Geschichten:Auf Freiersfüßen - Auf Burg Oberhartsteen

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Burg Oberhartsteen, Mitte Rahja 1029 BF


Es regnete bereits in der zweiten Woche. Der Rahjamond war zur Hälfte vergangen und es schien, als ob der Herr der Meere den süßen Trank seiner Schwester zu verwässern suchte. Der Staub des Ingerimm-Mondes, der die Wege der Baronie Hartsteen in graue Staubfäden durch eine vertrocknende Landschaft verwandelt hatte, war braunen Schlammbächen gewichen, in denen die großen Wagenräder der Ochsenkarren wieder und wieder stecken blieben.

Felan war bereits zur frühen Stunde zu Pferde aufgebrochen, und bereits an der Rabenbrücke, die schwarz und düster ihren Bogen über die Natter schlug, waren er, sein Vetter Leuward und seine restlichen Begleiter bis auf die Haut durchgeweicht. Wieder und wieder hielten sie Einkehr in den Landgasthäusern von Rabensbrück und Hartsteen, in der Hoffnung an einem trockenen Orte wenigstens ein wenig Erholung vom steten Nieselregen zu finden.

So dämmerte es schon, als sie endlich die mächtige Burg Oberhartsteen erreichten. Gelangweilt ließen die Wachen sie passieren und gaben den Knechten Luidors die Anweisung, sich um die Tiere der hohen Herrschaften zu kümmern. Der Burghof glich einem braunen Tümpel, der Schlamm zierte den Rocksaum der eiligen Mägde und die Stiefel der müden Soldaten. Wie schon bei seinem letzten Besuch an diesem Ort fand Felan einen niemals ruhenden Bienenstock vor, in dem es scheinbar nie zu Ruhe kam.

"Ah endlich da", seufzte Ritter Felan erleichtert. Als kein Diener scheinbar Anstalten machte ihm zum Grafen zu führen winkte er einen Knecht herbei. "Heda Bursche, meldet man uns beim Grafen?" Dieser nickte nur und schlurfte von dannen. Verärgert drehte sich Felan zu Leuward um. "Na ich hatte mir einen anderen Empfang vorgestellt." Sie eilten sich ins trockene zu kommen wo ein Diener des Grafen den Rabensbrückern einen Platz für die Nacht zuwies. Enttäuscht vernahm Felan, dass sowohl Luidor wie auch seine Gattin Raulgard von Hartsteen-Ehrenstein keine Zeit hatten ihn zu empfangen. Stattdessen wurde Felan ein Nachtmahl zusammen mit dem Pfalzgrafen von Sertis bereitet, welcher bereits seit wenigen Tagen auf Oberhartsteen auf die Ankunft des Rabensbrücker Ritter gewartet hatte.

Felan konnte kaum seinen Ärger verhehlen, dass der Graf es nicht für nötig befand ihn persönlich zu begrüßen. Und wenn er wieder einmal krank darniederlag hätte man ihn zumindest bis zu ihm vorlassen können, um persönlich seine Aufwartung zu machen. Ein weiterer Punkt, den er auf seiner Liste persönlicher Kränkungen hinzufügte und nicht vergessen würde. Und so begab sich Felan mit verstimmter Miene an die Tafel mit dem Pfalzgrafen.

"Euer Hochwohlgeboren, ich bin erfreut dass ich wenigstens Euch noch an diesem Abend begegne."

Mit einer steifen Verbeugung setzte er sich. Leuward von Schallenberg war das übertriebene Verhalten seines Vetters hingegen sichtlich unangenehm und seine Begrüßung des Pfalzgrafen fiel entsprechend freundlicher aus.

"Die Zwölfe zum Gruss, Wohlgeboren", entgegnete Hilbert den steifen Gruß, freundlich lächelnd über die Spitze in Felans Worten hinweggehend.

Es fiel Felan nicht leicht, den Pfalzgrafen einzuschätzen. Er schien nur wenige Götterläufe älter zu sein als Felan, und in seiner ganzen Art erkannte er das typische Verhalten der Hartsteener. Und dennoch konnte er sich des Eindrucks einer gewissen Verschlagenheit nicht erwehren, den der junge Pfalzgraf geschickt hinter höflichen Floskeln zu verstecken versuchte, ein Wesenszug, den er bei einem Mitglied der Familie Hartsteen nicht erwartet hätte.

"Euch scheint das Wetter ebenso zu verdrießen wie mich, Wohlgeboren", versuchte Hilbert das Schweigen bei Tisch ein wenig aufzulockern, während er vom Braten nachnahm. Von Felan erntete er mit seinen Worten einen mehrdeutigen Blick anstelle einer Antwort.

Dennoch ließ sich Hilbert nicht davon abbringen, und fuhr fort: "Mein Vetter scheint eine sehr hohe Meinung von Euch zu haben. Er erwähnte mir gegenüber, dass er in Eure Fähigkeiten wie wenigen anderen seiner Vasallen Vertrauen hätte."

In das Schweigen nach Hilberts Worten wurde Schlunder Bergkäse aufgetragen, dem der Pfalzgraf aber nur mäßig zusprach. Leuward dagegen griff zu und äußerte lobende Worte über die Qualität des Käses. Felan war indessen bereits zum Dessertwein übergegangen.

"Wir sollten morgen zeitig aufbrechen. Bei diesem Regen kann man nicht wissen, wie lange eine Reise nach Waldstein dauern wird", sagte Hilbert.

'Waldstein' löste in Felan widersprüchliche Vorstellungen aus. Zwar war er zu Zeiten seiner Knappschaft an der Seite von Luidor von Hartsteen recht weit herum gekommen im Mittelreich und in Aventurien. Aber der dunkle Reichsforst bereitete ihm immer Unbehagen. Irgendwie konnte er sich den leicht zum Übergewicht neigenden Pfalzgrafen nicht wirklich in diesem märchenhaften Urwald im Herzen Garetiens vorstellen.

"Ich schätze, dass der sinnvollste Weg über Wandleth, Vierok, Weyringen und Hornbach ist. Wir umgehen so Gareth und sparen einen halben Tag. Ausserdem würden wir Uslenried gegen die Mittagsstunde erreichen. Was meint Ihr dazu, Wohlgeboren?" Hilbert schaute den Junker von Sturmwacht aufmerksam an.

Felan räusperte sich hörbar und entgegnete: "Nun, wie Euch beliebt, Hochwohlgeboren. Immerhin müsst Ihr den Weg ja gut kennen, so häufig Ihr ihn nach Sertis nehmt." Die letzte Bemerkung geriet Felan ein wenig schärfer, als er eigentlich wollte. Er war sichtlich gereizt, der Pfalzgraf ging ihm auf die Nerven und überhaupt war er vollkommen unzufrieden mit der ganzen Art und Weise, wie man ihn hier behandelte.

So empfahlen sich die Schallenberger und zogen sich zurück zu Bett.