Geschichten:Blutschwur

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Hartsteen, 24. Praios 1027 BF


Überall wo man in Hartsteen dieser Tage hinschaute, herrschte eine ausgelassene Stimmung. Die Bürger der Stadt waren in Feierlaune. Daran tat auch die Kunde des düsteren Jahresorakels vom Jahresanfang keinen Abbruch. Denn in diesem Jahr gab es einiges zu feiern und so hatte die Gräfin die Feierlichkeiten schon zum 20. Praios zu Feierlichkeiten eingeladen.

Hadrumir von Schwingenfels schaute gelangweilt einem Festumzug zu. Die Gräfin Thuronia hatte gewünscht, dass einige Mitglieder der Hartsteener Adelsfamilien sich zumindest bei solchen Festumzügen zeigten. Seginhardt von Schwingenfels, sein Onkel, hatte ihn hierher geschickt. Also tat Hadrumir nach außen so, als wenn er der wohlwollende Adlige wäre, auch wenn ihn diese ganzen Festivitäten gar nicht interessierten.

In Gedanken versunken schlenderte Hadrumir durch die Gassen Hartsteens. Er überlegte gerade, ob er an dem in zwei Tagen beginnenden Turnier teilnehmen sollte, als er Borstefred von Katterquell bemerkte, seinen Lehrmeister.

„Ist dies möglich? Silberne Schwingen auf hellblauem Untergrund? Hadrumir?“

„Meister Borstefred. Ihr seht richtig!“

„Lass das Meister weg. Seit langer Zeit bist du selbst Ritter. Was führt dich her? Ich dachte du wärest bei der Armee?“

„Dies bin ich seit etwas mehr als einem Jahr nicht mehr!“

„Und jetzt wagst du dich erstmals nach Hartsteen?“

„Nein, aber dies ist eine lange Geschichte.“

„Nun, lass uns doch in einem Gasthaus einkehren und du erzählst mir ein wenig?“

„In Ordnung.“


Etwas zwei Stunden später

„Und wirst du am Turnier teilnehmen?“ fragte Borstefred nach dem Essen beiläufig.

„Ich denke nicht“, antwortete Hadrumir.

„Es werden einige Windischgrützer daran teilnehmen“, sprach Borstefred gleichgültig.

Hadrumir schaute lange und nachdenklich auf seinen Bierhumpen: „Also, wenn das so ist, könnte ich meine Meinung vielleicht noch ändern.“


Zwei Tage später:

Hadrumir hatte sich sowohl für den Schwertkampf als auch für den Lanzengang gemeldet. Im Lanzengang war er nicht allzu erfolgreich gewesen, aber wenigstens hatte er es zwei Windischgrützern, welche er gefordert hatte, gezeigt. Mit diesem ersten Turniertag konnte er zufrieden sein. Morgen würde der Schwertkampf folgen.

An diesem Abend fand wie üblich ein gemütliches Beisammensein statt. Hier ereiferte sich gerade Odilbert von Windischgrütz. Er berichtete von Turnieren, an denen er teilgenommen hatte. So zum Beispiel vom Kaiserturnier zu Gareth. Den anwesenden Adligen waren solche Reden normalerweise egal. Jeder von ihnen kannte solche Geschichten, die ein wenig Eindruck machen sollten.

Hadrumir hatte mittlerweile schon ein wenig getrunken, als er auf einmal zu dem Windischgrützer hinüber rief: „He, Odilbert, du solltest nicht so große Reden schwingen. Die meisten deiner Familie landen doch sowieso allzu schnell im Staub der Turnierbahn.“

Allgemeines Gelächter folgte auf diesen Einwand.

„Seid Euch da nicht so sicher“, sprach nun eine weitere Person, welche hinter Odilbert hervortrat.

Es war sein älterer Bruder Kelnian.

„Also heute, habe ich nur Grütze gesehen, welche, kaum hatte sie ihr Pferd bestiegen auch schon wieder unten lag.“

Kelnians Griff zu seinem Schwert war Hadrumir nicht entgangen.

„Schwingenfelser, wir werden Euch morgen Euer Maul für solche Reden stopfen.“

„Oh, ja bitte, ich warte darauf.“ Hadrumir verließ die Schenke in der Gewissheit, dass der morgige Tag interessant werden würde.


Eine Woche später, Schloss Orbetreu:

„Und was geschah, nachdem du schließlich auch noch Odilbert besiegt hattest?“ fragte Eleona.

„Nun, im Turnier war nur noch Kelnian. Er war der letzte, der mich fordern konnte.“

„Hat er das getan?“ fragte nun Seginhardt.

„Nein, das konnte er nicht, da er seinen Kampf gegen Lechmar von Wetterfels verlor, der übrigens kurz danach auch Hadrumir besiegte. Stimmt’ es nicht, werter Vetter?“ sprach Ludorand.

Manchmal hasste Hadrumir seinen Vetter dafür, dass er immer in den unpassendsten Momenten auftauchen musste. Hadrumir genoss zu sehr die Vorstellung, dass kein Windischgrützer ihn im Turnier besiegt hatte. Da interessierte doch nicht, dass er gegen diesen Wetterfelser verloren hatte.

„Ja, Vetter, ich habe das Turnier nicht gewonnen, aber ich habe es den Grützern gezeigt“, ereiferte er sich.

„Genug davon.“ sprach Seginhardt. „Eleona, Daneris, lasst uns bitte allein!“

Die beiden Kusinen erhoben sich und verließen den Raum. „Ich will offen zu euch beiden sein. Es missfällt mir, dass ihr euch immer wieder gegeneinander wendet. Ludorand, Hadrumir, ihr seid Schwingenfelser. Und nur wenn wir geeint Seite an Seite stehen, dann werden wir siegreich sein.“

„Ihr habt wie immer Recht, Vater.“ sprach Ludorand. „Und darum, möchte ich Euch, Vetter um Verzeihung für meine Worte bitten.“

„Schon gut.“

Zufrieden schaute sich Seginhardt die zwei Streithähne an. Auf der einen Seite sein Sohn, welcher bedächtig und zielgerichtet vor, aber leider etwas zu vorsichtig in manchen Dingen war. Auf der anderen Seite Hadrumir, welcher zwar ebenfalls zielgerichtet war, dafür aber häufig sehr forsch an eine Sache heranging. So wie mit der Bloßstellung der Windischgrützer auf dem Turnier. Doch nur zusammen würden sie es weit bringen.


Schloss Orbetreu, 08.Travia 1027 BF

„Und dieser Gerbald ist sich sicher, dass es Windischgrützer waren?“ fragte Ludorand nachdem Seginhardt den Brief ein zweites Mal vorgelesen hatte.

„Er hat ein grün-weißes Wappen beschrieben“ mischte sich Eleona ein.

Hadrumir seufzte einmal schwer: „Ein grün-weißes Wappen beweist aber noch nicht die Schuld der Grützer. Ein grün-weißes Wappen kann jeder bei sich führen.“

„Hadrumir, denkst du das weiss ich nicht? Aber er schrieb von einem hochgewachsenen Ritter.“

„Genug jetzt!“ Seginhardt war sein Unwillen über das Streitgespräch deutlich anzusehen. Am Hals traten deutlich Zornesadern hervor. „Fakt ist, dass man mir gedroht hat. Mir! Auf meinem eigenen Land! Es ist mir egal, wer es war, aber ich lasse mir nicht drohen! Von niemandem!“ Seginhardt hatte sich bedrohlich aufgebaut. "Ellaria, Daneris, Ihr werdet meinen Bruder Thronhardt von dem hier unterrichten.“ Dabei deutete er zornerfüllt auf den Brief. „Ihr werdet dafür Sorge tragen, dass niemand mehr Felder auf Schwingenfelser Ländern anzündet.“

Die beiden Angesprochenen nickten und verließen eiligst das Zimmer.

„Und Ihr drei? Habt Ihr Vorschläge?“

Erwartungsvoll blickte er auf die zurückbleibenden Ludorand und Eleona, seine beiden Kinder, sowie Hadrumir, den Sohn seines leider viel zu früh verstorbenen Bruders.

„Wir sollten Gleiches mit Gleichem vergelten“, sprach Hadrumir wie immer das aus, was er dachte.

„Ja, natürlich und riskieren dann eine Auseinandersetzung mit der Gräfin, weil die Windischgrützer sie davon in Kenntnis setzen“, warf Ludorand ein.

„Es ist unser angestammtes Recht!“, ereiferte sich Hadrumir.

Als Hadrumir solche forschen Reden anfing, fühlte sich Seginhardt an alte Zeiten erinnert, in welchen es tatsächlich möglich war, als Adliger sein Recht mit dem Schwerte einzufordern. Doch durfte er das Fehdeverbot so einfach umgehen. Sollte er Bodebert von Windischgrütz einfach zum Duell fordern? Gerade hatte Ludorand vorgeschlagen, dass Hadrumir nach Möglichkeiten suchen solle, wie man den Grützern das Vergehen nachweisen könne, während sich Ludorand selbst zur Gräfin begeben wollte. Er erwartete anscheinend eine Antwort von Seginhardt, der mit seinen Gedanken abgeschweift war.

„Also gut. Ludorand, reite nach Hartsteen. Hadrumir, kümmere dich derweil um die Angelegenheit.“


Schloss Orbetreu, 03. Boron 1027 BF

Krachend sprang die Türe auf und Ludorand von Schwingenfels stürmte in das Zimmer seines Vetters Hadrumir.

„Bist du noch bei Sinnen? Hast du den Verstand verloren? Dreißig! Männer! Frauen! Kinder! Du zwölfmalverfluchter Bastard!“ schrie er ihm entgegen.

„Hüte deine Zunge, Ludorand, oder ich könnte mich genötigt sehen, dir das Maul zu stopfen.“

„Was hast du dir bei diesem Massaker gedacht?“

„Ich habe davon auch erst gestern erfahren. Ich habe nichts damit zu tun.“ Hadrumir war aufgesprungen und hatte seinen Vetter im Zorne gegen die Wand gedrückt. Dort standen sie nun und schauten sich ungläubig an.

„Wieso? Im Namen Travias wieso?“

„Ich sagte doch, ich habe nichts damit zu tun.“ wiederholte Hadrumir.

„Ich weiss nicht, wer dies getan hat und warum.“

„Du weißt es wirklich nicht.“ sprach Ludorand jetzt ruhig und überrascht. „Ich hätte schwören können, dass du dich hast zu dieser Rache hinreißen lassen.“

„Woher hätte ich die Mittel für so etwas nehmen sollen. Es fehlte mir an Leuten. So etwas muss gut durchdacht sein. Das war kein einzelner Kämpfer.“

„Aber wer war es dann?“

„Jemand, der Mittel und Wege dafür hatte, und der offensichtlich die Grützer provozieren wollte.“ Hadrumir ließ Ludorand bei diesen Worten los. „Setz dich, Vetter.“

Ludorand setzte sich auf den angebotenen Stuhl.

„Es ist offensichtlich, dass weder du noch ich, dies waren. Also kann es kein Schwingenfelser gewesen sein."

„Meinst du?“

„Der einzige, der noch bliebe, wäre dein Vater. Aber ist dies wahrscheinlich?“ Ludorand schüttelte energisch den Kopf.

„Nein, nicht mein Vater.“

„Und wenn doch?“ fragte Hadrumir misstrauisch.

„Das kann ich nicht glauben. Hast du Beweise dafür?“

„Nein, natürlich nicht.“

„Dann solltest du deine Vermutungen vielleicht nicht so offen äußern!“

Hadrumir legte beschwichtigend seine Hand auf Ludorands Arm: „Ludorand, ich glaube du verstehst nicht, was hier gerade geschieht. Dies ist erst der Anfang. Glaubst du, die Grützer lassen sich das einfach gefallen? Sie werden, egal wer es nun war, die Schwingenfelser für das anklagen. Und wenn nicht uns, dann zumindest Seginhardt.“

„Du meinst der alte Streit zwischen den beiden Familien könnte erneut ausbrechen?“

„Er wird ausbrechen.“

„Und was werden wir tun?“

Hadrumir zog eine Augenbraue hoch: „Wir? Seit wann interessiert dich meine Meinung?“

„Wir sind eine Familie. Auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind, schätze ich dich und deine Meinung sehr, Hadrumir.“

„Wir werden abwarten“, sprach Hadrumir.

„Gut“, sprach Ludorand und erhob sich, um zu gehen.

„Dann schätz mich mal bloß nicht falsch ein“ sprach Hadrumir zu sich, als sein Vetter das Zimmer verlassen hatte.


Später am Abend

Hadrumir hatte sich schon schlafen gelegt, als er das Öffnen der Tür seines Zimmers bemerkte. Vorsichtig tastete er nach einem Dolch, welcher auf seinem Nachttisch lag. Eine Gestalt betrat das Zimmer und kam langsam auf das Bett zu. Hadrumir hatte seinen Dolch schon umgriffen und machte sich bereit, den Eindringling abzuwehren. Die Gestalt beugte sich vor und stieß ihn vorsichtig an:

„Hadrumir?“ Es war Eleona.

Hadrumir ließ den Dolch los. „Was willst du?“

„Wir müssen reden.“

„Also gut, setz dich.“

Hadrumir bemerkte wie sich die schlanke Gestalt Eleonas auf das Bett setzte.

„Was gibt es denn so wichtiges?“

„Ich möchte wissen, was du mit Ludorand zu besprechen hattest?“

„Also gut, ich werde es dir erzählen.“

Als Hadrumir mit seinem Bericht zu Ende war, konnte er Eleonas ungläubige Miene erahnen.

„Ludorand vertraut dir also?“

„Es sieht so aus.“

„Und was wirst du nun machen.“

„Abwarten. Wir müssen zuerst sehen, dass diese Sache bei Feldsteynchen aus der Welt ist. Egal wer dies war, er hat uns damit keinen Gefallen getan.“

„Was erwartest du nun?“

Hadrumir zuckte mit den Achseln. „Wir werden sehen, was geschieht.“

Mit diesen Worten verabschiedete er Eleona.


Schloss Orbetreu, 12. Boron 1027 BF

Euer Wohlgeboren Seginhardt von Schwingenfels,

mit diesem Massaker bei Feldsteynchen seid Ihr und die Euren zu weit gegangen. Ihr habt unschuldige Bauern niedermetzeln lassen. Ich erwarte, dass Ihr Euch dafür verantworten werdet. Aber es ist ja leider eher wahrscheinlich, dass Ihr Euch vor der Verantwortung drückt.

Bodebert von Windischgrütz, 10. Boron im Jahre 34 Hal


Burg Eberhain, 16. Boron 1027 BF

Euer Wohlgeboren Bodebert von Windischgrütz,

zu meinem Bedauern muss ich Euch mitteilen, dass ich nicht an dem Massaker in Feldsteynchen beteiligt war. Ergo ist es mir nicht möglich, hierfür die Verantwortung zu übernehmen. Vielmehr solltet Ihr die Verantwortung für das Anzünden meiner Felder übernehmen.

Seginhardt von Schwingenfels


Schloss Orbetreu, 21. Boron 1027 BF

Euer Wohlgeboren Seginhardt von Schwingenfels,

mir reicht es mit Euren Verleumdungen. Wenn noch das alte Recht gelten würde, hättet Ihr schon lange von meinem Sekundanten gehört.

Bodebert von Windischgrütz


Burg Eberhain, 25. Boron 1027 BF

Euer Wohlgeboren Bodebert von Windischgrütz,

dieses Schreiben überbringt Euch mein Sekundant Borstefred von Katterquell. Er wird mit Euch alle weiteren Details besprechen.

Seginhardt von Schwingenfels


Schloss Orbetreu, 25.Boron 1027 BF

„Und Ihr seid sicher, dass Ihr dies tun wollt, Onkel?“

„Ja, es geht hier um meine Ehre, um unsere Ehre. Diese Grützer glauben wohl, sie könnten sich alles rausnehmen.“

„Trotzdem hättet Ihr mich kämpfen lassen sollen.“

Seginhardt, der Zeugmeister, schüttelte energisch mit dem Kopf.

„Nein, ich bin das Oberhaupt dieser Familie, ich bin derjenige, der angegriffen und diffamiert wurde, also werde ich es sein, der dafür die Satisfaktion einfordert.“

Hadrumir nickte stumm. „Ihr habt wie immer Recht, Onkel.“

Innerlich hasste Hadrumir sich dafür, dass er Recht behalten hatte und jetzt würde sich sein Onkel mit Bodebert von Windischgrütz am 3. Hesinde zum Duell treffen. Es war alles so eingetreten, wie er es erwartet hatte. Der alte Streit zwischen den Häusern Windischgrütz und Schwingenfels würde erneut aufbrechen.


Vor den Toren Hartsteens, 3. Hesinde 1027 BF, die zwölfte Stunde

Mit Seginhardt von Schwingenfels und Bodebert von Windischgrütz standen sich zwei erfahrene Streiter gegenüber. Vor dem Duell hatte Bodebert nochmals in aller Öffentlichkeit die gesamte Familie Schwingenfels für das Feldsteynchen Massaker verantwortlich gemacht. Hadrumir hätte ihn für diese Rede am Liebsten auf der Stelle gefordert. Aber dies war der Tag seines Onkels. Eleona und Hadrumir hatten alle Mühe gehabt, die gräflichen Truppen von einem Eingreifen abzuhalten. Auf Windischgrützer Seite lief es wohl ähnlich. Erst als Hadrumir den Weibel der Truppen auf seiner Seite des Kampfplatzes ein wenig mit seinem Dolch zwischen den Rippen kitzelte und ihm zuzischte: „Mischt Euch nicht in die Angelegenheiten des Adels“, schienen sich die Truppen halbwegs zu beruhigen und beobachteten wie die umstehenden Gaffer die Szenerie.

Der Kampf zwischen den zwei Kombattanten wogte hin und her. Seginhardt blühte richtig auf. Dies war wie in alten Zeiten. Er spürte sein Alter kaum und auch die Hiebe des Grützers machten ihm nichts aus. Er war sich sicher, dass Rondra ihm gewogen war.

Hadrumir beobachtete den Kampf nüchtern. Er sah den Kampf mit dem notwendigen taktischen Kalkül. Beide Kämpfer waren gleich alt, beide Kämpfer besaßen gute Fertigkeiten im Schwertkampf und beiden Kämpfern war der Wille zu siegen anzumerken. Eleona hatte sich an Hadrumirs Seite begeben.

„Was glaubst du?“ Hadrumir schaute sie an und zog fragend die rechte Augenbraue hoch. „Wird Seginhardt gewinnen?"

„Der Kampf ist ausgeglichen. Derjenige, der mehr Glück hat, wird siegen“ flüsterte Hadrumir ihr zu.

Seginhardt war sich nun absolut sicher, seinen Gegner durchschaut zu haben. Er fing die Hiebe Bodeberts gekonnt ab, aber er schaffte es nicht, in die Offensive zu gehen. Jetzt wäre der Zeitpunkt gekommen, zuzustoßen. Doch wieder verfehlte Seginhardt sein Ziel. Er war schon stark ermattet, aber dem Grützer musste es doch genauso ergehen. Immer wieder stachelte sich Seginhardt an, nur nicht aufzugeben. Bis zum zweiten Blut wurde gefochten, Aufgabe war also keine Option. Also setzte er erneut zur Attacke an.

Urplötzlich fuhr der Hieb des Grützers durch seine Deckung. Wie hatte dies passieren können? Wieso hatte er diesen Hieb nicht kommen sehen? Seginhardt fiel. Schwärze umfing ihn.

Jubel brandete auf, als Seginhardt von Schwingenfels zu Boden ging. Jubel auf Seiten der Familie Windischgrütz. Ludorand war als erster der Schwingenfelser auf den Platz gerannt, um seinem Vater aufzuhelfen. Doch als er ihn erreichte, rührte sich dieser nicht. Hadrumir ging mehrere Schritte auf Ludorand zu, als er dessen Ruf vernahm: „Er rührt sich nicht.“

Sein Ruf übertönte sogar die jubelnden Windischgrützer. Eleona reagierte geistesgegenwärtig und rief nach einem Heiler.

Hadrumir stand in dem ganzen Durcheinander geistesabwesend. Vor seinem inneren Auge konnte er den jungen Seginhardt auf sich zukommen sehen, wie er sich hinabbeugte und zu ihm sprach: „Dein Vater, mein Bruder…er ist tot.“

Diese letzten Worte hatte Hadrumir in seiner Geistesabwesenheit wohl laut ausgesprochen. Eleona, die einige Schritte von ihm entfernt stand, hatte diese anscheinend vernommen, denn sie schaute Hadrumir verwirrt an. Aber Hadrumir war viel zu sehr abgelenkt. Er sah die Grützer auf der einen Seite des Kampfplatzes stehen. In der Mitte Bodebert und seinen Sekundanten Gerion Sturmfels.

Urplötzlich tauchte aus der Masse ein Medicus auf. Dieser beugte sich zu dem Gefallenen hinab und begann mit einer Untersuchung. Doch kurz darauf erhob er sich und sprach mit bleichem Gesichtsausdruck: „Er ist tot.“

Ludorand ließ einen lauten wehklagenden Schrei von sich hören. Eleona stand mit versteinerter Miene vor dem Medicus. Ludorand sprang auf einmal vor und schrie Bodebert von Windischgrütz entgegen: „Mörder! Ich verfluche Dich und deine Sippschaft!“

Hadrumir nahm alles um sich herum nur noch durch einen roten Schleier gewahr. Er hatte seinen Anderthalbhänder aus der Scheide gezogen und ging langsam auf die Windischgrützer zu. Sein Onkel war tot. Getötet von diesem Bastard Bodebert von Windischgrütz. Dafür würde er hier und jetzt büßen. Die Windischgrützer bemerkten ihn ziemlich bald. Kelnian von Windischgrütz zog ebenfalls seine Waffe.

Gerion Sturmfels schaute verwundert auf den neben ihm stehenden Kelnian und wurde dann des hochgewachsenen Schwingenfelsers gewahr, der sich nun zielstrebig auf die Gruppe der Windischgrützer zu bewegte. „Ihr solltet Euch vielleicht zu Eurem Schutz in Gewahrsam der gräflichen Truppen begeben, Bodebert.“

„Wieso sollte er das tun?“ sprach Barthelm, der Vetter des Angesprochenen.

„Er sollte es besser tun.“

„Bodebert von Windischgrütz!“, war auf einmal fordernd die Stimme des hochgewachsenen Schwingenfelsers zu vernehmen. Der Wächter Gerion Sturmfels wusste, dass er etwas tun musste. Zwei Frauen hatten sich an die Seite des Schwingenfelsers gestellt, auch sie mit der Waffe in der Hand, während sich auf Seiten der Windischgrützer Kelnian und Barthelm demonstrativ vor Bodebert stellten, der von den im Kampf erlittenen Wunden geschafft war.

„Windischgrützer! Schwingenfelser! Hört mich an!“ sprach Gerion Sturmfels mit fester Stimme.

„Bodebert von Windischgrütz wird sich für diesen Bruch des Reichsfriedens vor einem gräflichen Gericht verantworten.“ Damit wandte er sich an die gräflichen Truppen: „Nehmt Bodebert von Windischgrütz in Gewahrsam!“

Sogleich wendete er sich um und kniete sich neben Bodebert und flüsterte dem noch angeschlagenen Kämpen zu: „Bitte, Bodebert, stellt Euch dem Grafen. Sonst gibt dies ein Blutbad. Auch aus Eurer Familie werden Menschen sterben.“

Müde nickte das Oberhaupt der Windischgrützer und ließ sich von den gräflichen Truppen in Gewahrsam nehmen.

Hadrumir stieß innerlich die wüstesten Flüche aus. Dieser verfluchte Zornesritter hatte geschickt die gräflichen Truppen dazu gebracht, den Grützer in Gewahrsam zu nehmen. Und dieser ließ dies auch noch mit sich machen. Einen Kampf mit den gräflichen Truppen konnte und wollte er sich nicht leisten. Er steckte seine Waffe ein und sprach: „Dafür wird die Familie Windischgrütz bezahlen!“

Damit drehte er sich um und ging zu Ludorand, um ihm zu helfen, den Leichnam seines Onkels fortzutragen.


Familiengruft der Schwingenfels, 10. Hesinde 1027 BF

Es war eine schlichte Totenfeier gewesen. Nur noch Eleona und Ludorand, die Kinder des Toten, befanden sich in der Gruft und nahmen still Abschied von ihrem Vater. Hadrumir wartete außerhalb der Gruft. Düstere Gedanken umschwirrten seinen Geist. Gedanken, die von einem Wunsch getragen wurden: Rache.

Später an diesem Tag, Arbeitszimmer des gefallenen Seginhardt

„Was soll jetzt werden?“ sprach Ludorand leise aus. Er starrte immer noch auf das leere Glas in seiner Hand.

Hadrumir, der ihm gegenüber saß, sah auf: „Die Grützer werden dafür bezahlen!“

Jetzt sah Ludorand seinen Vetter mit ernster Miene an. „Egal wie, aber lass Sie dafür büßen! Schwöre es mir!“

Hadrumir wollte zu einem Schwur ansetzen. „Mit deinem Blut!“

Hadrumir zog seinen Dolch, ritzte seine Handfläche und ließ sein Blut in einen Pokal fließen.

„Bei meinem Blute, das schwöre ich!“ sprach er ernst und gelassen.


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Texte der Hauptreihe:
1027 BF
Blutschwur


Kapitel 1