a Danal und Fir’Enok wie es auf nebachotisch hieß, zeugte von Größe, Macht und Reichtum. Trugen doch selbst deren einfachsten Diener, die großzügig Süßigkeiten an die gaffenden Zuschauer aus dem einfachen Volke verteilten, kostbare Gewänder und zeigte ein jedes ihrer Rösser den Stolz einer großen Pferdenation, so übertrafen sogar noch die mitgeführten Tiere in ihrem Zug alles. Man sah nicht nur einige wunderschöne Pfaue, die ihre bunte Federpracht zeigten, sondern auch – den Göttern sei Dank hinter Gittern eines Wagens – ein paar furchteinflößende Krokodile. Zudem noch fremdartigere Tiere, wie zum Beispiel ein großes, graues Ungetüm mit riesigen Ohren und einer überlangen wie ein Seil aus seinem Gesicht hängenden Nase. Auch wilde Schakale, die von Treibern an festen Leinen mitgeführt wurden, konnten bestaunt werden, bevor die Menge lachend, springende, kleine Äffchen anschauen konnte die hüpfend und kreischend Kunststückchen vorführten.

Lange sprachen die Einwohner und Zuschauer noch von diesem Einzug – und von den schönen, nebachotischen Frauen in ihren anmutigen Kleidern - und waren nun voller Erwartungen auf das was noch kommen mochte, denn einen Edlen der genannten Häuser oder gar das Brautpaar selbst hatte man bislang noch nicht gesehen. Aber das hinderte niemanden bereits an diesem Tag auf deren Wohl – und Kosten – ordentlich zu feiern. Geschichtenerzähler, schöne Tänzer und Tänzerinnen, süße Früchte und gutes Essen nebst lieblichen Weines trugen hierzu bei.


Gäste aus der Nachbarschaft - Die Gnitzenkuhler

In den engen Gassen herrschte eine ungewohnte Stimmung. Bei ihren letzten Besuchen in Rashia’Hal hatte sie die Ruhe und Abgeschiedenheit des Hains kennen gelernt. Die Menschen waren in dem Heiligtum mit einer gewissen Ernsthaftigkeit und Hingabe ihren Arbeiten nachgegangen. Man hatte um die Tempelanlagen herum viele Gläubige gesehen, die an diesen Ort gereist waren, weil sie den Ratschlag der Götterdiener suchten oder einfach nur die heilsame Wirkung der heißen Quellen genießen wollten. Einzig aus dem Rahja Tempel war bisweilen Musik und Gelächter zu hören gewesen.

Doch nun überraschte sie die freudige und ausgelassene Stimmung die scheinbar Einzug gehalten hatte mit dem Tross dieses Nebachoten, Eslam von Brendiltal. Hoffentlich würde sie ihn nur von der Ferne sehen. Dieser eitle, alte, halsstarrige Baron war ihr ein Gräuel. Und seine Söhne erst, unerträglich in ihrer Arroganz. Geshla war wahrlich nicht zu beneiden. Natürlich waren auch sie seiner Einladung gefolgt, ein Fernbleiben wäre nicht schicklich gewesen. Entschlossen sprang Leomara von Isenbrunn wieder von der Mauer des Plätzchens hinab, als sie Geshla von Gnitzenkuhl aus ihrer Unterkunft kommen sah. Sie winkte ihr zu. Die Ritterin hatte sich freiwillig gemeldet in einem der Zelte zu schlafen, hatte sie doch nicht vor mit der Baronin und deren Mutter Olmerga von Gnitzenkuhl zu dicht wohnen zu müssen. Schon auf der ganzen Kutschfahrt hatte sich diese Frau ohne Unterlass über die vermutlich anreisenden Herren ausgelassen. Leomaras Vater, Roderick von Isenbrunn , der Vogt der Baronie, hatte zwar immer wieder versucht hilfreich einzuspringen, wenn sie ein ums andere Mal Titel und Namen der Adelshäuser verwechselt hatte, doch das hatte ihren Redeschwall keineswegs unterbrochen. Zum Glück war ihr Bruder Quanion zu Pferd angereist, sonst hätte vermutlich auch er eingestimmt in dieses Lamentieren.

„Schnell, sonst kommt sie noch auf die Idee mich in die Thermen zu begleiten!“ Leomara musterte ihre Halbschwester erst überrascht doch nach kurzem zögern folgte sie ihr schließlich. Wie immer sah Geshla perfekt aus. Das dunkle, gewellte Haar war sorgsam zum Knoten geflochten und ihre Kleidung war elegant aber schlicht. Einzig die feinen Schuhe würden für den Weg nicht hilfreich sein, aber diesen Makel überging die junge Frau wie immer klaglos. Für Schönheit war sie jederzeit bereit zu leiden.

An sich ertrug die junge Baronin von Gnitzenkuhl die Sticheleien ihrer Frau Mutter mit Fassung, doch schon in der Kutsche war sie merkwürdig in sich gekehrt gewesen und nachdenklich. Ihr an sich hochmütiger Gesichtsausdruck war inzwischen gewichen, stattdessen funkelte sie nun streitlustig ihre Begleiterin an: „...und bitte verschon mich mit weiteren Überlegungen darüber wie und wann dein Unswin von Keil...dings...“ „Von Keilholtz!“ „Ja sagte ich doch, von Keilholtz wohl hier auftauchen wird.“ ‚Ah daher weht der Wind!’ dachte Leomara. „Und überhaupt, hast du dir das auch gut überlegt? Was willst du denn in...in...bei diesen hinterwäldlerischen Holzköpfen? Alles Barbaren ohne Kultur. Die können doch nichts als gegen den Schwarzpelz zu kämpfen. Vermutlich kann er nicht einmal tanzen und zieht ein Saufgelage mit Freunden einem ordentlichen Bankett im Kreise angesehener Herrschaften vor!...“

„Na dann würden wir ja perfekt zusammen passen.“ antwortete die Ritterin ihrer Herrin leise. Es sollte schließlich keiner Zeuge sein, wie vertraut sie im Umgang miteinander waren. Erbost stieß Geshla den Atem hervor. „Ach nun das wieder...“ Leomara war schon aufgegangen, um was und wen es hier eigentlich ging, nur war der holprige Weg zu den Thermen den Geshla eingeschlagen hatte alles andere als geeignet ihr eine entsprechende Antwort zu geben.

„Ich hoffe ja, dass wenigstens deine Schilderungen über diese Bäder nicht deiner blühenden Vorstellungskraft entsprungen sind. Unswin ...meine Güte diese Narben. Wo hattest du nur deine Augen? Hattest du vielleicht irgendetwas...zu dir genommen?“ Mißtrauisch schaute sie die Baronin über die Schulter gewandt scharf an, als ob sie ernsthaft in Betracht zöge, dass Leomara nicht ganz bei Sinnen gewesen war, als sie und Unswin sich näher kennen gelernt hatten. Die Ritterin blieb stehen und stemmte die Hände in die Hüften. „Jetzt reicht es mir aber. Nur weil deine Frau Mutter dir Tag und Nacht in den Ohren liegt, dass wenn du nicht aufpasst, bald als einsame Jungfer endest, brauchst du nicht versuchen mir meinen Zukünftigen auszureden.“ Geshla lächelte hintergründig und trat wieder einen Schritt näher an sie heran. „So, so...deinen Zukünftigen? Wenn du da mal nicht vergisst, was deine lieben Eltern mit dir vor haben. Von Quanion ganz zu schweigen...“ Leomara blieb der Mund offen stehen. Das schlug doch dem Fass den Boden aus. Diese zickige, arrogante...

Während sie noch darüber nachsann wie viel ihre Halbschwester über die Pläne ihres Vaters wusste, nahm sie wieder deren Verfolgung auf. Geshla war indes nämlich zügig weiter marschiert in dem siegessicheren Bewusstsein, dass sie nun wenigstens auch Leomara dieses dämliche Grinsen aus dem Gesicht gewischt hatte mir ihren Bemerkungen. Wenn sie unglücklich war, sollte Leomara von Isenbrunn es verdammt noch eins auch sein.