Geschichten:Brandspuren - Lohn und Brot

Nahe Dorf und Gut Eichenwalde, 19. Boron 1043 BF

Ein zwergenwüchsiger Köhlerbursche namens Rando hatte Praiodan von Steinfelde und sein Gefolge bis zum Waldesrand geführt, wo sich ihnen freie Sicht auf Wiesen und kahle Äcker bot, und dahinter auf jenen Forst, der bereits die Grenze zur Baronie Natzungen markierte – Schwingenfelser Land. Im Norden tauchten zwischen den Bäumen in Richtung Orbetreu die Schwingenfelsen auf und nicht weit im Süden vor den steilen Hängen des Grafenhauptes die Dächer von Eichenwalde.

„Sie sin’ geradezu geritten, edler Herr, un’ im jenseitigen Wald verschwunden, ganz genau da, wo Ihr die Bäum’ ein wenig zurückweichen seht“, wandte sich der missgestalte Kerl an den Wegevogt, „Und dann würd’ ich gern zurück zu meinen Meilern, wenn’s recht is’.“

„Gut. Du sollst deinen Lohn erhalten. Sebald!“, Praiodan gab dem Waffenknecht mit der langen Narbe im Gesicht und dem fehlenden Auge einen Wink. Furchtsam zuckte der Köhler zusammen, als der Mann an seinen Gürtel mit der Streitaxt griff. Doch der Veteran zog nur eine Geldkatze hervor, aus welcher er ein paar Heller abzählte und dem Burschen in die Hand drückte: „Hier! Für deine Dienste!“, dann zeigte Sebald mit einem Finger auf sein zerstörtes Auge, wobei er knurrte, „Pass auf Freundchen, wenn du uns reinlegen willst... Ich hab’ dich im Blick!“

Der Kleinwüchsige erbleichte und machte sich hastig davon. Hätte er sich noch einmal umgedreht, wären ihm die feixenden Gesichter der Waffenknechte nicht entgangen, die den Scherz des altgedienten Kämpen schon kannten. Als der Köhler im Unterholz verschwunden war, wandte Praiodan sein Ross nach Süden.

„Warum nicht da lang?“, erkundigte sich die Knappin Nadriane von Wetterwend und deutete auf den entfernten Waldstreifen, den ihnen der Köhler gewiesen hatte.

„Unsere Wegzehrung ist nahezu aufgebraucht“, erklärte der Steinfelder, „Hoffen wir, dass in Eichenwalde nicht schon alles für den gräflichen Heerzug requiriert wurde. Außerdem können wir dort weitere Erkundigungen einziehen.“