Geschichten:Altes Blut - Unter vier Augen

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Gasthaus "Zum Winterkönig", Stadt Rallerspfort, Baronie Rallerspfort, 29. Efferd 1037 BF:


Auch wenn sich Falkenstein wenig begeistert gezeigt hatte, fand das Treffen zwischen Raulbrin von Rallerspfort und Haldan Rallersgrunder statt. Da Raulbrin so kurz vor dem Fest der eingebrachten Früchte ohnehin in Rallerspfort verweilte, dauerte es keine zwei Stunden bis er im Gasthaus „Zum Winterkönig“ erschien, welches Falkenstein und Haldan als Treffpunkt ausgewählt hatten.

Wie immer zur Mittagszeit war das Gasthaus auch an diesem Tag gut gefüllt und so gingen die beiden Männer in der Menge unter. Mit einem Anflug von Stolz erwartete Haldan den Baron. Dieser erschien im schlichten Gewand und hielt zunächst kurz inne als er den Raum betrat. Haldan war kräftig, doch Raulbrin besaß die Statur eines wahren Soldaten: Gerader Rücken, breites Kreuz und starke Arme. Sein Gesicht wies die kühle Strenge eines Strategen auf und doch wirkte es sympathisch. Ein kaum zu bemerkender freundlicher Zug um die Mundwinkel zeigte die wahre Natur dieses Mannes. Eines seiner Augen hatte er im Krieg verloren, doch das zweite blickte sich nun suchend um. Er fand Haldan und näherte sich seinem Tisch. Haldan wartete dort, so gut gekleidet, wie es sich ein Mann seines Standes erlauben durfte, ohne negativ aufzufallen.

Als er den Tisch erreicht hatte, erhob sich Haldan, um den Baron zu grüßen.

„Seid gegrüßt Euer Hochgeboren. Es ist mir eine große Ehre, dass Ihr Euch hier eingefunden habt, damit wir unsere zukünftigen geschäftlichen Beziehungen unter vier Augen besprechen können.“

„Seid auch Ihr gegrüßt. Mein Schwiegervater hatte mich ja bereits vorgewarnt Ihr wäret groß, doch ich hatte ja keine Ahnung...“ Er schmunzelte und zeigte dabei seine obere Zahnreihe. Tatsächlich war Raulbrin schon hoch gewachsen, doch Haldan überragte ihn noch um einige Finger breit. Er reichte Haldan die Hand. „Ein fester Händedruck. Soldat?“

„Nein, bloß aus gutem Hause und stets wohl genährt.“

„Aaah. Sehr schön.“ Der Baron nickte und grinste beinahe.

„Wein?“

„Ich bevorzuge eigentlich Bier.“

„Ich ebenfalls.“ Haldan bestellte. Er war überrascht, waren er und Raulbrin sich doch ähnlicher als er angenommen hatte. Leider änderte dies überhaupt nichts.

„Kommen wir doch zum Geschäft.“, begann Raulbrin. „Valnar hat versucht mich schon einmal auf den neuesten Stand zu bringen, doch würde ich dies gerne auch noch einmal aus Eurem Munde hören.“

„Euer Schwiegervater hat mich informiert, dass Ihr finanzielle Schwierigkeiten habt und Geld benötigt, welches Euch, genau genommen, niemand leihen möchte.“ Haldan zog kaum merklich eine Augenbraue hoch und wartete auf eine Reaktion des Barons. Dieser atmete tief ein und zog die Luft zwischen seinen Zähnen durch.

„Jaaaa.“ Er zog das Wort in die Länge und stieß dabei die Luft wieder aus. „Das kann man nicht weiter beschönigen, da habt Ihr schon Recht.“

„Nun. Er wies mich des weiteren darauf hin, dass die Sicherheit der Baronie eine Angelegenheit sei, welcher ich mich in besonderer Weise verpflichtet fühlen sollte, profitiere ich doch in nicht geringem Maße von sicheren Handelswegen.“ „Da hat er sicher nicht Unrecht.“

Haldan hielt inne, als die Krüge mit dem Bier gebracht wurden. Die beiden Männer stießen an und Haldan fuhr fort. „So argumentierend ermutigte er mich also der Baronie die Gelder zu stellen, welche sie benötigte um zwei Söldnerbanner aufzustellen, mit Ausrüstung und Proviant zu versorgen und den Sold für den Feldzug zu zahlen.“

Raulbrin nahm vollkommen gelassen einen Zug aus seinem Humpen. Haldan fuhr fort. „Über solche finanziellen Mittel verfügen wir nicht, doch sehen wir ein, dass der Feldzug notwendig ist und noch vor dem Winter abgeschlossen sein muss, um über den Winter die Sicherheit auf den Wegen zu gewährleisten. So machte ich ihm folgendes Angebot: Das Handelshaus Rallersgrunder verfügt über eigene Söldner, welche als besondere Zuwendung unter eigenem Banner in den Dienst der Baronie gestellt werden. Sie verbleiben auf der Soldliste des Handelshauses. Ihr zahlt lediglich die Ausrüstung und der Vertrag für die Truppenversorgung während des Feldzugs der Kaiserin wird auf Euren „Feldzug“ ausgedehnt. Was sagt Ihr?“

Raulbrin wirkte noch immer gelassen, trank noch einmal und stellte erst seinen Humpen ruhig ab, bevor er antwortete. „Ihr setzt Eure eigenen Männer ein, zahlt ihren Sold und versorgt sie?“

„Ihr zahlt die Versorgung, wie vertraglich festgehalten. Insgesamt handelt es sich viel eher um eine Art Handelskompanie zwischen dem Handelshaus Rallersgrund und der Baronie Rallerspfort. Sehr verwirrend mit den Namen.“ Haldan schmunzelte, weil er ahnte was nun kommen würde.

„Diese Handelskompanie ist durchaus eine Möglichkeit, aber ich sehe momentan für meine Baronie nicht die Möglichkeiten dafür. Ihr werdet mir auch dieses Geld leihen müssen.“, gab Raulbrin zu.

„Wir tun es.“

„Ihr tut es?“, fragte Raulbrin nun erstaunt.

„Wir tun es.“, versicherte Haldan.

„Was verlangt Ihr dafür?“

„Wir brauchen Sicherheiten.“

„Ihr wisst selber, dass ich keine besitze.“, das erste Mal vernahm Haldan einen leichten Anflug von Verärgerung in Raulbrins Stimme.

„Doch, die habt Ihr.“ Haldan genoss Raulbrins irritierten Gesichtsausdruck. „Zerbelhufen. Reiches Ackerland, fette Weiden und ein Gestüt.“

Raulbrin schien verunsichert. „Wie stellt Ihr Euch das vor?“

„Mit Hilfe des Geldes meiner Familie wird Zerbelhufen auf Kurz oder Lang wieder Abgaben an Euch entrichten, die er momentan sicher nicht tätigt. Meine Forderung ist, dass diese Abgaben als Sicherheit dienen, bis die Schulden getilgt sind. Selbstverständlich benötige ich dies schriftlich, aber seid Euch gewiss, dass dieses Geschäft uns beiden zuträglich sein wird.“ Für einen langen Moment waren nur die Gespräche der Nebentische zu vernehmen. Raulbrins Unterkiefer machte mahlende Bewegungen. Schließlich hatte er sich entschieden. „Bis wann habt ihr die Männer bereit?“

Haldan schmunzelte. „Vorausgesetzt Ihr habt die Bewaffnung, ein Banner bis zum Ende der Feiertage. Das zweite folgt zwei Wochen später.“ Die Miene des Barons hellte sich ein wenig auf.

„Also gut. Einverstanden.“ Er reichte Haldan die Hand. Dieser griff zu und die beiden erhoben sich.

„Ihr versteht Euch gut darauf de Not anderer Auszunutzen.“, sagte Raulbrin mit einem leichten Schmunzeln.

„Sagt der Bauer zur Kuh, nachdem er sie gemolken hat.“ Haldan erwiderte das Schmunzeln. „Das Leben eines Händlers ist hart, doch das war ein gutes Geschäft für beide Seiten. Denkt bloß daran, dass Ihr die Macht im Lande wieder in festen Händen haltet, sobald Zerbelhufen wieder zur Vernunft gekommen ist.“

„Ihr habt vermutlich Recht.“

Haldan nickte zustimmend, Raulbrin erhob sich und verließ das Gasthaus. Haldan schaute ihm hinterher. In einer anderen Welt hätten sie vermutlich Freunde werden können.