Geschichten:Altes Blut - Säbelrasseln

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2. Efferd 1037 – Burg Zerbelhelm, Junkertum Zerbelhufen (Baronie Rallerpfort)


Seit beinahe drei vollen Wochen gab es keinen Kontakt mehr zwischen Raulbrin von Rallerspfort und seinem ehemaligen Vertrauten Dorian von Zerbelhufen. Seit sie den Baron mit ihren Forderungen konfrontiert hatten war es eisig geworden in Rallerspfort. Keine der Parteien konnte sich überwinden militärische Maßnahmen einzuleiten, doch wollte auch niemand von seinem Standpunkt weichen. Die Fronten waren verhärtet und festgefahren. Erschöpft von vielen Stunden des Grübelns in der Nacht saß Dorian am geöffneten Fenster seines Arbeitszimmers und starrte auf den Hof seiner Burg. Es war einer der schönen spätsommerlichen Tage, ganz so, als wolle das Wetter den Menschen vorgaukeln, es würde kein Winter kommen, ganz so, als müsse man sich nicht eilen die Ernte einzufahren, ganz so, als würde es für immer schön bleiben. Wie er so dasaß und zusah, wie der Wind die Felder um die Burg herum in ein goldenes Meer verwandelte, hörte er nicht die Stimme, die vorsichtig seinen Namen sagte.

„Euer Wohlgeboren..?“

Dorian blickte sich leicht erschrocken um und seine Augen mussten sich erst an die plötzliche Dunkelheit des Raumes gewöhnen, bevor er Selma ausmachen konnte.

„Was gibt es?“

„Eure Frau lässt fragen, ob Ihr mit Ihr gemeinsam speisen möchtet.“

„Sag ihr, dass es mir Leid tut, doch ich habe heute keinen Hunger.“

Selma nickte leicht und verließ den Raum. Dorian hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen, kam es ihm ohnehin unwichtig vor. Immer wieder musste er an Raulbrin denken. Wie es aussah würde sich auch Alandro von Leuchtenfeld bald dem Druck seiner eigenen Vasallen beugen müssen und er würde als unparteiischer im Konflikt wegfallen, womit beinahe der gesamte Norden der Baronie gegen den eigenen Baron stehen würde. Dorian gefiel sich ganz und gar nicht in der Rolle des Rebellenführers, gab es doch noch ein weitaus ärgeres Problem. Einen kurzen Augenblick hatte er überlegt das Haus Zweifelfels zu kontaktieren, bis ihm aufleuchtete, dass die Hochzeit zwischen Emer Alara von Rallerspfort und Debrek Rondrawin von Zweifelfels erst wenige Monde zurückliegt. Er konnte unmöglich auf Hilfe von dieser Seite hoffen, doch was noch schlimmer war: Sein Sohn war zur Zeit Knappe bei Esmer von Zweifelfels. All das belastete ihn und er wünschte sich von Zeit zu Zeit jemanden, der ihm die Last der Verantwortung von den Schultern nahm. Er lehnte sich zurück und schloss für einen Moment die Augen, als auch schon die Tür aufging. Er hörte die sanften Schritte seiner Frau. Sie legte eine Hand auf seine Schulter und stellte einen Teller mit dem Abendessen auf den Tisch.

„Wie geht es dir?“, fragte sie mit gewohnt fürsorglicher Stimme.

Dorian fuhr sich mit den Händen durch Gesicht. „Wie soll es mir schon gehen?“, stöhnte Dorian. „Es fehlt nur ein Funke, eine winzige Provokation und die halbe Baronie steht in Fehde mit ihrem eigenen Baron. Niemand weiß besser als du es tust, dass ich ein aufrechter Mann bin, ein loyaler Vasall und nichts läge mir ferner als gegen meinen Herrn zu kämpfen.“

„Das weiß ich.“, sagte sie und nahm seine Hand.

„Und doch werde ich als der Mann in die Geschichte eingehen, der als erster sein Schwert erhob, wenn es so weit kommt.“

„Wirst du denn das Schwert erheben?“

„Habe ich eine Wahl?“ Er blickte sie an. Sie wich seinem Blick aus und sah betreten zu Boden.

„Reiter in Sicht!“, rief einer der Wachen über dem Tor und Dorian wandte sich dem Fenster zu.

Er erwartete keinen Besuch, also musste es sich um einen Boten handeln vermutete er. Möglicherweise von Aromir, der ihm von Alandro von Leuchtenfeld berichten wollte. Er gab seiner Frau einen flüchtigen Kuss auf die Wange und ging in den Hof hinunter. Einige Augenblicke später traf auch der Reiter ein. Es war Ungolf von Zerbelhufen, Dorians Onkel, Kastellan von Burg Rotkrähenborn. Der alte Mann machte Anstalten aus dem Sattel zu steigen und Dorian eilte ihm zur Hilfe.

„Bereitet ein Zimmer, bringt Wasser und serviert das Essen im Speisesaal.“, wies er rasch einige Mägde an.

„Was tust du hier, Onkel?“

Der gebrechliche Mann keuchte schwer vor Anstrengung. „Man hat mich der Burg verwiesen…“ Sein Gesicht zeigte deutliche Trauer und Enttäuschung. Dorian konnte kaum glauben, was er zu hören bekam.

„Komm hinein.“ Er reichte seinem Onkel einen Arm und gemeinsam gingen sie hinein.

Im Speisesaal angekommen setzten sich die beiden Männer einander gegenüber und schenkten sich vom bereits servierten Wein ein.

„Onkel, berichte mir von Anfang an was vorgefallen ist und wie es dazu kam, dass du des Hofes verwiesen wurdest.“, begann Dorian die Unterhaltung ruhig.

„Angefangen hat es mit dem Gespräch zwischen dir, den anderen und Raulbrin. Immer wieder hörte ich die Tage später, wie er laut mit Falkenstein diskutierte. Falkenstein bestand von Beginn an darauf, dass die Entschädigung gezahlt werden solle, während Raulbrin erst im Laufe der Tage überzeugt werden konnte.“ Ungolf nahm einen tiefen Schluck Wein. „Daraufhin verschlechterte sich die Stimmung zusehends. Er sagte, du würdest dein Geld horten wie ein eifersüchtiger Grolm und dass du eine Verpflichtung hättest gegenüber der Baronie, Raulbrin und letzten Endes auch deiner Familie gegenüber, deren Ehre verletzt wurde. Er verstünde nicht weswegen du dich weigerst das Geld zu zahlen.“

„Das ist nicht wahr! Ich hatte eine Verpflichtung gegenüber Raulbrin, aber ich sah es als eine Verpflichtung als Vertrauter. Das schließt ein, dass man nicht aus dem anderen herauspresst, was nur geht!“

Ungolf nickte langsam und nachdenklich. „Das sehe ich ganz genauso. Du hast ihm stets gute Ratschläge gegeben und ihm nie etwas Böses gewollt.“

„Weswegen dann diese harte Haltung mir gegenüber?“

„Er will sein Gesicht nicht gegenüber seiner eigenen Familie verlieren. Vergiss nicht, dass auch die Falkensteins mächtig sind.“

„Dennoch. Er braucht die Unterstützung seiner Vasallen. Trotz allem darf der Konflikt nicht eskalieren. Du weißt sicher genauso gut wie ich, dass er die Unterstützung von der Familie Zweifelfels hat, sollte jemand das Schwert auf ihn richten. Zwar haben auch wir das ein oder andere Band zu den Zweifelfelsern, doch werden sich diese als die dünneren erweisen.“

„Nun ich fürchte dir diesbezüglich schlechte Nachrichten bringen zu müssen.“ Sorgenfalten bildeten sich auf Ungolfs Stirn.

„Was meinst du?“

„Ich habe ein Gespräch zwischen Raulbrin und Tresbert mitbekommen.“

„Tresbert von Luring-Schneitzig?“

„Genau der. Er kam vor zwei Tagen nach Burg Rotkrähenborn geeilt, um mit Raulbrin zu reden. Er habe wichtige Kunde.“

„Was berichtete er ihm?“

„Er berichtete, dass mein Namensvetter, der alte Hirschfurten verdeckte Truppenübungen abhalten ließe und dass man dort auch Junkobald gesichtet hätte. Es ist offensichtlich, dass die dort was aushecken. Diese Baronie ist leichte Beute, Dorian. Das weißt du, das wissen die beiden aber vor allem weiß es spätestens jetzt auch Raulbrin. Er war ganz außer sich. Schlagartig wurde ihm bewusst, wie schwach er dastand.“

„Die Hirschfurtens wollen Rallerspfort angreifen?“

„Niemand weiß ob sie es tun wollen, aber es hat den Anschein, dass sie es zumindest könnten.“

„Ich fürchte, dass das Raulbrin reichen wird, um sich nach Hilfe umzusehen.“

„Der Bote zu den Zweifelfelsern ist bereits los. Ich passierte gleich nach ihm das Tor.“

"Weshalb?"

"Raulbrin legte mir dies nahe, nachdem ich aufgeflogen war. Als ich merkte, dass das Gespräch beendet war, versuchte ich rasch zu verschwinden und stürzte bei dem Versuch."

Dorian fuhr sich mit der Hand durch die Haare und atmete laut dabei aus. „Vielen Dank, Onkel. Das rettet mir die Zeit, die ich noch zur Verfügung habe. Was würdest du mir empfehlen zu tun?“

„Dorian, ich bin bereits ein alter Mann, der die Entscheidungen seines Lebens getroffen hat – ob nun zum Guten oder zum Schlechten liegt nicht bei mir zu beurteilen. Niemand weiß vorher was die Götter für einen bereithalten, wo sie einen hinstellen. Du stürzt so hinein und hast bloß die Chance das Beste daraus zu machen. Ich kann mir gut vorstellen, was dich zurückhält. Als ich so alt war wie du habe ich auch darüber nachgedacht, was meine Söhne mal über mich denken mögen. Nun stehe ich da und habe nicht einmal welche und ich hätte manche Entscheidung anders getroffen, hätte ich das vorher gewusst. Was ich damit sagen will ist: Dein Sohn soll einmal Ritter werden. So wie du und ich auch. Ein Ritter hat die Aufgabe für seine Überzeugung einzustehen. Er wird dich verstehen, auch wenn es auf den ersten Blick aussehen mag, als ließest du ihn im Stich.“

„Ich soll mich zur Wehr setzen im Fall aller Fälle? Doch was ist schon meine Überzeugung? Geld?“

„Gerechtigkeit. Du wehrst dich gegen die Willkür Raulbrins. Es mag deutlich schlimmere geben als ihn, doch macht dies sein Handeln nicht richtig. Zeig ihm, dass du einem solchen Mann nicht folgst, besonders nicht in den Krieg. Er fordert Loyalität und dass ihr ihm folgt. Dann sollte er dafür sorgen, dass man ihm folgen möchte.“

Dorian dachte einen Moment darüber nach. „Ich habe nicht viele Optionen, oder?“

„Nein, hast du nicht. Entweder du gibst nach oder du sicherst dein Geld und verrätst die übrigen, die an deiner Seite stehen, indem du dich ihnen nicht anschließt, oder du stehst ein für das, was du für richtig hältst…“

„…und verlierst deinen Sohn.“, beendete Dorian den Satz.

„Das ist nicht gewiss. Du kannst nicht wissen für welche Seite sich die Zweifelfelser entscheiden werden. Sollte sich die Gelegenheit bieten ihn zu befreien, werden wir alles nur Denkbare dafür tun. Bislang handelt sich auch nur um bloßes Säbelrasseln und alle versuchen das Schlimmste zu verhindern.“

„Und dennoch… alle haben sie ihre Säbel dabei, Onkel…“