Geschichten:Alte Post - Zugestellt

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Bereits am Tag nach ihrer Ankunft, hatte Bardo um eine Audienz beim ehemaligen Circator des Sonnentempels ersucht. Da diese jedoch erst im neuen Mond zu Stande kam, hatte er die Zeit genutzt, um seinem Pagen die Stadt und ihr Umland vorzustellen. Ausreichend Zeit, um zahlreiche Anekdoten über die Könige der Ritter, Rondger und Danos von Luring, zu erzählen und das auch noch hier am Ort ihres Schaffens. Doch letztlich war es so weit, die Zeit für seine Audienz mit dem alten Praios-Geweihten war gekommen. Ohne seinen Pagen hatte sich Bardo auf den Weg zum Sankt-Quelban-Tempel gemacht. Gildor durfte nicht zu viel Wissen, er durfte von dieser Verschwörung überhaupt nichts wissen, andernfalls wäre sein Leben in Gefahr. Für den Knaben war all das ein Ausflug mit seinem Großvater, um dessen Lektionen an einem historischen Ort zu erhalten. Da verwunderte es nicht, dass der alte Ritter ein paar Augenblicke der Ruhe haben wollte um im Tempel zu beten.

Dem über Neunzigjährigen Geweihten gegenüberstehend, kam sich Bardo mit seinen Einundsechzig wie ein Jungspund vor. Manegold von Halmenwerth hatte ihn in einem Arbeitszimmer empfangen, einem ruhigen, lichtdurchfluteten Raum in einem abgelegenen Bereich des Tempels. Aufmerksam und abwartend musterten die bleigrauen Augen des Geweihten seinen Gast.

„Praios mit dir, mein Sohn, was kann ich für Euch tun … Herr von …“

Sich verbeugend, bezeugte Bardo seinem Gegenüber den notwendigen Respekt – vor dem Alter und dem schweren Amt, das sein Gegenüber lange Götterläufe innegehabt hatte. „Ritter Bardo Arngrimm von Vairningen, Hochwürden.“ Stellte er sich vor, auch wenn er gleichlautendes bei seinem Ersuchen um dieses Gespräch bereits genannt hatte. „Sicherlich können Hochwürden auch etwas für mich tun, doch eigentlich bin ich gekommen, um etwas für Hochwürden zu tun.“ Vorsichtig den Brief Praiodans von Luring aus seiner Tasche ziehend, blickte er Manegold unverwandt mit seinen hellbauen Augen an. „Dieser an Euch adressierte Brief wurde vor kurzem in der Dämonenbrache gefunden. Verzeiht, wenn ich um den Inhalt weiß, doch eben jenes Wissen ist es, das mich persönlich zu Euch kommen ließ.“

Deutlich war die Überraschung im Gesicht des Alten zu erkennen, als er den Brief entgegennahm und begann zu lesen. Mit jedem Wort, jeder Zeile, die Manegold las, wurden seine Augen etwas feuchter, bis ihm schließlich die Tränen über die Wangen rannen. Es war nicht zu übersehen, wie gerührt er war, die letzten Zeilen eines längst verlorenen Freundes lesen zu können. Je länger er den Brief las, desto bleicher wurde jedoch auch sein Gesicht, bis er schließlich die Hände sinken ließ. „Ihr bereitet einem alten Mann viel Freude, aber auch sehr viel Sorge, mein Sohn!“ Brachte der Geweihte, mit seiner Fassung ringend, hervor und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Noch immer schimmerten seine Augen feucht, als er Bardo wieder anblickte. „Ihr sagtet Ihr kennet den Inhalt dieses Briefes und wolltet mich deshalb persönlich treffen, welche Erwartung habt Ihr an einen greisen Mann?“

„Ich könnte sagen, ich bin nur der Bote und habe keine Erwartungen. Auch könnte ich sagen, ich kenne die Botschaft und hoffe, dass die Inquisition auszieht, um dem schändlichen Treiben ein Ende zu bereiten. Doch glaube ich weder Ersteres noch Zweiteres. Über viele Götterläufe, ach was sage ich, mein Leben lang habe ich unter Graf Rondger und Graf Danos gedient. Ihr müsst wissen, Rondger war mein Schwertvater, sodass ich mich ihm und seinen Sohn noch heute verpflichtet fühle.“

Es war nicht zu verkennen, der Geweihte litt darunter, dass die Wunde um den Verlust seinen alten Schützlings wieder aufgerissen worden war, aber gleichzeitig kehrte langsam eine alte Härte zurück auf seine Züge. Einzig seine tränenfeuchten Augen straften diese Härte lügen.

„Wenn stimmt, was in diesem Brief steht, ...“ Für einen Augenblick schaute der Ritter zum Brief auf den Tisch. „… dann stecken wir in großen Schwierigkeiten! Diese Geschwulst hatte viel Zeit, um zu gedeihen, sich tiefer in die Innereien der Grafschaft zu wühlen, und gleichzeitig ist die erwähnte Hoffnung noch immer ein junger Bursche, der kaum das Knappenalter erreicht hat.“

Aus den Mienen beider Männer sprach die Sorge, aber auch der Ernst. Doch es war am Geweihten, etwas zu erwidern: „Und was wollt Ihr nun unternehmen? Was gedenkt Ihr zu tun?“

„Ich schulde es Graf Rondger, dass sein Erbe weiterhin gewahrt wird, deshalb werde ich versuchen, den Jungen zu finden, und alles tun, um ihn am Leben zu halten. Ich weiß nicht, wem ich noch vertrauen kann, was dieses Unterfangen ungleich schwerer gestaltet. Zugleich kann ich Euch aber nicht sagen, was ich gegen die eigentliche Wurzel des Übels unternehmen soll. Wie soll ich den Jungen, sofern ich ihn überhaupt finde, beschützen und gleichzeitig das Übel aufspüren und bekämpfen?“

Manegold ließ den Ritter reden, vieles was er sagte bot ihm bereits Gelegenheit, bisher unerkannte Lösungsansätze auszusprechen und auch zu erkennen, aber auch er musste sich eingestehen, keine Lösung auf diese Frage zu kennen. Anfangs noch mit brüchiger Stimme, die jedoch zusehends an Kraft und Autorität gewann, rang sich der alte Götterdiener letztlich doch eine Antwort ab. „Tut, was immer in Eurer Macht liegt, doch vergesst nie, dass alles darauf hindeutet, dass der Junge die oberste Priorität hat.“ Der Sohn Praiodans! Erst nachdem sein Besucher mit einem Nicken Zustimmung signalisiert hatte, fuhr der Geweihte fort. „Kommt morgen noch einmal wieder, dann werde ich Euch eine Liste von - meines Erachtens nach - vertrauenswürdigen Personen geben. Ich muss nur in mich gehen, um die Namen zu prüfen.“ Eine weitere Träne rann über die Wange Manegolds, als dieser sich schwerfällig aus seinem Stuhl erhob und Bardo in Richtung Tür geleitete. „Nehmt das, es wird Euch als mein Vertrauter ausweisen … und mein Sohn, mögen mein Herr Praios und seine zwölfgöttlichen Geschwister schützend ihre Hand über Eure Queste halten!“

„Mögen die Zwölfe uns allen beistehen, die wir treu ihrer Ordnung folgen“, machte Bardo seiner Sorge um die Menschen der Grafschaft Reichsforst Luft, eh er sich verabschiede und den Sankt-Quelban-Tempel verließ. Erst vor der Tür schaute er sich das Kleinod an, das der Geweihte ihm gegeben hatte. Ein Siegelring aus feinem Silber in den ein Siegelstein eingefasst wurde, in golden leuchtenden Bernstein hatte dort eine kunstfertige Seele einen steigenden, löwenköpfigen Greifen eingeritzt und darunter die Worte Gloria Praionis platziert.

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Als letzte Station vor ihrer Abreise besuchten Bardo und Gildor den Tempel des Götterfürsten. Gemeinsam beteten sie, dass Praios auch weiterhin seine Ordnung versprechende Hand wohlwollend über Garetien hielt. Der alte Ritter erhob sich soeben, als ein greiser Geweihter an sie heran trat. Es war Manegold von Halmenwerth der den beiden Tempelbesuchern gegenüber die Führsorge seines Gottes Ausdruck verlieh: „Bevor die Herren aufbrechen, so hoffe ich das Euer Besuch euch der Gerechtigkeit des Herrn hat näher bringen können. Möge Praios stets über Euch wachen!“ Anschließend sprach der Geweihte einen kurzen Segen über den Pagen an Bardos Seite, der den Götterdiener mit großen Augen anblickte. Den Segen auch bei Bardo wiederholend reichte Manegold dem Ritter im Anschluss die Hand, wünschte ihm viel Glück auf seinen Wegen und steckte ihm zugleich unauffällig die versprochene Liste zu.

Beim Verlassen des Tempels gab Bardo seinem Enkel einen Dukaten, auf dass dieser ihn als Spende in den Opferstock werfen konnte. Eine Spende, mehr als angemessen angesichts der momentanen Lage und zugleich einige Augenblicke Zeit in denen er die Liste Manegolds verstauen konnten. Als Gildor am Portal wieder zu Bardo stieß, schaute er diesen neugierig an. „Du Opaaa, …“ Sagte er langgezogen. „… ich glaub der alte Mann ist senil! Der klang fast so, als müsstest du etwas für ihn erledigen.“ Der kräftige Klaps auf den Hinterkopf traf den Jungen unvorbereitet. „Aua!“, stieß er wehklagend aus und rieb sich die getroffene Stelle. Mit feuchten Augen schaute er Bardo groß an.

Vor dem Jungen auf ein Knie gehend, blickte Bardo seinem Schützling mit harter Miene in die Augen: „Selbst wenn dem so wäre, mein Junge, was ich nicht glaube, geziemt es sich nicht, dergleichen über Diener der Götter Alverans zu sagen! Zumal nicht einem Greisen, dessen Alter du ehrfurchtsvoll achten solltest.“


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Heimatgefühle


Kapitel 5

Untergetaucht
Autor: Vairningen