Benutzer:Bega/Briefspiel

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Briefspiel in Waldstein

Ein neuer Herr

Ein neuer Herr - Briefspielreihe

Hochzeit in Waldstein

Hochzeit in Waldstein - Briefspielreihe

Die Spur der Bekenner

Die Spur der Bekenner - Briefspielreihe

Der Pakt der drei Witwen

Aus den Tiefen des Waldes

Düstere Schatten

Burg Zweifelfels, Baronie Zweiflingen, 5. Tag des Namenlosen auf den 1. Praios 1043 BF

Mit dem Schwert in der Hand schritt er über die blutgetränkte Erde. Er war kraftlos, ausgemergelt, voller Zweifel und Hoffnungslosigkeit. In der Ferne versank das Praiosmahl blutrot hinter endlosen, hoch getürmten Leichenbergen. Bäche voller Blut ergossen sich über das Land, welches er seine Heimat nannte. Die Schreie der Sterbenden verstummten, als der letzte Baum des Mittwaldes seine blutgetränkten Blätter abwarf. Stille.

Plötzlich erklang eine wohlbekannte Melodie. Erst kaum hörbar, dann wurde sie immer lauter. Eine Kinderstimme sang immer wieder die selbe Strophe, die jeder in Waldstein kannte:

'Werdomar, der Freund der Elfen, wird Dir aus der Drangsal helfen ... '

'Werdomar, der Freund der Elfen, wird Dir aus der Drangsal helfen ... '

'Werdomar, der Freund der Elfen, wird Dir aus der Drangsal helfen ... '

Ein Gefühl der längst vergessen geglaubten Hoffnung durchströmte ihn. War noch nicht alles verloren?

In der Ferne sah er eine Gestalt auf einem weißen Pferd. Eine liebliche Frauenstimme sprach zu ihm:

'Sanyasala thara'la, der Wald braucht dich feyiama. Das zerza hat Besitz von den telor genommen. Das nurdra des Landes wird schwächer. Folge deiner Bestimmung.'

Er erkannte die Stimme sofort, es war die seiner Gräfin Allechandriel Quellentanz.

'Mein nurdra schwindet, doch würde ich mein Leben für das Land geben.'

'Thara'la, dein mandra ist immer noch ungebrochen. Folge am Tage an dem sich das Zeichen der Erde Korgonds zum dritten Mal jährt dem Pfad der Meinen ins Herz des Waldes.'

'Eorla, lavar! Ich werden folgen!'

'Nurd'dhao, feyiama!'

Die Reiterin am Horizont verschwand und seine Umgebung begann zu verschwimmen.


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Schweißgebadet wachte Gisborn auf. Neben ihm schliefen friedlich seine Gemahlin Isida und sein Gefährte Iserion. Unruhige Zeiten würden auf das Herz des Reiches zukommen, da war er sich sicher. Die Gräfin hatte ihm seine Vision gesandt, nun war es an ihm zu handeln.


Autor: Bega

Familienbande

Burg Falkenwind, Baronie Falkenwind, Mitte Praios 1043 BF

Erschöpft aber zufrieden kehrte Baron Allerich von Falkenwind auf seine Burg zurück.

„War die Falkenjagd erfolgreich?“, erkundigte sich Ulmfried Sauerbinder, die gute Seele der Burg und väterlicher Freund des Barons.

„Das war sie, mein guter Ulmfried, das war sie! Auch wenn ich gegen meine liebe Schwester Celissa nicht die geringste Aussicht hatte mit meinem Können zu glänzen. Sie und ihr Sturmfalke sind eins. Daran gibt es nichts zu deuten.“ Der Baron blickte anerkennend zu seiner Schwester.

„Liebster Bruder, immerhin hast du dich besser geschlagen als unser Vetter Vallbart.“ Die Kronvögtin von Serrinmoor lächelte Vallbart neckisch an.

„Ich finde einfach nicht mehr genug Zeit für diese wundervolle Beschäftigung.“ Der Landvogt von Silz zuckte mit den Schultern.

Baron Allerich deutete ein Nicken an und Burgvogt Sauerbinder und die drei Ritter Rhena von Plöch, Grimmwulf von Hellrutsberge und Arngrimm von Waldtreuffelingen, die die Jagdgesellschaft komplettiert hatten, zogen sich zurück.

Der Baron genoss die Dreisamkeit mit seiner Schwester und seinem Vetter. Jetzt, da alle drei für Gräfin und Königin in Ämter und Würden waren, fanden diese Familienzusammenkünfte viel zu selten statt, wie Allerich empfand.

„Bruder, wie geht es Selfina?“, fragte Celissa mit Bedacht, wohl wissend, dass dies eine heikle Angelegenheit war.

„Sie bemüht sich redlich …“, Allerich stockte, „es ist sehr schwer für sie hier, mitten im Forst, so fern von ihrer Familie. Das Land ist hier fremd geblieben. Hinzu kommt noch die besondere Bürde die unsere geliebte Tochter zu tragen hat. Daher lebt sie sehr zurückgezogen.“

„Die ewige Bürde … gerade was unsere Familie betrifft nicht die leichteste.“ Vallbart seufzte.

„Vetter, du bist noch nicht mal verheiratet“, Celissa schaute belustigt und irritiert zugleich zu Vallbart.

„Ich fühle eben mit euch.“ Gab dieser mit einem Augenzwinkern zurück.

„Kommen wir zu einem ernsteren Thema.“ Allerichs Gesichtszüge verhärteten sich. „Wir drei haben die Visionen unsere Gräfin erhalten. Die Frage ist, wer noch?“

„Ich weiß aus sicheren Quellen, dass in Neerbusch und Linara ebenfalls Vorbereitungen getroffen werden, die darauf hindeuten“, antwortete Celissa.

„Der junge Baron auf dem Zweifelfels hat sie ebenfalls erhalten, da bin ich mir sicher.“

„Und der Rest? Schwanenbruch? Uslenried? Leihenbutt?“ Celissa schaute fragend in die Runde.

„Sehr unwahrscheinlich. Die folgen in erster Linie dem Seneschall. Die Gräfin wird sehr behutsam damit umgegangen sein wem sie Vertrauen schenkt … Als lavar, also als Hüterin des Waldes, wird sie sich nur an die laiama, die Freunde des Waldes gewandt haben.“ Vallbart klang nachdenklich.

„Wir als Hüter der Falkenwinder Lande werden zu unserer Gräfin stehen und ihr folgen wo auch immer sie uns hin führt. Nur sie kennt die Seele des Waldes.“ In Allerichs Stimme klang echte Bewunderung mit.


Autor. Bega

Aufbruch

Burg Zweifelfels, Baronie Zweiflingen, Praios 1043 BF

Es herrschte Aufbruchstimmung auf der uralten Stammfeste der Familie Zweifelfels. Baron Gisborn hatte sich entschlossen nur mit kleiner Bedeckung nach Silz zu reiten um seinen Visionen auf den Grund zu gehen.

„Meister Jondrean, sind alle Vorbereitungen getroffen?“ Mit wehenden Umhang schritt Baron Gisborn den langen Gang entlang. Dicht gefolgt von seinem Leibpagen Alarion.

„Ja, Herr.“ Der altere Mann war schon sichtlich außer Atem. „Obwohl der Hauptmann zu bedenken gibt, zumindest eine Hand voll Eurer Hausritter … .“

„Nein“, unterbrach der Baron seinen Kammerherren. „Iserion und zwei meiner Knappen werden mich begleiten. Mein treuer Freund Tybald wird mein Schwertarm sein.“

„Mit Verlaub, ist dieser nicht selber noch jung an Jahren und unerfahren im Kampfe?“

„Du meinst so wie ich? Tybald hat vergangenen Mond seine Schwertleihe erhalten. Er ist nun ein wahrhafter Waldsteiner Ritter. Ich möchte ihn bei dieser besonderen Angelegenheit um mich wissen.“

„Verzeiht, Herr, ich wollte nicht anmaßend klingen.“ Meister Jondrean verbeugte sich sich im Schnellschritt.

„Nichts für ungut, treuer Freund, ich bin mir sicher du wolltest nur mein Bestes.“


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Auf dem Burghof warteten die Knappen erwartungsvoll auf ihren Schwertvater, als dieser schließlich schnellen Schrittes aus dem Palas geschritten kam. Auch die anderen Reisegefährten des Barons und seine Gemahlin hatten sich hier versammelt.

„Tybald, Iserion, ich freue mich auf eure Begleitung.“ Der Baron schloss beide in seine Arme und wandte sich dann zu den Knappen. „Ich weiß, ich bin kaum Älter als ihr und dennoch folgt ihr mir loyal. Zwei von euch werde ich mit auf meine Reise nehmen.“ Er blickte in die Runde.

Rohaja, Esmer, Leuhelm und Theria blickten mit großen Augen zum Baron auf.

„Rohaja die Ungestüme und Esmer die Bedachte, ihre beide werdet mich begleiten. Leuhelm und Theria, euch beiden kommt derweil die Aufgabe zu meine liebe Frau Gemahlin mit eurem Leben zu beschützen! Auch das gehört zu den ritterlichen Aufgaben.“

Rohaja und Esmer wirkten überglücklich. Wirkten Leuhelm und Theria auch erst enttäuscht, waren es die wahrhaften Worte ihrer Schwertvaters die sie auf ihre Pflichten besannen.


Autor: Bega

Gedanken

Burg Leustein, Baronie Linara, 5. Namenloser auf den 1. Praios 1043 BF

Ein Weinen schreckte Tahlmare aus Ihren, von Alpträumen geprägten Schlaf. Aus dem Schlaf gerissen, blickte sie um sich. Das Weinen kam von ihrer Jüngsten. Bevor sie aufstand, um nach ihr zu sehen, warf sie einen Blick, auf die andere Seite des Bettes, das kalt und leer war. Seufzend stand sie auf, um zur Wiege zu gehen. Ein „Sensibar“ verriet ihr, dass die Kleine keinen Hunger hatte oder ein Windeltausch vonnöten war. Dann nahm sie das weinende Kind heraus und fing an, es in ihren Armen zu wiegen. Leise fing Tahlmare an, ein Kinderlied zu summen. Das zeigte Wirkung. Die Kleine wurde leiser, leiser und verstummte, um der Melodie zu lauschen. Tahlmare war aufgewühlt, vom dem was sie geträumt hatte. Das Lied, dass sie ihrer Tochter vorsummte, fing an, seine beruhigende Wirkung auch auf ihr sich auszudehnen. „Woher kannte sie das Lied?“ fragte sie sich im Gedanken. „Richtig, im Traum.“, gab sie sich selbst im Geiste die Antwort. Sie fing an ihre Gedanken zu ordnen, dass was sie im Traum gesehen und gehört hatte. Dann wurde sie von ihrer älteren Tochter unterbrochen „Mami, ich kann nicht schlafen“ verkündete sie in einem weinerlichen Ton und kam zu ihrer Mutter, um sich an ihr zu schmiegen. „Och Mäuschen…“ entgegnete sie ihrer älteren Tochter und unterbrach dabei das Singen. Das gefiel ihrer jüngeren Tochter nicht. Bevor es zu laut wurde, setzte Tahlmare das Summen des Kinderliedes fort. Sie nahm ihre ältere Tochter, die inzwischen fast im Stehen eingeschlafen war beiseite und schob sie in Richtung ihres Bettes. Schlafwandelnd legte sich ihre ältere Tochter ins Bett. Tahlmare folgte ihr, das Kleinkind haltend. Dann lagen alle drei im großen Bett, Platz genug war ja. Während sie zwischen ihren beiden Töchtern lag und das Lied weitersummte, dachte sie nach. Dann kam sie zu dem Schluss, dass es nur einen Weg gab…


Autor: Tahlmare

Linara folgt dem Ruf

Burg Leustein, Baronie Linara, Mitte Praios 1043 BF

Emsig verstaute Allessandrian die Reisesachen auf sein Pferd. Die Aufregung stand ihm ins Gesicht geschrieben, denn er durfte seine Herrin, Baronin Tahlmare von Linara, mit nach Silz begleiten. Schon bald würde er also leibhaftig vor der Gräfin stehen. Ein großer Moment im Leben des Knappen. Auch würde er im märchenhaften Elfenschloss seine elfische Urgroßmutter wiedersehen.

Lange schon beschäftigte sich Allessandrian mit dem elfischen Erbe seines Bluts. Er fühlte sich im Wald zuhause, empfand eine enge Verbundenheit zu den Kreaturen. Mitunter hatte er das Gefühl, die Tiere des Waldes würden ihn verstehen, wenn er mit ihnen redete. Sie standen ihm näher als die meisten Menschen. Daher hatte er so seine Schwierigkeiten auf Burg Leustein. Das Knappendasein lag ihm nicht. Dieses ewige mit dem Schwert rumgefuchtel war ihm zuwider. Dabei gab sich sein Schwertmeister Albin die größte Mühe Nachsicht mit dem Erben von Eibenhain walten zu lassen – auf Anordnung der Baronin. Doch es half nichts, viel lieber durchstreifte er mit seinem Gefährten Arik mit Bogen und Speer die Wälder. Bei den Gedanken an Arik begannen seine Augen zu glänzen. Sein fast gleichaltriger Stiefbruder war das komplette Gegenteil von ihm: Groß, muskulös, unterhaltsam, ein Ass mit dem Schwert und der Schwarm alle junger Mädchen und Jungen auf der Burg. Allessandrian hingegen war eher feingliedrig, nachdenklich und mied große Gesellschaften – außer Arik, mit ihm konnte er den ganzen Tag verbringen ohne dass dieser in störte. Vor einem Mond hatte Arik seinen Ritterschlag erhalten. Er war nun ein richtiger Ritter in den Diensten der Baronin.

Allessandrian wusste, dass er Linara nach Beendigung seiner Ausbildung verlassen würde. Mit Ausbildung war allerdings nicht sein Knappendasein gemeint. Dies war mehr oder weniger Fassade, denn eigentlich war er hier um von Tahl in den magischen Künsten geschult zu werden. Madas Macht war stark in ihm – wohl auch ein Erbe seines elfischen Blutes. Doch um dereinst selbst über Eibenhain herrschen zu können, musste dieses Geheimnis verborgen bleiben. Hier auf der Burg wussten neben Tahl nur Arik davon.

Das Tor zu den Stallungen knarrte und Arik schritt hinein.

„Simi, du packst schon? Kannst es wohl kaum erwarten, hä?“ Arik küsste seinen Gegenüber liebevoll auf die Stirn. „Mir geht es auch so. Es ist auch mein erstes Mal in Silz.“

„Mir geht es gut, ich bin nur eben gerne vorbereitet.“ Allessandrian vergrub sich in Ariks Oberkörper. „Die Frage ist vielmehr, wie geht es ihr?“

„Die Ereignisse während der Namenlose Tage haben ihre Spuren hinterlassen. Keine Ahnung was da los ist.“ Arik zuckte mit der Schulter.

„Hast du eine Ahnung wann der Baron wieder zurück sein wird?“

Arik schüttelte nur mit dem Kopf und fing an sein Pferd für die anstehende Reise fertig zu machen.


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Tahlmare überprüfte in ihren Räumen ihre Ausrüstung. Die Kinder spielten mit anderen Kindern auf der Burg. Ihr Hut, ihr Begleiter seit fast 70 Götterläufen machte den Eindruck, als wäre er gerade in einem Hutgeschäft erworben. Nun ja, nicht ganz. Dieser Hut hatte schon seine Gebrauchsspuren, war dank guter Pflege einwandfrei erhalten. Dann das Rapier, dass sie auf ihren Reisen dabeihatte. Sie schwang es ein paar Mal hin und her. Ein paar Kerzen mussten als Beweis dafür herhalten, dass es immer noch scharf war. Zufrieden blickte sie auf ihre Waffe. Dann betätigte sie einen verborgenden Schalter und plötzlich fuhr eine Klinge aus dem Griffende der Waffe, die dann einrastete. Zufrieden schob Tahlmare die Klinge zurück in den Griff. Ihre Vorbereitungen wurden unterbrochen als es an der Tür klopfte.

„Herein“ rief Tahl. „Ich habe ich schon erwartet.“

Nach dieser Aufforderung traten ein Ritter und ein Geweihter der Tsa ein.

„Sei gegrüßt, Kyles alter Freund“

„Hallo Tahl“, entgegnete Kyles.

Bevor der Ritter etwas sagen konnte, sprach Tahl ihn an: „Ich bleibe dabei, nur mein Knappe und ich! Sonst niemand.“

„Ich kann nicht umherkommen, und meine Bedenken äußern. Nimmt zumindest mich mit, alleine schon wegen der Ausbildung von Allessandrian“ argumentierte Albin.

„Jemand muss hierbleiben, der dafür sorgen kann, dass mir nicht schon wieder die Burg abhandenkommt. Ich habe keine Lust wieder heimlich in meine eigene Burg einsteigen zu müssen. Was die Ausbildung von Allessandrian angeht, ist jetzt an der Zeit ihm ein paar Kniffe mit dem Schwert zu zeigen, die nicht jeder unbedingt für ritterlich erachten wird.“ Mit diesen Worten rieb sich Tahl unwillkürlich eine Stelle, wo Randolph sie übel erwischt hatte. „Mehr noch, werde ich jetzt stärker seine anderen Talente schulen.“

Seufzend nahm Albin diese Entscheidung seiner Baronin hin.

Tahl wendete sich an Kyles: „Dir danke ich, dass deine Frau und du auf meine beiden Mäuschen aufpasst.“

„Das tun wir gerne“, entgegnete der Tsa-Geweihte.

„So, jetzt lasst mich zu Ende packen. Allessandrian und ich werden bald aufbrechen. Ich denke, wir werden erwartet. Wir sehen uns dann unten auf dem Burghof“, sprach Tahl und wendete sich wieder ihrem Rucksack und den nicht eingepackten Gegenständen zu.


Autoren: Bega, Tahlmare

Ein Ritt zu zweit

Auf der Reichsstraße östlich von Bitani, Baronie Linara, Mitte Praios 1043 BF

Allessandrian war sehr überrascht gewesen, als die Baronin verkündet hatte nur mit ihm nach Silz reisen zu wollen. Auch Arik wirkte mehr als nur enttäuscht, doch folgte er ohne ein Widerwort den Anordnungen seiner Herrin.

So ritten die beiden also schweigend, Seite an Seite, die Reichsstraße gen Hirschfurt entlang. Diese Momente der Zweisamkeit zwischen Knappe und Schwertmutter hat es so schon lange nicht mehr gegeben – besonders seit der Geburt der beiden Mädchen.

Nachdenklich schaute er zu der junggebliebenen Baronin hinüber. Er wusste nicht warum sie nach Silz ritten. Tahl hatte nur immer etwa von 'Die Gräfin hat gerufen' gefaselt. Mehr kam nicht über ihre Lippen. Allessandrian wusste auch, dass Tahl seit den Namenlosen Tagen nicht gut schlief. Wegen der Mädchen? Oder steckte da mehr dahinter?


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„Es ist manchmal schwer etwas in Worten zu erklären!“, unterbrach Tahl die Stille. „Deswegen bin ich auf deine gestellten und nicht gestellten Fragen nicht näher eingegangen. Wie du bereits gemerkt hast, reisen wir, ohne unsere Farben zu tragen, nur zu zweit. Ich hielt es für besser, unauffällig die Gräfin aufzusuchen. Das sind nicht die einzigen Gründe. Die Nachricht, die ich erhalten habe war…, aber dass wirst du beizeiten selbst sehen und dann für dich behalten solange die Gräfin nichts Anderes mitteilt.“

Leicht erschreckt über das plötzliche Ende der Stille, das ihn aus seinen Gedanken riss, reagierte Allessandrian zuerst nicht. Sein Blick ruhte auf seiner Schwertmutter und Lehrmeisterin.

„Wie werde ich das ungesehene selbst sehen, das unhörbare selber hören können?“

„Ich werde dir den Weg weisen, wie du durch Mandra jemanden etwas mitteilen kannst ohne Worte zu verwenden und dass über viele Meilen reicht, wenn du stark genug bist.“

Allessandrian hörte aufmerksam zu.

„Die Magier nennen es 'Elfen, Freunde hört den Ruf, den ich still im Geist erschuf.' Das kann man ziemlich wortwörtlich nehmen. Du vermittelst keine Worte, sondern Gedanken auf diesen Weg. Allerdings, wenn du eine Botschaft auf diese Weise überbringst, kann jeder, der diese Gabe beherrscht, diesen Ruf vernehmen, auch wenn er deiner Sprache nicht mächtig ist. Deswegen bin ich mit dir alleine gereist, denn solange du noch unerfahren mit dem Umgang bist, können deine Gedanken für jeden, der diese Gabe beherrscht eine offene Schriftrolle sein.“

Tahl holte kurz Luft und setzte fort „Die bessere Nennung wäre gewesen, 'Elfen, Freunde, Jeder, Feinde die es können, hört den Ruf, den ich still im Geist erschuf.' Ich kann dir dazu eine Geschichte erzählen, welche Folgen das haben kann, wenn man nicht daran denkt. Aber mach dir keine Sorgen. Wenn du diese Gabe besser beherrscht, wirst du in der Lage, nur denen deine Gedanken mitzuteilen, die du tatsächlich erreichen möchtest.“

„Und die, die kein Mandra haben?“ fragte Allessandrian

„Mit genügend Erfahrung wirst du in der Lage sein, auch jemanden deine Gedanken mitteilen, der über kein Mandra verfügt.“ beantwortete Tahl die Frage. Dann fuhr sie fort: „Wir werden am Abend uns einen abgelegenen Lagerplatz suchen, wo wir keinen stören und ich dir den Weg weisen werde.


Autoren: Bega, Tahlmare

Bilder

Abseits Reichsstraße östlich von Hirschfurt, Grenze Baronie Schwanenbruch, Mitte Praios 1043 BF, Am Abend


Weit außerhalb der Reichsstraße schlugen Allessandrian und Tahl ein Lager auf. Während Tahl den Lagerplatz herrichtete, ging Allessandrian auf die Jagd und kam nach einiger Zeit erfolgreich wieder zurück. Das Abendessen der beiden wahr gesichert. Nachdem die Beute ausgenommen über dem Lagerfeuer zubereitet wurde, fing Tahl mit ihrem Unterricht an.

Beide setzten sich bequem gegenüber hin. Dann forderte Tahl Allessandrian ihr seine Hand zu reichen, was er dann auch tat. Dann sangen die beiden 'diun i'dao sala mandra' und knüpften so ein Band. Dann erklärte Tahl Allessandrian „Lege jetzt deine andere Hand an deine Stirn, schließe deine Augen, konzentriere dich auf deine Worte und sing 'feya, ama visya'ray'. Dann teile mir etwas mit. Am besten, fang mit etwas Einfachen an.“

Allesandrian tat wie ihm geheißen, doch hatte er Schwierigkeiten einen klaren Gedanken zu fassen. Zu viel geistert durch seinen Kopf, zu viel wog schwer auf seiner Seele. Er vermisste seinen Vater und seine Geschwister – vor allem Tarya. Und dann war da noch Arik, sein großer Halt und Seelenfreund. Er versuchte einen klaren Gedanken zu fassen.

Mit fester Stimme klang der elfische Gesang aus seinem Munde. Der Gedanke, der in den Klängen mitschwang war schlicht 'Tarya'.

Tahl lächelte, als sie von Allessandrian das Bild von seiner Schwester erhielt und die damit verbundenen Gefühle. Als Antwort sendete Tahl ein Bild von Tarya, wie sie gerade auf einer Lichtung Kräuter pflückte. Tahl wartete einen Moment, bis Allessandrian ihre Bilder auf sich wirken lassen konnte, dass erklärte sie: „Du hattest mir ein Bild deiner Schwester mitgeteilt. Ich hatte das als Frage aufgefasst, ob ich wisse, wo Tarya sei, ob es ihr gut geht. Bilder können mehr beinhalten, als Worte. Ich hatte dir als Antwort einen Ort gezeigt, wo sie sich nach meinen Erinnerungen befunden hatte. Das kann ich entweder durch eine eigene Erinnerung wiedergeben, dass ich sie dort gesehen hatte oder dass Tarya mir mitgeteilte, dass sie vorhatte auf einer Lichtung Kräuter zu pflücken und ich somit ein entsprechendes Bild forme, dass ich mitteile.“ Tahl holte Luft, bevor sie fortfuhr: „Wir werden das noch ein paar Mal üben. Dann zeige ich dir einmal, wie du vermeiden kannst, Bilder zu empfangen. Schließlich gilt auch für dich, dass du durch deine Kenntnis auch andere jetzt „hören“ kannst, wenn sie ohne einen bestimmten Empfänger etwas mitteilten und du es nicht mitbekommen möchtest. Dann, wie du nur Bestimmten Personen etwas mitteilst ohne dass andere etwas mitbekommen, seien sie in deinem Blickfeld oder auch nicht.

„Wie weit entfernt kann ich jemanden erreichen?“ fragte Allessandrian.

„Das hängt ab wie viel Übung man hatte und wie nahe einem die Person steht, der man etwas mitteilen möchte. Mit etwas Einstimmung könnte ich von hier aus jemanden auf Leustein erreichen.“, antwortete Tahl.

Allessandrian wirkte überrascht, damit hatte er nicht gerechnet.

„Du mit deiner Begabung,“ setzte Tahl fort, „kannst wahrscheinlich bald in kurzer Zeit auf die halbe Entfernung jemanden erreichen.“ Tahl überlegte kurz. „Es mag nicht für jede/jeden gelten, aber dir sollte es möglich sein, bald von beispielsweise Leustein aus, Nachrichten deiner Schwester zukommen zu lassen.“

Ein sanftes Lächeln umspielte die Mundwinkel des Jungen. Sein Herz fühlte sich nun nicht mehr so schwer an.

Autoren: Bega, Tahlmare

Meine Gedanken, deine Gedanken

Südlich von Silzstein, Grenze Gräflich Silz, Mitte Praios 1043 BF

„Wir machen hier kurz Rast“ verkündete Tahl und bedeutete ihrem Pferd stehen zu bleiben.

„Wieso?“ fragte Allessandrian. „Wir sind fast da. Sobald wir dieses Waldstück durchquert haben, können wir schon die Burg sehen.“

„Ich hatte dir versprochen, dir die Nachricht mitzuteilen, die ich erhalten habe“ begründete Tahl ihre Rast. „Wenn du sie noch wissen möchtest. Denn...“ Tahl suchte nach den passenden Worten, „die Nachricht ist auf dem ersten, vielleicht auch zweiten Blick nicht ganz klar. Und sie ist, sagen wir, leicht verstörend.“

„Ich möchte es dennoch wissen, was dir die Gräfin mitgeteilt hat“ erwiderte Allessandrian.

„Nun gut.“ erwiderte Tahl. „Mache die auf etwas gefasst. Ich hatte nicht das Privileg der Vorwarnung gehabt. Bereit?“

„Bereit!“

Tahl berührte Allessandrian an der Schulter und sendete ihm die Bilder.

Hoch konzentriert ließ der Jüngling die Bilder auf sich einwirken. Doch seine anfangs entspannten Gesichtszüge verhärteten sich, sein Ausdruck sprach nun von puren Entsetzen. Die Eindrücke der Bilder gruben sich tief in seinen Verstand.

Als die Bilderflut abebbte, riss Allessandrian seine Augen auf. Tränen liefen seine Wangen herunter.

„Alles gut?“, fragte Tahl vorsichtig und etwas in Sorge.

„Ja, ich denke schon“, antwortete der Schüler seiner Lehrmeisterin stockend. „Die Bilder … sie waren so klar … so real. Und dann das Lied … ich kenne es aus meinen Kindertagen. Meine Uhrgroßmutter hat es mir immer vorgesungen.“


Autoren: Bega, Tahlmare

Ankunft in Silz

Burg Silz, Gräflich Silz, Mitte Praios 1043 BF

Gemächlich ritt Edorian mit den anderen Neerbuschern in den Burghof ein. Es war ein gutes Gefühl wieder hier zu sein. Es war ein Leichtes für ihn gewesen Leomar davon zu überzeugen ihm die Führung der Delegation aus Neerbusch zu übertragen, denn kaum einer in Neerbusch kannte den Wald besser als er – und Ealdur von Siandes, den der Kronvogt ebenfalls auf Empfehlung Edorians mitschickte. Zur Bedeckung waren dann noch die Ritter Gunwald von Mistelhain und Lubomir von Zweifelfels mit von der Partie.

Edorian wusste von den Visionen die Leomar in den Namenlosen Tagen anheimfielen – denn er hatte sie auch gesehen. Offenbar wollte die Gräfin auch ihn zu sich rufen. Leomar erzählte er davon freilich nichts – der Stolz des Kronvogts hätte sonst Schaden genommen. Doch verschlimmerte sich der Zustand von Edorians Lehnsherren auch über die Namenlosen Tage hinaus, so das sich dieser außer Stande sah, selber nach Silz zu reisen.

Auf dem Burghof hatten die hier stationierten Waldsteiner Pikeniere Aufstellung genommen und Edorian begann über das ganze Gesicht zu strahlen, als er den Kommandanten der Garde gewahr wurde.

„Na was sehen meine Augen, Alarion, mein liebster Vetter!“ Edorian saß ab und schritt auf den großgewachsenen Mann um die 30 zu und umarmte ihn herzlich.

„Edorian, du hier?“ Alarion wirkte sehr überrascht und leicht verwirrt. „Aber schön dich zu sehen!“

Alarion gab seiner Stellvertreterin Tanit von Alka zu verstehen, den Appell fortzuführen, was diese mit einem knappen Nicken quittierte.

„Ich wurde gerufen, also bin ich hier.“ Edorian lächelte bedeutungsschwanger. „Und du bist mit deiner Garde unser Empfangskomitee?“

„Nicht ganz, mein Lieber.“ Alarion nahm Edorian etwas zur Seite und dämpfte seine Stimme. „Wir wurden abkommandiert … die gesamte Garde … nach Rabenfels. Wie es heißt ist die Gräfin sehr besorgt über die Ereignisse bei unseren Nachbarn.“

„Ah diese verfluchte Eskalation zwischen Hartsteen und Luring.“ Edorian verdrehte die Augen.

„Ganz recht“, Alarion nickte mit dem Kopf, „und meine Aufgabe wird es nun sein den Wald vor dieser namenlosen Fehde zu schützen.“

„Mögen die Mächte des Waldes mit dir sein, bester Vetter. Ich weiß, du wirst dem Land und unserer Gräfin alle Ehre machen.“

Alarion nickte und verabschiedete sich mit einer herzlichen Umarmung von seinem Vetter.

Edorian Gedanken überschlugen sich. Waldsteiner Truppenbewegungen, der Ruf der Gräfin nach Silz. Hier war etwas sehr Großes im Gange.

Lautes Hufgetrappel riss ihn aus seinen Gedankenspiel. Hoch zu Ross trabten drei Frauen durch das Burgtor, gefolgt von einem Jüngling. Es waren die Osenbrücker Amazonen, wie Baronin Selindra und ihre beiden Begleiterinnen Finyara und Arva ehrfürchtig genannte wurden. Der Jüngling war Selindras Knappe Rowan. Mit regungsloser Miene ließen die drei Frauen ihre Blicke über den Burghof schweifen. Vor dem Palas schien sie gefunden zu haben was sie suchten. Es war Edorian als habe er auf dem Antlitz der Baron kurz einen Anflug eines Lächeln erblickt, als diese geradewegs auf Kronvögtin Celissa von Falkenwind zuritt.

Doch etwas lenkte Edorian noch mehr ab als sie Osenbrücker Amazonen – es war der Anblick seines Sohnes der gerade mit Baronin Tahlmare von Linara durch das Burgtor geritten kam.


Autor: Bega

Visionen des Landes

An den heiligen Tagen,

an denen das Land Korgond offenbart,
werden vier mal acht tapfere Streiter es wagen
das Ringen um das Land auszutragen

Blutrot dräut Forst und See
doch, Streiter des Waldes, kennt keine Weh
aus den Tiefen der Zeit beschwören

hat das Land zu Erlösung auserkoren


Vision von Gräfin Allechandriel Quellentanz am 'Tag des Aufbäumens der heiligen Erde', dem dritten Jahrestage von Korgonds Offenbarung des Elements Humus. Burg Silz, 20.1.1043 BF.

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"Lavar, Hüterin des Waldes, so ist es nun offenbart, unser Weg nunmehr vorgeschrieben." Vallbart von Falkenwind blickte mit ernster Miene zu seiner Gräfin rüber, die an den obersten Zinnen des Rosenturms stand und über die unendlich grünen Weiten des Reichsforsts blickte.

"Laiama, Freund des Waldes, verzag nicht, denn das Land wird seinen Kreaturen beistehen. Das mandra der thar'a'la, der Streiter des Waldes, ist stark." Gräfin Allechandriels Worte waren voller Zuversicht.

"Nicht alle werden Euch auf diesen Weg folgen", gab Vallbart zu bedenken.

"Das wird auch nicht nötig sein, talaiama, mein Menschenfreund. Damit das Land gedeihen kann, müssen sich nurdra und zerza offenbaren, damit die faulen Wurzeln, die unser Land vergiften, vergehen können."

"Die Treuen des Waldes stehen bereit und warten auf Euer Zeichen. Sie werden Euch folgen - bis in den Tod wenn nötig."

"Das Land wird an den heiligen Tagen von Korgonds Offenbarung zu mir sprechen. Die thar'a'la sollen bereit stehen."

"Das werden sie! Doch das Ringen von nurdra und zerza droht unser Land zu zerreißen, lavar. Viele Eurer Gefolgsleute, besonders aus dem Süden, sind blind und taub, sie können das Land nicht sehen und seine Stimme nicht hören. "

"Es wird unser Land zerreißen, laiama, doch stärker geeint werden wir aus der blutgetränkten Erde wieder auferstehen und das Land wird gedeihen."

"Viele Unschuldige werden sterben." In Vallbart Stimme klang Unbehagen mit.

"In den Zeiten des Blutes ist keiner unschuldig, mein Menschenfreind!" Sprachen die Worte Allechandriels doch von ihrer elfischen Weltsicht auf die Dinge, so stand ihn ihrem Blick unendliche Güte geschrieben. Ein für Vallbart schwer zu vereinbarender Gegensatz. Dennoch hatte die Gräfin in seinen Augen recht.


Autor: Bega

Rat der Treuen

Burg Silz, Grafschaft Waldstein, 20. Praios 1042 BF:

Allessandrian folgte seiner Knappenmutter in den Burggarten, der so gar nicht wie einer eines herrschaftlichen Schlosses aussah. Vielmehr hatte er das Gefühl auf einmal an einem verwunschenen Ort zu sein. Wild wuchernd bahnten sich die Pflanzen ihren Weg und doch schien eine unsichtbare Hand sie zu leiten. Bäume und Büsche bildeten überdachte Gänge, die in allen erdenklichen Farben Blüten trugen. Natürlich gewachsene Bänke und Tische luden zum verweilen ein. An einem steinernen Brunnen plätscherte das kühle Nass aus vier Füllhörnern. Die Staue inmitten des Brunnens zeigte eine elfisch aussehende Frau, deren Augen verbunden waren. Dutzende Vögel labten sich am frischen Wasser und erfüllten die mittägliche Wärme mit einem vielstimmigen Gezwitscher. Staunend blickte sich Allessandrian um.

Unter einem großen Walnussbaum hatten sich bereits die anderen Gerufenen versammelt, darunter die Barone von Falkenwind, Osenbrück und Zweiflingen samt Gefolge. Auch Serrinmoor und Neerbusch waren vertreten. Allessandrian hatte sich sehr auf seinen Vater gefreut, der mit den übrigen Neerbuschern angereist war, doch für viel mehr als eine innige Umarmung hatten sie noch nicht die Zeit gehabt.

Plötzlich stupste Allessandrian jemand von der Seite an.

"Wusstest du, dass dieser Walnussbaum das ganze Jahr Früchte trägt? Er ist besonders bei den Eichhörnchen sehr beliebt."

Große, bernsteinfarbenen Augen blickten Allessandrian freundlich an. Sie gehörten einen ungefähr gleichaltrigen Mädchen.

"Ehm ... das wusste ich nicht", antwortete er etwas unbeholfen.

"Ich bin Yendara, ich diene dem Landvogt von Silz als Knappin."

"Freut mich. Ich bin Allessandrian, ich diene ... ."

"Der Baronin von Linara, ich weiß." Yendara lächelte.

"Aber woher ... ."

"Ich das weiß?", unterbrach ihn das Mädchen keck. "Ich weiß es eben."

"Viele haben den Ruf der Gräfin vernommen und sind nun hier." Allessandrian versuchte mit einem Themenwechsel seiner Verwunderung darüber zu überspielen, warum die Knappin des Silzer Landvogts ihn kannte.

"Vielmehr ist doch interessant wen die Gräfin NICHT gerufen hat." Yendara lächelte verschmitzt.

Beide richteten ihre Aufmerksamkeit auf drei Personen die den Kreis betraten. Es war Gräfin Allechandriel Quellentanz, die von Landvogt Vallbart von Falkenwind und Burgvögtin Mayana Schwalbenflug begleitet wurde.

Allessandrian war schier überwältigt von der Erscheinung der mysteriösen Elfengräfin. Sie war großgewachsen und trug ihre vollen, goldblonden Haare nur durch ein mit Federn geschmücktes Stirnband gebändigt. Ihre warmherzigen, bernsteinfarbenden Augen ruhten einen Augenblick auf den Jungen, was sein Herz unverzüglich höher schlagen ließ, bis die alterslos erscheinende Herrin des Landes ihre liebliche Stimme erhob.

"Sanyasala, laiama! Ich heiße euch willkommen, Freunde des Waldes! Die namenlose Finsternis hat uns einen Blick in die Zukunft unseres Landes offenbart in der das mandrala, die Seelenkraft des Waldes, vom alles vernichtenden zerza aufgezehrt wird.

Ich habe euch, laiama, am dritten Jahrestage des Korgonder Zeichens der heiligen Erde, als das Land sich gegen die Schergen des Erzverderbers erhob, zu mir gerufen, um das nurdrala, die Lebenskraft des Waldes zu schützen.

Blutrot färbt sich das dao, das Sein, in den finsteren Visionen, doch es gibt Hoffnung. Diese ist in den Wurzeln unseres Landes, in unseren Wurzeln zu finden. Jeder telor, jeder Mensch kennt das Lied von Werdomar Elfenfreund, der Frieden überall dorthin brachte, wohin er ging.

Ich berufe hiermit all jene, die dem Wald und der Au im Bunde dienen zu mir um Rat zu halten! Eorla! Es soll sein!"


Autor: Bega

Werdomar Elfenfreund

Burg Silz, Grafschaft Waldstein, 20. Praios 1043 BF:

Allessandrian ließ sich auf eine der natürlich gewachsenen Bänke nieder und schaute den Eichhörnchen zu, wie sie durch den verwunschenen Burggarten tollten. Welch sonderbarer Ort dies doch war. Wohin er seinen aufmerksamen Blick auch wendete, überall gab es Details zu entdecken, die den Knappen ins Staunen brachten. So gab es Pflanzen, die ihre Blüten zum Betrachter reckten, sobald ein Lebewesen in der Nähe war. Eine Trauerweide nicht weit von ihm, ließ ihre Zweige auch bei vollkommener Windstille durch die Luft tänzeln. Auch meinte er, aus ihrer Borke ein leises Seufzen zu hören. Die unzähligen Vögel schienen darüber zu wetteifern, wer die schönste Melodie anstimmte. Die fantastischen Neuartigkeiten die es zu erfahren gab, schreckten ihn nicht etwa ab, sondern faszinierten ihn. Er fühlte sich mit den Kreaturen und Pflanzen hier verbunden.

So war es mal wieder Yendaras Stimme, die ihn aus seiner ihm sehr geschätzten inneren Ruhe holte.

"Na Linara, kannst dich ja gar nicht vom Burggarten trennen." Ein vielsagendes Lächeln umspielte den Mund der jungen Knappin.

"Ich ziehe eben die Gesellschaft von Pflanzen und Tieren vor", entgegnete Allessandrian ohne bewusst einen gewissen Unterton mitschwingen zu lassen, den Yendara aber sehr wohl wahrzunehmen glaubte.

"Autsch, dann verzeih mir bitte, denn ich bin keins der Eichhörnchen." Yendara grinste breit und wandte sich zum Gehen.

"Nein, ist schon in Ordnung, setz dich ruhig." Allessandrian deutete auf den freien Platz neben ihn.

"Na, da habe ich ja noch mal Glück gehabt." Yendara knuffte ihn mit dem Ellenbogen leicht in die Seite.

"Was hälst du von der großen Queste unserer Gräfin?", wollte Allessandrian wissen.

"Sie ist die lavar, die Hüterin des Waldes. Keiner kennt den Midwald so wie sie, daher vertraue ich ihr voll und ganz. Dennoch ist es ein Wagnis."

"Werdomar Elfenfreund ... welches Kind aus Waldstein wurde nicht mit seinem Lied in den Schlaf gesungen ... ich dachte immer, es wäre nur ein Märchen, aber jetzt ... ." Allessandrian stockte.

"Jetzt sind wir Teil des Märchens und können so dem Wald dienen." Yendaras Stimme überschlug sich fast vor Enthusiasmus. So viele Kreaturen verschwinden auf nimmer wiedersehen in den Forst, aber wenn unsere Gräfin sagt, dass die glaubt Werdomar Elfenfreund wieder in unsere Welt zu rufen, dann glaube ich ihr. Du kennst doch die alten Erzählungen genau so wie ich."

"Ja, er war Graf von Waldstein, hatte ein besonders einnehmendes Wesen und ein Gespür für die Natur und das Leben, so dass er sich mit einigen Elfensippen anfreundete und häufig bei ihnen weilte - manchmal mondelang. Überall wo er auftausche war er von einer Aura des Friedens und der Harmonie umgeben. Niemand wagte sein Schwert gegen ihn zu erheben. Im hohen Alter, obwohl noch jung und agil wirkend, verschwand er mit seinen Getreuen im Forst. Die alten Sagen behaupten, er sei in einem Feenreich und würde zurückkehren, um den Leuten Waldsteins in ihrer Not zu helfen."

"Ja, die vorhergesagten blutigen Zeiten haben bereits begonnen und die Gräfin sieht nun die Zeit gekommen, Werdomar aus dem Feenreich zu rufen, dami er wieder Frieden über unsere Grafschaft und dem Königreich bringen kann."

"Und wir wurden auserkoren die benötigten Artefakte zu finden ... wie sollen wir das schaffen?" Allessandrian runzelte die Stirn. Das war so ein Moment, da vermisste er Arik um so mehr. Er hätte gewusst was zu tun wäre.

"Nur Mut, der Wald ist mit uns, junger laima!"


Autor: Bega

Zeit zu Handeln

Hirschfurter Grafenpalas, Grafschaft Waldstein, Praios 1043 BF:

"Und wenn ich Euchs doch sage", pustete der alternde Hofkaplan Gutfried von Weißenstein sichtlich verärgert raus, "das Elfenbalg hat eine Handvoll Barone und andere Waldtänzer zu einem geheimen Treffen nach Silz geladen."

Coswin von Streitzig hatte sich die langen Schimpftriaden eher teilnahmslos angehört, gehörte es doch zur Natur des Hofkaplans gegen die Elfe auf dem Grafenthron zu stänkern, doch ein Detail hatte ihn hellhörig werden lassen.

"Hochwürden, Ihr sagtet zu Beginn Eurer ausschweifenden Einlassung etwas über eine Aborderung der Waldsteiner Pikeniere ... ." Es war ein verzweifelter Versuch des Seneschalls den aufgebrachten Praioten zumindest etwas zu fokussieren.

"Ja, das sagte ich doch bereits, die drei auf Burg Silz stationierten Lanzen wurden nach Rabenfels verlegt. Da steckt dieser Waldschrat Vallbart dahinter, da bin ich mir sicher. Der hat uns schon die Besetzung des Kämmerer-Postens versaut."

"In einem muss ich Euch recht geben, Hochwürden, der Falkenwinder versucht seit einiger Zeit in der Waldsteiner Politik mit zu mischen. Mir kommt es vor als bilde er sich ein MEIN Amt zu bekleiden." Nun war es der Seneschall der sich in Rage redete.

"Nun, seit etwa dem Tod von Baron Wulf agiert der Silzer Waldschrat zunehmend querulent", pflichtete der Hofkaplan dem Seneschall bei. "Wahrlich ein Ärgernis, gibt er doch so diesen Waldtänzern Auftrieb."

"Ja, Vallbart wird zum Problem ... ." Coswin zog eine Augenbraue hoch und dachte nach.

"Und was machen wir gegen dieses Treffen der Waldtänzer in Silz?" Der Praiot war immer noch außer sich vor Wut.

"Gar nichts, Hochwürden!"

"Aber ich verstehe nicht ... ." Gutfried von Weißenstein wollte gerade eine Sturm der Entrüstung entfachen, wurde aber sogleich vom Seneschall gestoppt.

"Hochwürden, haltet ein! Sollen sich diese Waldspinner doch treffen und Bäume umarmen. Das kann uns nur recht sein. Unsere beiden Nachbarn Hartsteen und Reichsforst haben sich nach den blutigen Ereignissen in Luring die Fehde erklärt. Das vom Jahresorakel verkündete Blutige Jahr hat begonnen und ich habe nicht vor nur zuzusehen, während andere das Spiel der Macht spielen. Vertraut mir, während die Elfenspinner um Bäume tanzen, werden wir handeln. Und jetzt entschuldigt mich m´bitte, denn ich muss ... handeln!"

Mit diesen Worten schob der Seneschall den verwirrt drein schauenden Hofkaplan vor die Tür.

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Wenige Augenblicke nach dem der Praiot gegangen wurde, öffnete sich eine Geheimtür im Arbeitszimmer des Seneschalls und sein Sohn Leomar stolzierte herein.

"Was hast du vor, Vater?"

"Die Fehde ist unsere große Möglichkeit. Schicke Radewin und Tanit eine geheime Botschaft, es kann losgehen. Die Verlegung der Silzer Lanzen nach Rabenfels ist ein Geschenk."

"Du willst, dass die uns loyalen Offiziere den Oberbefehlt über die Grafengarde übernehmen?"

"Sehr wohl, wir müssen vorbereitet sein, sollte die Fehde Waldstein erreichen und das wird sie." Coswin fasste sich an die Stirn und grübelte. "Wir müssen Growin dazu bringen das Walsteiner Ritterbanner einzuberufen ... und du, Leomar, wirst unverzüglich zu Corian aufbrechen."

"Sehr wohl, Vater!"


Autor: Bega

Überrumpelt

Burg Rabenfels, Baronie Leihenbutt, Efferd 1043 BF:

Seit einigen Wochen schon waren die Waldsteiner Pikeniere auf der schwarzen Feste Rabenfels an der südöstlichen Grenze zur Grafschaft Reichsforst stationiert. Die ausufernden Fehdehandlungen der Nachbarprovinzen führten bei Hauptfrau Lorinte von Zweifelfels zu dem Schluss, dass es ratsam war, die Grenzen Waldsteins sichern. So befahl sie den Abmarsch der 3., 4. und 5 Lanze aus Silz. Unter ihren Kommandanten Leutnant Alarion von Feenwasser wurde alle drei Lazzen nach Rabenfels abkommandiert. Die strategisch bedeutsame Feste galt vorher als chronisch unterbesetzt.

Hauptfrau Zweifelfels hatte sich nun ebenfalls in Rabensfels angekündigt, um sich über die neusten Ereignisse aus den Nachbargrafschaften zu informieren. Neben Leutnant Feenwasser waren noch dessen Stellvertreterin Tanit von Alka, sowie die drei Lanzenführerinnen Firnja von Breitefurten, Jendrike von Persau und Gesta von Breitenbach anwesend.

„ … Kaisermärker und Reichsforster Truppen sind tief ins östliche Reichsforste eingefallen“, referierte Leutnant Feenwasser stoisch, „während Truppen aus dem Schlund mit Kaisermärker Hilfe den Süden Hartsteens verheerten. Der Reichsforster Feldzug 'durch den Wald' ins nördliche Hartsteen war ein voller Erfolg, die südliche Route kam dagegen bereits vor der Stadt Bärenau zum stehen.“

„Durch den Wald?“ Hauptfrau Zweifelfels stutzte ob der besonderen Betonung des Leutnants.

„Jawohl, Reichsforster Verbände haben den Überraschungsmoment genutzt und sind in Aldenried eingefallen.“

„Dann sind die Reichsforster Verbände unbehelligt durch Waldstein gezogen um in Hartsteen einzufallen?“ Die Stimme der Hauptfrau bebte merklich.

„Ganz recht!“, bestätigte die stellvertretende Leutnantin Alka die Annahme der Hauptfrau.

„Wie ist das möglich?“ Polternd donnerte die Faust der Zweifelfels auf den hölzernen Tisch.

„Entweder die Reichsforster haben eigenmächtig gehandelt, oder aber es gab Absprachen mit dem Obristen“, sprach Leutnant Feenwasser.

„Sollte es Absprachen gegeben haben wurde ich nicht einbezogen!“, stellte Hauptfrau Zweifelfels mit grollender Stimme klar. Flüchtige Blicke wechselten zwischen der Alka und den Weibeln Persau und Breitenbach hin und her, während Weibel Breitefurten überrascht dreinblickte.

„Ich ebenfalls nicht, Hauptfrau“, entgegnete Leutnant Feenwasser, „Weibel Breitefurten und ihre Lanze patrouillierten entlang der Eupel, während Weibel Breitenbach die Wulfshöhen im Auge behielt. Weibel Persau kontrollierte die Grenze zu Uslenried.“

„Wie bei den Niederhöllen, konnten die Reichsforster Verbände unbemerkt an uns vor gekommen sein?“ Die Stimme der Hauptfrau wurde immer grimmiger.

„Sind sie nicht, Hauptfrau.“ Die Stimme der stellvertretenden Leutnantin Alka wirkte etwas zu schnippisch.

„So, Alka, Ihr wisst also mehr, dann klärt uns auf?“, befahl die Hauptfrau mit misstrauischen Unterton.

„Ich habe den Durchmarsch der Reichsforster sehr wohl mitbekommen, hatte aber den Befehl dies nicht weiter zuleiten.“

„Und wer bitte gab Euch diesen Befehl?“ Die Stimme der Hauptfrau grollte ihrer Untergebenen wir ein Donnersturm entgegen.

„Von mir!“ Die Tür des Besprechungsraum flog auf und Leutnant Radewin von Hellrutsberge stand mit einem Dutzend weiteren Bewaffneten vor der verdutzten Hauptfrau. „Hauptfrau Zweifelfels, hiermit seit Ihr Eures Kommandos enthoben – das gilt natürlich auch für Euren Schoßhündchen Feenwasser. Werft Feenwasser in die dunkelste Kerkerzelle die diese Feste zu bieten hat. Der Zweifelfels nehme ich mich persönlich an.“ Sein düsteres Grinsen ließ nichts gutes vermuten.

Mit einem Male sprang Firnja von Breitefurten auf und stürzte sich auf Hellrutsberge zu. „Wie könnt Ihr … .“ Doch die Weibel kam nicht weit. Blutröchelnd lag sie am Boden, nachdem ein gezielter Schwerthieb der Persau sie niederstreckte.

„Schafft die weg!“, befahl Hellrutsberge mit Blick auf die am Boden liegende Gardistin. Nunmehr richtete der Leutnant seine Aufmerksamkeit auf Hauptfrau.


Autor. Bega

Göttliche Ruhe vor dem Sturm

Waldsteiner Grafenhof, Gut Grafenruh, Efferd 1043 BF:

„Sehr gut, mein lieber Lechmar, du hast dem Götterfürsten einen großen Dienst erwiesen.“ Hochwürden Gutfried von Weißenstein sah äußerst zufrieden aus, während er mit dem Custos Lumini des Weißensteiner Praios-Tempels durch den weitläufigen Park des gräflichen Anwesens flanierte. Der weitere Begleiter war Landvogt Rondred von Derrelsbach. „Das wuchernde Geschwür dieser Ketzer haben wir mit Praios reinigenden Feuer ein für allemal aus geräuchert.“

„Sehr wohl, der Weißensteiner Tempel ist nun wieder rein vor Praois Antlitz“, nickte Lechmar von Weißenstein ergeben.

„Wir dürfen diesen niederhöllischen Ketzern, Hexen und Elfenbälgern nicht erlauben Praios zu spotten.“ Der Hofkaplan begann sich in seine alte bekannte Rage zu reden. Von Mada verfluchte Kreaturen waren ihm ein Gräuel.

Die beiden Herren nickten abermals.

„Wenn wir schon von den Elfenbälgern sprechen … .“ Der Derrelsbacher deutete in Richtung des Brunnens.

„Bei Praios, da sind sie vereint, nur um wieder eine Abscheulichkeit auszuhecken. Gehrendieck, Quellgrund und der elende Feenwasser. Pah!“ Der Hofkaplan schlug ein Praioszeichen vor seiner Brust.

„Wenn in Waldstein die Herrschaft wieder vollends nach dem Willen des Götterfürsten hergestellt ist, müssen wir uns um solcherlei Auswüchse am Hofe keine mehr Sorgen machen.“ Die Stimme des Custos Lumini klang viel zu weich für das Gesagte.

„Von Mada verfluchte Kreaturen gehören nicht an einen Adelshof und schon gar nicht auf einen Thron!“ Die Anspielung des Hofkaplans auf die elfische Gräfin war unüberhörbar. Für den Prälaten der Praios-Kirche war der Umstand, dass eine Elfe, also ein Magie wirkendes Wesen, auf dem Waldsteiner Grafenthron saß, ein tief sitzender Schmerz in seinem Herzen und ein Frevel vor Praios. Das sich nun im Umfeld der Elfengräfin andere anschickten, um ihrerseits Macht und Einfluss zu erlangen, galt es in seinen Augen mit allen Mitteln zu unterbinden.

Der Hofkaplan wollte soeben mit seiner Gift spritzenden Triade fortfahren, als zwei Männer mittleren Alters auf die drei Herren zusteuerten.

„Ah mein lieber Großneffe, Praios zum Gruß, Streitzig, der Götterfürst ist mit Euch!“ Die Begrüßung von Arlt von Weißenstein und Leomar von Streitzig fiel fast schon überschwänglich freundlich aus. Mit Blick auf seine Begleiter fügte der Hofkaplan auf überkandidelter Weise hinzu: „Meine Herren, mein Lieblingsgroßneffe verlangt nach mir. Möge Praios stets mit euch sein!“

Die beiden Herren nickten untergeben und entfernten sich.

„So, Großneffe, rede!“, befahl der Hofkaplan.

„Ich komme gerade aus Linara. Der Leustein dankt für Euren Segen und lässt mitteilen, Praios Wort ist im Gesetz.“

„Wunderbar, auf den alten Irberod ist natürlich Verlass.“ Ein hämischen Grinsen huschte über das verlebte Gesicht des Prälaten der Praios-Kirche. „Streitzig, was habt Ihr zu berichten?“

„Das Elfenbalg und die Zweifelfels wurden aus ihren Ämtern entfernt und festgesetzt!“ Der Sohn des des Waldsteiner Seneschalls flüsterte beinahe.

„Gute Arbeit in Praios Namen. Dann kann ich mich ja nun zu meiner mittäglichen Ruhe begeben.“

Die beiden jungen Männer nickten und entfernten sich.


Autor: Bega

Das Blut der Diener

Das Blut der Diener - Briefspielreihe

Verrat

Irgendwo in der Goldenen Au, Rondra 1043 BF:

Rußig brennende Fackeln tauchten das achteckige Gewölbe in ein schummriges Licht. Im Zentrum blitze eine golden glitzernde, achtzackige Einlassung im Boden im Fackelschein immer wieder auf. In dessen Mitte erhob sich ein pechschwarzer Altar. In Lettern aus Zwercher Silber stand geschrieben:

Alle Macht geht vom Herzen des Landes aus – Garetia Superior

Die Wand hinter dem Altar zeigte acht Ritter die vor dem Altar der gerechten Herrschaft zu Korgond feierlich den Bund beschwören. Auf der Wand gegenüber war als Relief eine Landkarte Großgartiens dargestellt – zu Zeiten der größten Ausdehnung des Königreiches während der Eslamiden. Die noch freien Wände sollten einmal die sechs Zeichen Korgonds zieren, waren aber noch unvollendet.

An sieben der acht goldenen Sternzacken standen andächtig schwarz berobte Personen; die weiten Kapuzen tief in ihre Gesichter gezogen. Ein Platz blieb leer.

Der Visionär breitete sein Arme aus, sein Blick richtete sich nach oben. Die bläulich schimmernden Adern auf seinem Gesicht schienen im Fackelschein wild zu tanzen.

„Für das unteilbare Land haben wir den Weg des jungen Fuchses mit Blut geebnet, doch einer der unsrigen hat uns und das Land hintergangen.“

„Er hat sich abgewandt von unseren heiligen Prinzipien.“ Die Frauenstimme wirkte kalt und emotionslos.

„Er hat unsere heilige Aufgabe verraten!“ Die Stimme einer weiteren Frau klang voller Wut.

„Er hat sich in den Verlockungen des Namenlosen verloren.“ In der festen Stimme des Mannes schwang Bedauern mit.

„Er hat sich mit einem großen Knall vom Dererund verabschiedet, stilecht, ein echter Helburger.“ Der kichernd frohlockende Unterton schien fehl am Platze.

„Unser Bruder Malepartus, das Blut der Entschlossenheit, ist den purpurnen Horden anheimgefallen, doch unser Blut konnte er nicht vergiften, nur schwächen. Unsere Acht-Heiligkeit ist unvollständig. Doch werden wir schon bald wieder vollkommen sein.“ Die Stimme des Visionärs klang fest und klar.

„Das Land verfällt in namenloses Chaos. Die sterbende Leunin ist schwach und die Herrscher des Landes erliegen ihrer Gier nach Macht. Wir müssen handeln!“

„Der Verlust von Bruder Malepartus hat uns und das Land geschwächt, der Verrat wiegt schwer, wir sind nicht mehr eins. Wieder eins zu werden ist unsere heilige Aufgabe, alles andere muss dem hinten angestellt werden.“ Der Visionär zeichnete den Weg klar vor. „Nur in achtfach geheiligter Einheit können wir dem Land dienen.“

„Und die Fehde?“, wollte eine Frauenstimme wissen.

„Wir müssen wieder eins werden, das hat höchste Priorität. Jeder einzelne ist in der Fehde auf sich selbst zurückgeworfen, auch wenn einjeder unsere Ziele im Geiste tragen sollte in der kommenden Zeit. Doch wier werden erst wieder zusamen kommen wenn die Suche nach der Einigkeit beendet ist.“

Der Visionär trat an den Altar. Er streute etwas Erde in einen achtseitigen Kelch. Dann ritzte er sich mit einem Dolch an der Handfläche und ließ sein Blut in den Kelch tropfen. Nach und nach taten es ihm die anderen sechs Kuttenträger gleich, der eine zögerlicher, der andere voller Enthusiasmus.

Die Anwesenden reckten ihre Arme empor und sprachen unisono:

„Heilige Erde des unteilbaren Landes,

Spenderin des Anfangs, Bringerin des Endes
Gemeinsam stehen wir hier
um im Geiste vom Altare Korgonds zu schwören
dem einig Land zu dienen
bis das Unvollständige wieder eins
dies sei all unser Streben

Gloria Garetia“

Die sieben Gestalten in den langen Gewändern verließen ein geheimen Wegen die versteckte Kultstätte. Ein jeder, ein jede seinen Gedanken nachhängend. Der Verrat von Malepartus hatte die Diener des unteilbaren Landes schwer getroffen.


Autor: Bega, Jan

Hoffnung

Irgendwo in der Goldenen Au, Firun 1043 BF:

Mit starren Blick stand der Visionär vor dem schwarzen Altar mit der silbernen Inschrift. Bedächtig platzierte er einige Gegenstände auf den Altar, darunter ein arg in Mitleidenschaft gezogener Helmzier, ein rustikales Schwert und ein kunstvoll gearbeitetes Achtszepter.

„Mutter Garetia, ich überreiche dir geschichtsträchtige Gaben aus deiner glorreichen Historie. Reliquien zweier Heldenkönige und der acht Märtyrer; geborgen auf den Schlachtfeldern nahe am Herzen deines Leibes. Dein Herz blutet durch die Uneinsichtigkeit derjenigen die nicht zu sehen vermögen, denn die Gier nach Macht hat sie blind gemacht.

Doch, es gibt Hoffnung, denn die Acht-Einigkeit wird bald schon wieder vollkommen sein. Die Visionen, die mich auf meinem Weg zum Eins-Sein erleuchtet haben, zeigten mir eine amazonenhafte Kriegerin, aus blutgetränkter Erde geboren. Sie ist diejenige die wir suchen. Die Zeit ist nah, oh Mutter Garetia.“

Das mit blauen Adern durchzogene Gesicht des Mannes strahlte. Bald schon, würde sie sich offenbaren, da war er sich sicher.

Unterdessen hatte er sehr wohl zur Kenntnis genommen, dass sich auch einige aus seinem Achterkreis an der unsäglichen Fehde beteiligten. Hatte ihn das anfänglich sehr verärgert, sah er darin nunmehr auch eine Möglichkeit. Womöglich können die nun ins Rollen gekommen Umwälzungen für sie fruchtbar genutzt werden. Doch solcherlei Überlegungen überließ er anderen. Sein Fokus richtete sich auf die blutgetränkte Erde, die alsbald ihre Bestimmung finden würde.

Doch noch viel wichtiger als diese Fehde der Machtgierigen waren die Kräfte die sein gefallener Bruder Malepartus entfesselt hatte. Das eine hatte mit dem anderen zu tun, da war er sich sicher. Die Entfesselung der namenlosen Kräfte hatte das Land geschwächt … die unheilige Saat gesät … die Fehde war ein Spiegelbild dieser Entwicklung. Er würde jemanden schicken um die genaueren Umstände der Ereignisse in Höllenwall zu untersuchen.

Das Land stand am Abgrund, in vielfältiger Weise…


Autor: Bega

Das Sterben der Götter(diener)

Still ruht der See

Burg Birkenkopf am See Birkentau, 1. Hesinde 1042 BF:

Abwesend auf die Weite des ruhig daliegenden Sees starrend, stand er auf einen Felsen unterhalb der Burg. Trotz der klirrenden Firunnskälte stand er mit seinen nackten Füßen im Wasser. So spürte er seinen Gott, war eins mit dem See. Der hünenhaft große Mann hatte bereits 70 Winter erlebt. Seine langen grauen Haare hingen ihm strähnig ins wettergegerbte Gesicht.

Seine Familie lebte hier, am Ufer des Birkentau schon seit Jahrhunderten und hatte ein besonderes Band mit dem See, dessen unergründliche, schwarze Tiefen weit in Sumus Leib hinein reichten. Das Oberhaupt der Familie durfte sich Herr oder Herrin vom See nennen und war in der Region als Mittler und Ratgeber hoch geachtet. Auch bestimmte die Familie, wer wie viel Fische aus dem See fischen durfte.

Vor wenigen Jahren ging seine Schwester Angrada in den See, eine hiesige Redewendung für sterben. Über 50 Götterläufe diente sie als Junkerin und Herrin vom See diese Lande. Ihr folgte Angradas junge Enkelin Arva nach. Seit dem Tod seiner Schwester hatte sich auch für ihn viel verändert. Mit Angrada verstand er sich ohne Worte, sie waren von einem Schlag, aus einer Generation. Arva war jung und ungestüm, sie musste ihren Weg noch finden. Er verstand sie nicht.

Seit Andradas Tod stand er jeden Tag hier und hörte dem See zu. Er rief nach ihm und diese Rufe wurde immer lauter.

Er bemerkte wie sich sein Schüler und Großneffe Eolyn ihm näherte und wandte sich zu ihm.

"Du warst ein eifriger Diener des See. Die Zeit ist gekommen einer neuen Zeit Platz zu machen. Die meine ist nun vorüber, der See ruft mich zu sich."

"Ich bin noch nicht bereit, ich muss doch noch so viel lernen!", brach es aus den jungen Geweihten heraus.

"Nein, ich kann dir nichts mehr beibringen. Lebe wohl!"

Mit diesen Worten watete er seelenruhig und gefasst tiefer ins eiskalte Wasser, bis sein Körper vollends in den Fluten des Sees verschwand.

Eolyn wollte hinterher laufen, doch blieb er wie angewurzelt stehen, denn er wusste, es musste so geschehen.


Autor: Bega

Kraft der Esse

Lohentempel zu Essental, 24.Phex 1042 BF:

Es war zur Mitternachtsstunde, kurz bevor Rahja zurückweichen und Praios den Vortritt lassen würde, als es die greise Ingraja in den von einer Handvoll Feuerschalen schemenhaft erleuchteten Lohetempel führte. Ihr langes, feuerrotes Haar hing strähnig an ihrem Körper herab. Schweißperlen suchten sich ihren Weg von der Stirn in Richtung Wangen, nur um sich dann im weiten Nachtgewandt der Geweihten zu verlieren.

Unzählige Dekaden lebt Ingraja nun schon im Ingerimm-Kloster Essental, 60 Götterläufe um genau zu sein. Dabei war der Weg des Feurigen nicht der der ihr ursprünglich beschieden war. 962 BF als Trautwine in die kleine Waldsteiner Familie Altensberge hinein geboren, sollte sie dem Ruf der gütigen Travia ins Kloster Gansbach folgen. Doch unbändige Leidenschaft führte sie mit dem ungleich älteren Sequin von Plöch zusammen, so dass ihre Eltern schließlich einer Vermählung zustimmten und von dem Plan sie ins Travia-Kloster zu schicken, absahen.

So schenkte Trautwine ihrem Gemahl drei gesunde Kinder und hätte wohl auf Burg Plöch auch glücklich werden können, als ein schicksalhafte Begegnung ihr Leben in eine andere Richtung lenkte. Bei einem nächtlichen Brand in ihrer Schlafkammer eingeschlossen, vernahm sie im lodernden Feuer die Stimme der alles erschaffenden, urtümlichen Flamme. Vom festen Glauben beseelt, einer Offenbarung zu folgen, schritt sie durch die Flammen ohne verbrannt zu werden. Schon am nächsten Tag verließ sie ihre Familie, nannte sich fortan Ingraja und trat in das Kloster Essental ein um ihren feurigen Herrn im dortigen Lohetempel zu dienen.

Ingraja folgte in ihrem Glauben einer urtümlichen Form ihres Gottes, die an den archaischen Ingra-Kult des Nordens erinnerte, wo Ingra als Herrn des Feuers und Lichtbringer verehrt wurde. Tief tauchte sie, nachdem sie die Weihe erhalten hatte, in die Mysterien ihres Kultes ein.

Von der ersten bis zur zweiten Ingerimms-Stunde eines jeden Tages verbrachte sie an der heiligen Esse, schürte das Feuer oder versuchte in den Flammen den Willen ihres Gottes zu erkennen. Vielen Geweihten und Novizen des Klosters galt sie ob ihrer Standhaftigkeit und Beständigkeit als großes Vorbild. Ihre Sturheit und Härte in ihren Ansichten waren hingegen gefürchtet. Manch einer hielt sie wegen ihrer abweichenden Glaubensauffassung auch für etwas verschroben.

So stand sie nun mit flackernden Augen vor der heiligen Esse. Regungslos. Wie ein Feuersturm brachen Bilder in ihrem Kopf auf sie ein. Es waren düstere, Unheil verkündene Bilder. Die meisten konnte sie nicht einordnen, die ergaben keinen Sinn für sie. So sah sie eine schwarze Kriegerin, die einen Speer warf; drei Frauen, die aus der Erde geboren zu einer verschmolzen. Sie sah Blut, Leid und Tod! Ein Zucken durchfuhr den greisen Körper der Geweihten. Der innere Feuerstum wurde zu heftig, die Eindrücke zu viel. Mit einem letzten Stöhnen fasste sich Ingraja an ihren Brustkorb und sackte schließlich zusammen.

Mit der Gewissheit in diesem Moment ihrem Gott ganz nahe zu sein, hauchte sie ihr Leben aus.


Autor: Bega

Blut für die Schwarze Kriegerin

Herr der Rache

Silberpelz

Waldsteiner Totenbuch

Leydane von Storchenhain

Stadthaus der Familie Storchenhain, Reichsstadt Hirschfurt, 4. Rondra 1043 BF:

Das kleine, aber adrette Stadthaus der Familie Storchenhain lag im vornehmen Grafenviertel der Reichsstadt Hirschfurt – unweit des Firun-Tempels. Seit fast zwei Jahrzehnten lebte Leydane nun schon in der Reichsstadt, nachdem sie fast auf den Tag genau 40 Götterläufe das Stammgut ihrer Familie für ihren Vater Lubomir verwaltet hatte. Dieser war von Gräfin Naheniel Quellentanz zum Grafschaftsrat von Waldstein ernannt worden und residierte fortan fern des heimatlichen Gutes im Grafenpalas von Hirschfurt. Nicht zuletzt die verworrenen Umstände des Todes ihres Vaters bewegten Leydane dazu in die Reichsstadt überzusiedeln. Denn sie glaubte nicht an ein von ihrem Vater geplanten Mordkomplott gegen Gräfin Allechandriel und schon gar nicht an seinen vermeintlichen Selbstmord nach der Aufdeckung des Komplotts. Ihr Vater wurde ermordet, da war sich Leydane sicher. Viele Götterläufe hatte sie versucht, Beweise zusammenzutragen, doch leider ohne nennenswerten Erfolg. So sollte ihre größte und wichtigste Lebensaufgabe unerfüllt bleiben. Ein Hustenanfall riss sie aus ihren Gedanken. Sie musste sich ausruhen, ihre letzten Kräfte sammeln.

Erschöpft und vor sich hin dämmernd lag sie in ihrem Bett. Die wachen und lichten Momente wurden immer weniger, was sie grämte, doch hatte sie den Kampf dagegen aufgegeben. Sie wusste, ihre Zeit war gekommen. In der Ferne vernahm sie das Rauschen der Flügel des Windvogels. Ihr würde nicht mehr viel Zeit bleiben.


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Ihre ganze Familie hatte sich nunmehr im Stadthaus versammelt um Abschied von ihrem Familienoberhaupt zu nehmen. Als erstes traten ihren drei jüngeren Geschwister an Leydanes Bettstatt. Die sonst so flippige und zerstreute Antimagierin Balphenie Ventamatrix wirkte überraschend gesetzt und unaufgeregt. Vielmehr waren es die Augen des Zweiflinger Marktvogtes Howarth die im Kerzenschein glänzten. Trotz aller Unterschiede was Charakter und Lebensweg betraf, hatten sich Howarth und Leydane doch stets respektiert und über die Jahre eine intensive Korrespondenz geführt. Die jüngste Schwester Raulgard hielt stumm Leydanes Hand. Güte sprach aus den Augen der Verwalterin vom Gut Zweifelsfelden. Nach einem halben Stundenglas verließen die Drei die Schlafkammer, wohl wissend, dass es in der diesseitigen Welt kein Wiedersehen mehr geben würde.


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Als nächstes erschienen Leydanes drei erwachsene Kinder. Odumir, Herr der Stammlande und Hausritter der Gräfin machte einen ganz und gar aufgelösten Eindruck. Schluchzend glitt er auf die Knie und küsste die Hand seiner Mutter, bis er weinend sein Gesicht in der Bettdecke vergrub. Ihr Ältester war schon immer besonders, ein ganz und gar herzensguter und ehrlicher Mensch, der niemanden etwas Böses wollte. Sein eigenwilliger Humor war berühmt wie gefürchtet. Nach dem Tod ihres Vaters hatte Leydane ihrem Sohn den Vortritt gelassen und so wurde Odumir zum Ritter von Storchenhain. Die Führung der Familien blieb freilich in ihren Händen, denn dafür war ihr Sohn gänzlich ungeeignet. Ein Dilemma, das Leydane in den letzten Augenblicken ihres Lebens sehr beschäftigte, aber sie glaubte eine Lösung dafür gefunden zu haben.

Ihre Töchter Jendwina und Imina waren allesamt wohl geraten und versorgt. Beide heirateten die Erben von Junkergütern in Serrinmoor und Linara und Imina verwaltete obendrein noch die gräfliche Feste Rallerwacht. Beide waren auf ihre Weise resolut und durchsetzungsstark – wobei Jendwina voll und ganz in ihrer Rolle als Mutter aufging, während Imina stets nach mehr strebte und nun mir Stolz die gräfliche Feste am Laufen hielt.

Ihren Bruder stützend, verließen schließlich auch Odumir, Jendwina und Imina die Schlafkammer ihrer Mutter.


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Zu guter Letzt, der Abend war bereits weit fortgeschritten, traten Leydanes drei Enkel Albin, Albur und Arn an ihre Bettstatt heran. Die sterbende Ritterin lächelte liebevoll, denn sie liebte ihre Enkel über alles. Sie waren die Zukunft ihres Blutes. Albin, der Älteste, war erst kürzlich zum gräflichen Kämmerer aufgestiegen und das in so jungen Jahren. Es war keine drei Götterläufe her, dass er seinen Ritterschlag erhielt. Der strebsame Bürokrat war auch schon vermählt und hatte Leydane zwei Urenkel geschenkt. Der Fortbestand der Familie war gesichert. Doch auch die anderen beiden ließen das alte und immer langsamer schlagende Herz der Ritterin erfreuen. Albur diente als Sekretär dem Seneschall der Gerbaldsmark und Arn als Knappe dem Erbvogt der Stadt Osenbrück. Beide waren also versorgt und würden ihre Wege gehen.

Als sich die drei anschickten zu gehen, griff Leydanes Hand die von Albin. Für ihn war es noch nicht an der Zeit seine Großmutter zu verlassen.

„Mein lieber Albin, du bist ganz und gar so geraten wie ich es mir erträumt habe.“ Die Stimme der Alten war kaum hörbar.

„Danke Großmutter, du warst immer mein großes Vorbild“, sprach der Jüngling mit Tränen erstickter Stimme. „Es bedarf keiner Worte mehr, ruhe dich aus.“

„Doch Albin, du wirst mir als Familienoberhaupt nachfolgen, so ist es mein Wille. Jeder in unserer Familie weiß, dass dein Vater dafür denkbar ungeeignet ist.“ Albin wollte etwas erwidern, doch ließ ihn ein leichtes Anheben von Leydanes Zeigefinger verstummen. „Mit dir wird die Familie in eine glorreiche Zukunft blicken. Doch du musst mir eins versprechen!“

„Alles was du willst, Großmutter!“ Albin klammerte sich an der rechten Hand der Sterbenden fest.

„Räche deinen Urgroßvater … decke die Umstände, die zu seinem Ende führten auf … bringe die Verantwortlichen zu Fall! Dir wird gelingen … was mir versagt geblieben ist.“

„Das schwöre ich dir, bei allem was mir heilig ist!“ Abin schluchzte. „Doch, hast du nicht schon alles versucht?“

„Dein neues Amt gewährt dir Zugang zum Grafenpalas … ich habe hier Briefe deines Urgroßvaters … sie werden dich führen. Komm etwas naher zu mir, mein Enkel!“

Albin tat wie ihm geheißen und mit brüchiger Stimme flüsterte die Alte dem Jüngling etwas ins Ohr.

„Ich werde dich nicht enttäuschen, Großmutter!“ Die Stimme Albin hatte wieder an Festigkeit gewonnen.

„So und nun lass mich gehen … ich höre bereits den Windvogel.“

„Den Windvogel?“, fragte Albin flüsternd. Doch dann besann er sich. Heute jährte sich zum dritten Mal der Tag des Windvogels aus der Offenbarung Korgonds.

Als Albin zu seiner Großmutter blickte, war diese friedlich entschlafen. So schließt sich wieder ein Kapitel im ewigen Buch der Toten, dachte sich der junge Ritter voller Trauer, aber auch Zuversicht auf das was kommen mochte.


Autor: Bega

Geria von Alka

Burg Alka, 25. Hesinde 1043 BF:

Es ist wohl das höchste Streben und die größte Ehre eines jeden Geweihten der stürmischen Leunin im Kampfe an Rondras Tafel berufen zu werden und wahrlich, die letzten Götterläufe boten viele, wenn nicht gar zu viele Schlachten um sich zu beweisen. Doch, der gleichermaßen tapferen, wie unglücklichen Geria war dieses Schicksal nicht vorherbestimmt. Schon früh sollte die Ritterin der Göttin in ihrem Glauben geprüft werden und das auch noch viele weitere Male in ihrem stürmischen Leben.

Bereits in jungen Jahren, Geria war noch Knappin der Leunin im Rondra-Tempel zu Uslenried, verlor sie ihren Gatten, den gräflichen Hausritter Elgor von Fints, in der Ogerschlacht. Was hätte Geria nicht alles getan um selber ihr Schwert gegen die Menschenfresser zu erheben, doch lag sie guter Hoffnung mit ihrer zweiten Tochter danieder. So blieb ihr nichts anderes übrig als tatenlos in ihrem Bett auszuharren. Dort erreichte sie auch die schreckliche Nachricht, dass ihr Gemahl in der Ogerschlacht gefallen war – aufgefressen von einem dieser Monster. Geria sollte nie wieder die selbe sein.

War ihre erste Tochter Liriella ihr ein und alles – wohl auch weil sie ihrem Elgor wie aus dem Gesicht geschnitten war, konnte sich Geria für ihre zweite Tochter Tanit nicht erwärmen. Sie empfand keine Liebe für das Kind, gab sie Tanit doch die Schuld warum sie nicht an der Schlacht teilnehmen konnte. Die Götterläufe vergingen und das Band zwischen Geria und Liriella wurde immer enger, während das zwischen ihr und Tanit sich vollends entzweite.

Schweren Herzens ließ Geria ihre liebste Liriella der Liebe wegen in die Ferne ziehen. Doch, oh grausames Schicksal, starb sie in viel zu jungen Jahren im Kindbett fern ihrer sie liebenden Mutter. Seit die Nachricht vom Tod ihrer Tochter in diesen Mauern eintraf, umgab Dunkelheit und tiefe Trauer die Seele und das Herz der Geweihten der Sturmleunin. Mit dem Willen zu sterben warf sich Geria in jede Schlacht, zuletzt die gegen den Erzverräter Haffax. Doch sie überlebte und kam noch einmal mehr gebrochen in die Heimat zurück.

Doch diesen Winter sollten ihre Gebete erhört werden. Während der Jagd griff ein hungriger Bär die Geweihte der Rondra an und Geria kämpfte tapfer bis zum letzten Atemzug, das kann ich mit eigenen Augen bezeugen. Die gebrochene Frau schloss für immer ihre Augen und mir war, als würde sie das erste Mal seit vielen Götterläufen wieder lächeln.

So schließt sich ein Kapitel im ewigen Buch der Toten und die Frage bleibt, war es die Herrin Rondra, die ihre ihr ergebene Dienerin zu sich holte, oder aber der Herr Firun war, der die sich quälende Seele erlöste.

Jurgald von Jeskenau, Kastellan auf der Alkenburg

Jadwiga von Gauternburg

Wehrturm Zweifels, 02. Tsa 1043 BF:

Das Leben im nordöstlichsten Waldstein war schon immer besonders wild und entbehrungsreich und die Linie der Zweifelfelser, die sich Herren über die Zwiefelsen nennen dürften, war von je her ein eigentümlicher Schlag. Doch sie waren vor allem eins: treu und folgsam gegenüber ihrem Baron und ihrer Gräfin. Unerschrocken und standhaft hielten sie Wacht gegen die Gefahren aus dem Norden. So hielt es auch Gisbert und nach seinem grausamen Tod folgte ihm seine Gemahlin Jadwiga, um im Namen ihrer gemeinsamen Enkelin Lechmunde über die Zwiefelsen zu wachen, jenen sagenumwobenen Zwillingsfelsen, der für die hiesigen Herrscher von besonderer Bedeutung war. Hier, an den markanten Felsen, beschwor ein jeder neuer Baron den Bund mit dem Land – wie zuletzt Baron Gisborn von Zweifelfels.

Lechmunde, die künftige Wächterin der Felsen, war im Firunmond 21 Winter geworden und von ihrer Großmutter Jadwiga, die nach dem Tod von Gisbert auch ihre Schwertmutter war, für reif genug befunden den Ritterschlag zu erhalten. Nach all der Düsternis der letzten Götterläufe war dies für beide Frauen ein großer Lichtblick gewesen. Nun warteten beide auf die Ernennung von Lechmunde zur Ritterin von den Zwiefelsen durch Baron Gisborn. Jadwiga sah ihre Pflicht als erfüllt an.


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Wie jeden Morgen ritt Jadwiga ihre Patrouille an der Olku entlang, die hier die Grenze zur Mark Greifenfurt bildete. Sie kannte das Land, jeden Baum, jeden Strauch. Nichts entging ihrem scharfen Blick. So auch nicht die frischen Pferdespuren. Die alternde Ritterin setzte ab und folgte diesen. Es dauerte nicht lange und sie fand die Verursacher.

„Heda, den Zwölfen zum Gruße, was führt zwei Rittersleut so fern ab der Wege?“

„Na die Tsafrische natürlich, was denn sonst“, entgegnete die wuchtige Mittdreißigerin mit den auffallenden Zahnlücken.

„Meine Name ist Jadwiga von Gauternburg, mit wem hab ich die Ehre?“

„Dieser hier ist mein Vetter Gerbald von Wegfeld“, die massige Frau spukte auf dem Boden, „und ich bin Haldana von Wegfeld.“

„Ich frage euch erneut, was macht ihr hier in der Wildnis? Die Grenze ist seit der Großen Fehde nicht mehr sicher.“ Der Blick der Gauternburg war streng und fordernd.

„Ein Hausritt fern der bekannten Wälder, sonst nichts“, brummte Gerbald etwas zaghaft, fast fragend.

„Also Gerbald, was hast du getan, ich habe das Gefühl die gute Frau glaubt uns nicht.“ Haldana stemmte ihre Fäuste in die Hüfte.

„Ja, das ist ja nun echt mal blöd“, erwiderte diese achselzuckend.

„Na, dann wollen wir doch aufrichtig sein, oder Gerbald?“

„Äh, wollen wir das?“ Gerbald wirkte sichtlich irritiert.

„Aber natürlich. Hohe Dame von Gauternburg, wir sind hier um die Lage auszukundschaften, um den bestmöglichen Ort für den Einfall nach Hartsteen zu finden. Ihr werdet uns doch als Ortskundige sicherlich behilflich sein, oder?“

„Ganz sicher nicht“, empörte sich Jadwiga, „mein Herr ist kein Freund der Fehde und wird solcherlei Aktivitäten nicht dulden.“

„Ach, wird er das nicht, na so was … was machen wir denn nun?“ Mit einem feisten Grinsen griff Haldana zu ihrem Morgenstern und schritt auf Jadwiga zu. „Was ist nur aus den ehemals stolzen Zweifelfelsern geworden? Sie kuschen ins Gebüsch der Elfengräfin.“ Wieder spuckte die Wegfeld verächtlich auf den Boden. „Euer Baron lässt es zu wie seine Familie in der Fehde Federn lässt und tut … nichts. Rennt im Wald rum mit seiner Gräfin. Dabei wird Zweifelfelser Blut vergossen. War es nicht Euer Sohn der vor dem Winter von Reichsforstern abgeschlachtet wurde? Pah, wie erbärmlich. Eure Zeit ist vorbei, die unsrige beginnt!“


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Aus der Ferne sah Raul von Hohenfels zu, wie die zwei Bewaffnete Jadwiga umzingelten. Die Alte kämpfte bis zum Schluss wie eine Löwin. Doch es half nicht. Es war der Morgenstern der grobschlächtigen Haldana der Jadwiga schließlich den Kopf zertrümmerte und sie leblos auf den Boden sacken ließ. Er hatte sich das Treiben in aller Seelenruhe angesehen. Er hätte helfen können, ja, aber das tat er nicht. Mit ausdrucksloser Miene wandte er sich von dem Geschehen ab.

So schließt sich ein weiteres Kapitel im ewigen Buch der Toten, dachte er sich im Stillen.

Borbert von Auweiler

Rittergut Auweiler, Anfang Phex 1043 BF:

„Wann kommt Opa heim?“ Große, fragende Kinderaugen blickten zu Alfwing, der auf einer gepolsterten Bank in der 'Großen Halle' saß. In Wirklichkeit war diese 'Große Halle' eher gedrungen und klein – zumal auch der einzige beheizbare Raum des Gutes.

„Der Opa verteidigt die Waldsteiner Ehre in der Fehde, mein Kind.“ Liebevoll blickte der junge Ritter zu seiner Tochter runter, die zu seinen Füßen mit Holzpferdchen spielte.

„Was ist die Waldsteiner Ehre, Papa?“

„Die Pflicht eines jeden Waldsteiner Ritters für seine Tugenden zu kämpfen und in die Schlacht zu ziehen.“

„Was sind Tugenden, Papa?“ Die kleine Ceres hämmerte mit einem der Holzpferde auf ein anderes rum.

„Ein vorbildliches, ritterliches Verhalten, den Schutz seiner Familie und der Schwachen und Gehorsam gegenüber seinem Lehensherrn.“ Alfwing verzog wegen des Gehämmers seine Mundwinkel. „Ceres, mein Kind, hör auf mit dem Krach wenn du dich mit Papa unterhältst!“

„Was ist Gehorsam, Papa?“ Das kleine Mädchen hämmerte fleißig weiter.

Mit einer Handbewegung schnappte sich Alfwing die beiden hölzernen Spielsachen seiner Tochter und nahm sie ihr weg. „Das, mein Kind, passiert, wenn man NICHT Gehorsam ist!“ Ein triumphierendes Lächeln erhellte die Gesichtszüge des Vaters, doch dieser Moment sollte nicht lange anhalten.“

Lautstark fing die kleine Ceres an zu brüllen. Mit einem Kopfschütteln blickte Alfwings Gemahlin Tanit zu diesem.

„Ich weiß nicht was du hast, meine Liebe, es ist nie zu früh den Kleinen das ritterliche Leben zu zeigen.“ Alfwing lächelte etwas verkrampft seine Frau an.

„Du meinst also, es ist ehrenhaft für diese Tintenkleckser am Grafenhof in die Schlacht zu ziehen?“ Tanit funkelte ihren Mann finster an.

„Sehr wohl, es ist unser Recht und Privileg uns zu befehden! Das wohl!“

Tanit schüttelte nur wieder verständnislos ihre Kopf. Dann wanderte ihr Blick zum Fenster hinaus in den Hof, gerade war ein Reiter angekommen.

„Ah seht mal, da kommt Onkel Filrak.“

„Wunderbar, sicherlich bringt er Neuigkeiten vom Grafenhof?“ Freudig sprang Alfwing von der Bank auf und ließ die hölzernen Spielpferde aus seiner Hand fallen. Dankbar wurden diese von der kleinen Ceres aufgelesen, was sie auch dazu bewegte ihre Gebrülle einzustellen.

Die Tür der guten Stube sprang auf und ein ernst dreinschauender Gemmenritter trat an.

„Rondra zum Grüße! Onkel, was gibt es Neues von der Fehde? Ich hörte das Schlachtenglück ist mit den Unsrigen.“ Alfing umarmte seinen Onkel zur Begrüßung.

„Rondra zum Gruße, Alfwing. Ja, so war es, wir haben tapfer gekämpft. Doch die 'Schlacht an der Pulsa' ging für uns verloren und ich bringe weitere schlechte Kunde.“ Der Gemmenritte hielt inne und holte tief Luft.

„Sag schon!“, drängelte Alfing.

„Es geht um meinen Bruder … deinen Vater. Er ist in der Schlacht gefallen.“ Filrak senkte sichtlich betroffen seinen Kopf.

Mit großen Augen blickte Alfwing seinen Onkel einen Moment an. Dann straffte er sich. „Nun, so schließt sich wieder ein Kapitel im ewigen Buch der Toten. Es gibt für einen Ritter nichts ehrenhafteres als im Kampf zu sterben. Wir werden meinen Vater als großen Ritter in Erinnerung behalten.“ Alfwing wandte sich von den anderen ab und starrte ins Leere. „Ich werde noch heute aufbrechen und seine Platz im ritterlichen Aufgebot einnehmen, das bin ich ihm schuldig.“

Tanit wollte etwas sagen, doch erstickte ihre Stimme. Worte waren genug gesprochen worden, nun würden nur noch die Taten zählen.

Olwyn von Grabenau

Geliebter Ulfwin,
 
 
 
 
wie sehr ich doch deine besonnenen und aufrechte Art hier vermisse. Es vergeht kein Tag an dem sich meine Gedanken und Sehnsüchte nicht um dich drehen. Hauptmann Leustein hat uns nach dem glorreichen Sieg in der Brückenschlacht bei Salzkotten befohlen die Umgebung zu plündern. Bei den Göttern, was haben wir gewütet, besonders der Grabenau hat maßlos über die Strenge geschlagen. Der Leustein hat darüber aber nur schallend gelacht. Als die große Euphorie verflogen war, wurde mir richtig flau im Magen. War das wirklich rechtschaffen? Ich kenne deine Antwort, mein Liebster, du hast mich gewarnt - vor den Verlockungen des Kampfes, den Versprechungen von Hauptmann Leustein und von den Brandreden von Hochwürden Weißenstein. Du warst schon immer der Klügere von uns. Dennoch, ich musste in diesen Kampf ziehen. Meiner Ehre und meiner Schwerthand dürstete es nach Blut. Und ist das nicht das Recht unseres Standes und der Wille der Götter? So hat es der alte Grabenau gesagt, Leuenfried will es so, die Frau Rondra und ihr Sohn Kor wollen es auch.

Ich weiß was du jetzt sagen wirst. Ob mir die Schlachten in Tobrien gegen den Erzverräter Haffax nicht genug gewesen sind. Du weiß was wir beide Seite an Seite dort erlebt haben, welche Grauen wir dort überlebt haben. Sie verfolgen mich in den dunklen Nächten in meinen Träumen noch heute. Aber mein Schwert will seit dem keine Ruhe mehr finden und wie Balsam für meine geschundene Seele ist der Zweikampf. Nur die Kräfte miteinander messen, ohne dunkle Dämonen und Monstren. Jeder Schwertstreich in dieser Fehde vertriebt meine eigenen inneren Schatten und lassen mich freier werden, bis ich eines Tages wieder befreit und unbeschwert zu dir zurückkommen und in deinen Armen liegen kann. Ich weiß du verstehst mich, keiner kennt mich so wie du.

Ich hörte wir der Hauptmann mit dem Grabenau siegestrunken am Feier sprach. Wenn er erst wieder Baron von Linara wird, dann macht er den Grabenau zum Junker. Wie so oft hattest du recht! Es geht um Macht und Einfluss. Wie mir scheint, bekämpft ein jeder seine eigenen Schatten.

Nur der Grabenau, der bekämpft gar nichts mehr. Sturzbetrunken ist er in der Nacht von der Brücke gefallen und ersoffen.

So schließt sich ein Kapitel im ewigen Buch der Toten. Ich kann es kaum erwarten dich wieder in meine Arme zu schließen.
 
 
 
 
Dein dich liebender Iriold

Dorf Salzkotten, 12. Peraine 1043 BF

Horgert von Altensberge

Schlossgut Bergensteen, 30. Peraine 1043 BF:

Die tief am Horizont stehende Sonne tauchte das pittoreske Schlossgut der Junker von Bergensteen in ein herbstliches Spiel aus Licht und Schatten. Hier schien die Zeit eine andere zu sein. Während anderorts die Große Fehde tobte, hier bekam Junkerin Cassia davon nichts mit – und das war auch gut so. Für die große Politik interessierte sich die Adlige mit den blonden Locken und der angenehmen Stimme nicht, jedenfalls nicht vordergründig, ihr Blick richtete sich auf das Kleine. Vielmehr waren es die Kunst, die Musik und natürlich die Rahjafreuden, die das Herz Cassias erfüllten – und freilich ihre spielerische Gegnerschaft mit ihrem ihr dienenden Ritter Horgert von Altensberge. Eine Gegnerschaft, die beiden durch ihr Blut floss und ihnen schon in die Wiege gelegt wurde.

Alles begann, als 880 BF Yalinda von Bergensteen von Baronin Ayana von Falkenwind zur Junkerin des neu geschaffenen Lehen Bergensteen erhoben wurde. Die genauen Umstände der für Außenstehende überraschende Belehnung blieben ein wohl gehütetes Geheimnis – und das bis heute. Doch die demütigung für die benachbarte Familie Altensberge bestand darin, dass sie fortan Diener der Familie Bergensteen wurden, da ihre Herrschaft ihnen untergeordnet wurde. Eine über ein Jahrhundert andauernde Gegnerschaft ward geboren.

Die der lieblichen Rahja zugetanen Junkerin Cassia war es eine große Freude den alten Horgert zu Triezen wo sie nur konnte. Für sie war alles nur ein Spiel, ein Zeitvertreib wenn die Langeweile sie übermannte. Für den stolzen Ritter hingegen war jede Stichelei eine Demütigung.

So lag die Junkerin auf einer ausladenden Bettstatt und ließ sich von einem sehr Rahja gefälligen Diener poetische Ergüsse vorlesen, während ein weiterer, ebenso ansprechend anzusehender Diener diesen mit einer Laute begleitete. Es war an Jargolan Vernsen diesen Moment des rahjanischen, wie hesindianischen Hochgenusses zu stören.

„Aller rahjagefälligste Wohlgeboren, ich störe nun sehr ungern Eure Lesestunde.“

Eine Handbewegund der Junkerin genügte und sowohl der Vorleser, wie auch der Lautenspieler verstummten. „Mein guter Jargolan, da du mich nicht wegen Nichtigkeiten behelligen würdest, nehme ich an es ist wichtig.“

„Das sehr wohl meine gnädige Herrin“, begann der Haushofmeister untertänigst. „Gerade erreichten uns Neuigkeiten von Eurem Vasall Horgert von Altenberge.“

„Ach, was hat der alte Griesgram denn jetzt schon wieder? Stört er sich an meinen Plänen in Bergensteen einen Tempel der Schönen zu stiften?“

„Nein, Herrin, er ist tot!“

„Wie bitte was?“, stammelte die sonst um keine Antwort verlegene Junkerin.

„Boron hat Ritter Horgert abberufen.“

„Ach nee … was … also wie ist es passiert?“

„Ritter Horgert hatte sich zu seinem monatlichen Treffen mit Ritter Wolfhardt von Hellrutsberge im Gasthaus Hellbräu eingefunden. Nach einem feuchtfröhlichen Abends und übermäßigem Genuss des allseits gekannten Bieres namens Dunkles Helles hat dem armen Ritter Horgert der Schlagfuß ereilt.“ Zu Jargolans Überraschung wirkte die Junkerin gar etwas betroffen. „Soll ich Eure Zofe Rahjane über den Tod ihres Vaters informieren?“

„Nein, sie sollte es nicht von uns erfahren, sondern von ihrer Familie.“

„Wie Ihr wünscht.“

„Welch würdiger Abschied aus dem diesseitigen Leben. So schließt sich also wieder ein Kapitel im ewigen Buch der Toten. Auch wenn wir in freundschaftlicher Feindschaft vereint waren, ich werde den alten Miesealrik vermissen.“

Thornia von Hasenwaldeck

Helmbrecht von Mistelhain

Uthwine von Nadlau

Emmeran von Weißenstein

Hardane von Windfels

Mit Tsas Friedenfertigkeit, Peraines Güte und Rahjas Freude

Mit Tsas Friedenfertigkeit, Peraines Güte und Rahjas Freude

Unter einem Banner

Der Schwurbund von Weißenstein

Praios-Tempel zu Weißenstein, 29. Travia 1043 BF:

Es war eine gar festliche Zeremonie, die sich am Tag des Heiligen Gilborn im Weißensteiner Tempel des Götterfürsten ereignete. Aus allen Ecken Waldsteins waren Adlige in den größten und bedeutendsten Praios-Tempel der Grafschaft gekommen um diesem Ereignis beizuwohnen. Der Erbe der Weißensteiner Lande, Arlt von Weißenstein und Nerea aus dem jüngeren Hause Streitzig hatten den Bund der Travia geschlossen. Gesegnet wurde der Bund vom Custos Lumini Lechmar von Weißenstein persönlich.

Nach dem Praiosdienst schritten die Angetrauten mit Blumenkränzen im Haar und Praios gefälligen Stickereien auf ihren Gewändern vor den prächtigen Tempel um die Glückwünsche der Gäste entgegen zu nehmen.

Selbstzufrieden dreinschauend steuerte Arlt eine achtköpfige Gruppe an, die unter der Henkerseiche, etwas abseits des allgemeinen Trubels, auf ihn wartete.

„Willkommen im Bund der Ehe – mal wieder“, prustete Hardane von Waidbrod und deutete Richtung Eiche, „der Henker wartet schon auf dich!“

„Der Henker hat hier in Weißenstein eh am meisten zu tun, nicht wahr, Arlt?“ Praigold von Nadlau grinste neckisch. „Wobei, hier wird man ja noch gut praiotisch verbrannt.“ Die Anspielung auf die Umtriebe der ketzerischen Bekenner hier im Tempel waren unüberhörbar. Diese waren es auch, die Arlts erste Gemahlin, eine Leustein, ermordeten.

„Versau uns nicht den Tag, Nadlau!“, polterte Girte von Keilerau und auch die junge Alrike von Breitenbach stimmte mit ein. „Du bist echt unmöglich!“

„Du hast einen guten Fang gemacht, das muss ich dir lassen“, tat Alrik Raul von Hohentann kund um den eigentlichen Anlass wieder in Praios Licht zu rücken, „Immerhin eine Streitzig, stimmts Leomar?“

„Unsere Familie waren von je her in Freundschaft verbunden“, antwortete Leomar von Streitzig. Der Sohn vom Waldsteiner Seneschall war ein guter Freund des Bräutigams. „Und eine Verbindung mit uns Streitzigs hat noch niemanden geschadet, oder Hilger?“ Der Erbe von Rallerquell nickte grinsen, war doch seine Mutter eine Streitzig.

„Nur das die Weißensteiner mit den Priesterkaisern im gleißenden Licht untergingen und die Herrschaft über ihre Baronie verloren, während das Ross der jungen Streitzigs zu Praios empor stieg und seht euch an wohin es sie geführt hat – bis vor den Grafenthron.“ Nadlau verschonte seinen Freund Arlt auch an dessen großen Tag nicht vor seinem berüchtigt bissigem Spott.

„Nadlau!“, zischte Hermine von Alka, doch ihre Intervention wäre gar nicht notwendig gewesen.

„Du bist nur der Schwerthalter für deine Gemahlin, du kannst mir nichts anhaben.“ Der Weißensteíner gab sich betont ungerührt, obwohl ihm das Gesagte schon wurmte. Von dem Fall und dem Verlust ihrer Baronie hatte sich seine Familie bis heute nicht erholt. Einzig die Junkerwürde des Marktfleckens Weißenstein blieb ihnen. „Aber meine Freunde, wurden wir nicht alle um das gebracht, was uns eigentlich zusteht?“ Die Ritter blickte in die Runde. „Hardane, du bist immer noch nicht erste Schwertritterin, das ist immer noch die greise Zweifelfels. Alrik, willst du wirklich in dem stinkenden Moor, welches du mal erben wirst, versauern? Hermine, wann bekommst du endlich dein erstes Kommando? Nadlau, wolltest du dir nicht einen Namen machen, der mehr ist als nur von deiner Gemahlin? Girte, die Keilerau ist schon längst zu klein für dich. Hilgert, mehr als die Jagd nach Schürzen hast du auch nicht auf dem Kerbholz. Und Streitzig, von dir muss ich erst gar nicht anfangen. Sollten sich die Kreaturen des Elfenbalges am Grafenhof weiter durchsetzen, kannst du bald als Schreiber in der Reichsstadt anheuern.“

„Worauf willst du hinaus?“, wollte Girte wissen.

„Es herrscht Fehde!“ Der Weißensteiner grinste breit. „Wir können machen was wir wollen!“

„Ja, endlich können wir es dem Elfenpack zeigen wer hier in Waldstein das Sagen hat!“ Die Alka ballte ihre Faust.

„Es ist an der Zeit, dass wir aus dem Schatten unserer Vorfahren heraustreten und uns unseren Eintrag in die Annalen Waldsteins verdienen!“ Die Stimme der sonst eher maulfaulen Hardane bebte gar.

„Unsere Namen werden mit den Großen der Vergangenheit genannt werden.“ Ein Funkeln lag in den Augen des Nadlau.

„Doch, wird uns der Seneschall, dein Vater, machen lassen?“ Girte blickte fragend zu Leomar.

„Ich kann euch versichern, mein Vater wird uns nicht im Wege stehen … ganz im Gegenteil! Die Zeit ist da für Veränderung.“

„Ganz richtig mein Freund, die dem Götterfürsten treu ergebenen Familien sollten wieder ihre angestammten Plätze vor Praios einnehmen und diese ganzen Unwürdigen … Linara, Feenwasser und wie sie alle heißen, in Praios gleißendem Lichte vergehen lassen.“ Auch Hilgert war nun Feuer und Flamme.

„Das Elfenbalg soll sich zurück in den Forst tollen und Platz machen für einen würdigen Grafen!“ Die Stimme des Hohentann klang verschwörerisch.

„So sei es!“, sprachen die anderen im Chor.

„Lasst uns schwören, dass wir nicht länger ruhen wollen, bis wir diese Elfenbälger zurück in den Forst getrieben haben!“

So ritzten sich alle mit ihren Schwerten an der ihren Handflächen und reckten diese empor. Der Schwurbund von Weißenstein war geboren.

Leomar von Streitzig lächelte zufrieden. Sein Vater würde sehr zufrieden sein.


Autor: Bega

Im Heerlager zu Seytnach

Unweit der Stadt Seytnach, Firun 1043 BF:

Die kalte Winternacht bäumte sich mit ganzer Kraft gegen das am fernen Horizont emporsteigende Praiosmal. Der Dunkelheit der sterbenden Nacht wurde durch unzählige Fackeln getrotzt, deren Träger eine lange Reihe bildeten. Hoch zu Ross ritten drei Reiter die lange Reihe der Waldsteiner Ritter ab. Das Schnauben ihrer Pferde ließ warmen Dampf aus ihren Nüstern treten, doch verflüchtigte sich dieser schnell im frostigen Wintermorgen. An der Spitze der junge Landobrist Growin von Streitzig, gefolgt von Seneschall Coswin von Streitzig und Hofkaplan Gutfried von Weißenstein. Auch wenn der Landobrist das Trio anführte, so konnte man erahnen wer die wirklich mächtigen Figuren auf diesem Spielfeld waren. In gebührenden Abstand, ebenfalls hoch zu Ross, ritten die beiden Hauptleute Irberod von Leustein und Raulmine von Wegfeld.

Growin, Sohn des ehemaligen Pfalzgrafen Giselbert von Streitzig, hatte ein schweres Erbe angetreten. Fast 30 Götterläufe stand der große Wulf von Streitzig den Waldsteiner Rittern als Landobrist vor. Doch dieser war tot, wie so viele andere große Helden dieser Zeit. Dem jungen Nachfolger von Wulf fehlte es noch an Charisma und Durchsetzungskraft. Nicht wenige hielten ihn für eine Fehlbesetzung, seine Berufung als Klüngel zwischen den mächtigen Familien Waldsteins. Er musste sich erst noch vor den störrischen und eigensinnigen Waldsteiner Rittern beweisen, das wusste er auch. Nun, in Zeiten da im Königreich die große Fehde herrschte, sah er seine Zeit gekommen.

Seneschall Coswin von Streitzig blickte selbstgefällig über die aufgereihten Ritter hinweg. Trotz seines Amtes und der damit einhergehenden Machtfülle, konnte er niemals aus den Schatten seines Verwandten Wulf treten. Doch das war jetzt Geschichte. Nun war er der mächtigste Streitzig des jüngeren Hauses und dies sollte erst der Anfang sein. Die über das Königreich eingebrochene Fehde war ein Geschenk für ihn und eröffnete ihn ganz neue Handlungsspielräume. Er würde sie zu nutzen wissen.

Hofkaplan Gutfried von Weißenstein stand die Zufriedenheit ins Gesicht geschrieben. Die äußeren politischen Umstände waren günstig. Der Waldsteiner Hof hatte den Schlunder Adligen seine Unterstützung bekundet und war an deren Seite in die Fehde eingestiegen. Der Waldsteiner Hof, das war nicht etwa die so von ihm verhasste Elfengräfin, nein, denn die scherte sich nicht um höfische Politik. Sie traf sich lieber mit ihren so genannten Elfenfreunden in Silz. Die Einflussreichen am Hof, das waren der Seneschall, der Landobrist und er, der Hofkaplan. Dabei war ihm mehr als bewusst, dass der Landobrist nur eines ihrer Werkzeuge war. Die Fäden in diesem Spiel hielten der Seneschall und er.


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Vor einer Reiterin mit strengem Blick und aufrechter Haltung blieben die drei Herren stehen. Es handelte sich um Riena Rhodena von Weißenstein, Ritterin der Leunin und Geweihte im Rondra-Tempel zu Uslenried. Mit kräftiger Stimme verschaffte sie sich Gehör.

„Ehrbare Waldsteiner Ritter, mit den Augen eines Adlers haben wir, stolze und ehrenhafte Waldsteiner, mitansehen müssen, wie die sogenannten ritterlichen Grafenhäuser die Tugenden der Ritterlichkeit missachteten und somit der Sturmleunin Gebote frevelten. Mit götterloser Grausamkeit überboten sie sich in ihrem Frevel. In Niedertracht und Feigheit zogen sie auch den Schlunder Adel und die Kaisermärker Ritter mit in ihr perfides Spiel. Doch, die Sturmherrin hat gesprochen, sie verlangte nach Genugtuung für den Frevel der Grafenhäuser.“

Die Ritter johlten und reckten ihrer Schwerter empor. Auf deren blanken Stahl tanzte das Licht der Fackeln und rank mit der langsam weichenden Dunkelheit.

„Lasst uns, der aufrechte Adel Waldsteins, die Schwertspitze sein im Kampf gegen Niedertracht und Frevel, auf das der Sturmherrin genüge getan werde.“

„Lasst uns unsere Schwerter erheben, um unsere heimatliche Scholle zu verteidigen, auf das diese Verderbtheit nicht Einzug halten möge in unsere Lande. Aber mehr noch … .“

„... wie ein Sturm gleich werden wir über die Lande fegen und die in Ungnade Gefallenen richten, denn dies ist unsere heilige Pflicht.“

„Folgt mir und den Aufrechten!“

Nach den Worten der Geweihten hallte ein unbändiges Grollen der Jubelrufe durch den Morgen und just in diesem Moment gefiel des dem Herrn Praios die Dunkelheit mit seinen aufgehenden Sonnenstrahlen zu vertreiben.

„Seht, der Götterfürst ist mit den Aufrechten!“, rief der Hofkaplan aus voller Brust und riss die Arme in die Höhe.

Mit einem zufriedenen Lächeln hatte der Seneschall Coswin von Streitzig der Szenerie beigewohnt. Es hatte begonnen.


Autor: Bega


Kommando Rallersprung

Grafenpalas zu Hirschfurt, Ende Firun 1043 BF:

Seneschall Coswin von Streitzig saß an seinem Schreibtisch im Hirschfurter Grafenpalas, als es klopfte und sein treuer Sekretarius herein geschlurft kam.

„Die Herrschaften sind, wie gewünscht, hier eingetroffen, Herr!“

„Ah, Danke mein guter Jendor, führ sie herein!“ Coswin nahm eine grade Haltung ein und erwartete seine Gäste. Herein traten Arlt von Weißenstein, [[Garetien:Hilger von Rallerquell|Hilger von Rallerquell], Alrik Raul von Hohentann und Hardane von Waidbrod.

„Praios zum Gruße, Ihr habt uns rufen lassen, Exzellenz?“, sprach der Weißensteiner und auch die anderen drei grüßten standesgemäß, was der Seneschall erwiderte.

„Die Götter mit euch! Ja, ich habe euch rufen lassen. Ihr, die Erben bedeutender Familien, steht sozusagen für ein neues Waldstein und ihr werdet euren Namen alle Ehre machen.“ Der Seneschall musterte alle drei. „Der Landobrist hält viel von euren Fähigkeiten im Kampf, wie er mir persönlich mitteilte und wie ich auch von ihm hörte, werdet ihr an der Kommando Rallersprung teilnehmen.“

„Sehr wohl“, sprach die Waidbrod, die am Grafenhof auch einfach nur Bracke genannt wurde – nach den Hunden, die ihre Familie züchtete, nicht wegen ihrem Aussehen. Wobei … . „es ist unser Bestreben unsere Familiennamen zu ehren und für Waldstein glorreich in die Schlacht zu ziehen.“

Wunderbar auswendig gelernt, dachte sich der Seneschall und lächelte milde. „Nichts anderes habe ich erwartet. Doch, Waldstein braucht nicht nur euren Schwertarm. Es geht um Kleinodien aus der Historie unserer Grafschaft, die, verstreut in alle Winde, sich nun fern der Heimat befinden. Diese gilt es heim zu holen. Das soll eure Aufgabe sein, denn es gibt belastbare Hinweise, eine dieser Kostbarkeiten könnte sich in der Baronie Schwarztannen befinden.“

„Habt Dank, Exzellenz, wir werden Euer Vertrauten in uns nicht enttäuschen.“, antwortete der Rallerquell auf eine nicht gestellte Frage. Der Seneschall hasste es unterbrochen zu werden, doch fuhr er ungerührt fort.

„Sobald die Mission Rallersprung ihren Anfang genommen hat, werdet ihr auf gegnerischen Boden die Suche beginnen – mehr nach Art des Herrn Phex, als der Herrin Rondra, wenn ihr versteht was ich meine.“ Die Angesprochenen nickten. „Ich muss nicht erwähnen, dass das Auffinden dieser Kostbarkeiten sehr wichtig für Waldstein ist.“ Und damit meine ich, dass es sehr wichtig für mich ist, dachte sich der Seneschall im Stillen.

„Um was handelt es sich denn genau?“, wollte der Hohentann wissen, was den Seneschall eine Augenbraue nach oben zucken ließ. Natürlich der Hohentann, Erde eines stinkenden Moores, naseweis wie eh und je - aber immerhin ein vielversprechender junger Mann und nicht so ein Nichtsnutz wie sein Vetter, der Baron von Schwanenbruch.

„Mein Sohn wird euch in Kürze instruieren“, der Seneschall lächelte gekünzelt. „Ihr dürft jetzt gehen!“


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Nachdem die vier Adligen die Amtsstube verlassen hatten, öffnete sich eine geheime Tür in der Wand und Coswins Sohn Leomar schälte sich aus dieser.

„Sohn, bist du dir sicher, dass die zu was taugen?“

„Ja Vater, du kannst dich auf mich verlassen. Ihre Herzen schlagen für unsere Sache und sie würden alles tun um erfolgreich heimzukehren.“

„Nun denn, das sollten sie auch!“


Autor: Bega

Wucherndes Herz

Burg Silz, 30. Tsa 1043 BF:

Wie so oft stand Landvogt Vallbart von Falkenwind am Turmfenster und blickte über das schier endlos erscheinende Meer aus Baumkronen. Er liebte diesen Ausblick, doch lag Unbehagen in seinen Augen. Irgendetwas war anders, das spürte er.

Ebenfalls anwesend waren sein Schreiber Rauldan von Rallerhain, die Burgvögtin von Silz Mayana Schwalbenflug, der Silzer Jagdhüter Valtoron von Quellgrund, der gräfliche Wegevogt Edorian von Feenwasser, sowie der gräfliche Kämmerer Albin von Storchenhain.

Edorian von Feenwasser beklagte sich über den Zustand der Wege in der Grafschaft. „Jetzt nach dem Winter sind viele Wege immer noch unpassierbar, aber wie mir scheint, hat dies weniger mit Firuns Grimm, als vielmehr mit Tsas lebensspendendes Wirken zu tun. Der Forst wuchert wieder besonders stark und vor allem das Herz des Reichsforst scheint betroffen.“

Der Silzer Jagdmeister stimmte nickend zu. „Der Wald scheint sich wieder zu regen, weit stärker als sonst. Auch das Verhalten der Tiere hat sich verändert. Besonders Wolfsrudel wagen sich immer näher an unsere Siedlungen.“

„Auch bei den Elfen herrscht Unruhe“, ergänzte Mayana Schwalbenflug. „Die Zauberweber der Sippen sprechen von den 'Verschollenen des Waldes', die in die diesseitige Welt zurückkehren würden.“

„Besorgniserregende Kunde erreicht uns aus Hartsteen und Reichsforst“, unterbrach der landvögtliche Schreiber Rauldan, nachdem wer während des Gesprächs eine Handvoll Briefe überflogen hatte.

„Na was schon, haben sich die ach so ritterlichen Grafschaften die Finger wehgetan?“ Die Stimme Mayana Schwalbenflugs klang gewohnt spöttisch. Ihrem elfischen Wesen erschloss sich das Konzept einer Fehde nicht, auch wenn sie im Umgang mit den Rosenohren sehr geübt war und ihre elfische Natur bei Hofe auch für sich zu nutzen wusste.

„Ehm, nein, sie wurden angegriffen … von Rittern aus Waldstein, ehm, also von uns.“ Rallerhain blickte fragend in die Runde. „Wie kann das sein?“

Verwundert blickten sich die Anwesenden an, einzig Vallbart blieb ungerührt am Fenster stehen.

„Was genau ist passiert?“, wollt der ehemalige gräfliche Hausritter Valtoron von Quellgrund wissen.

„Den Berichten zufolge sind unsere Ritter in Aldenried im Hartsteenischen eingefallen. Auch soll es Scharmützel zwischen Linara und Schwarztannen gegeben haben … und zwar an der Weidburg. Ist das nicht das Lehen deiner Gemahlin, Feenwasser?“

Dieser nickte sorgenvoll. „Sari befindet sich zur Zeit mit den Zwillingen zu Besuch bei meiner Großmutter. Keine Ahnung was da vorgefallen ist.“

„Am Grafenhof rumort es schon lange“, begann Albin von Storchenhain zu berichten. „Die Scharfmacher um Gutfried von Weißenstein und Seneschall gewinnen an Einfluss. Sie wagen es gar offen im Namen der Herrin Rondra und des Herrn Praois zu sprechen. Gerade bei den jungen Rittern fallen ihre Worte auf fruchtbaren Boden. Sie gieren nach Blut und Ehre … und nach Vergeltung wegen dem unritterlichen Verhalten von Seiten der Häuser Luring und Hartsteen. Die Stimmung am Hof wird immer aggressiver.“

„Das riecht schon nach dem Werk des Seneschalls“, fügte Edorian hinzu. „Wie es aussieht, hat er bereits die gräfliche Garde hinter sich gebracht. Von meinem Vetter und der Zweifelfels fehlt seit einiger Zeit jede Spur.“

„Nicht nur das, der Landobrist hatte im Winter zu einem Heerlager gerufen - zur Übung der Wehrfähigkeit. Das ich nicht lache.“ Albin echauffierte sich sichtlich. „Die haben das von langer Hand geplant.“

„Die Frage ist doch, was der Seneschall damit bezwecken will.“ Rauldan blickte fragend in die Runde.

„Der will nun endgültig die Macht in Waldstein ergreifen, da bin ich mir sicher.“ Die Stimme des jungen Kämmerers bebte förmlich, war es doch er, der am Hof zunehmend mit Anfeindungen zu kämpfen hatte.

„Der Seneschall hat die Zeichen der Zeit erkannt und handelt seiner Natur entsprechend“, begann Vallbart, der die ganze Zeit geschwiegen hatte. „Wir werden uns ihm entgegen stellen, doch“, der Landvogt deutete in Richtung des Waldes, „dort draußen wartet unsere wahre Herausforderung. Der erwachende Forst wird so manches längst Vergessenes offenbaren. Es ist an uns, unserer Gräfin, der Hüterin des Waldes, in dem Ringen um das wuchernde Herz des Reichsforsts beizustehen. Was die anderen miteinander in Fehde liegenden Grafschaften angeht, so können wir nichts für sie tun. Soll der Seneschall seine Spielchen dort spielen. Unser Augenmerk gilt unseren Wäldern und unseren Auen.“


Autor: Bega

Der Klang der Waldsteiner Kriegshörner

Am Ufer der Raller, Mitte Phex 1043 BF:

Der dumpfe Klang der Waldsteiner Kriegshörner hallte drohend über die Raller – und das schon seit Monden. Diese Eigenart der Waldsteiner Kriegsführung sollte die Gegner einschüchtern, aber auch für Verwirrung stiften. Bei diesen handelte es sich um eineinhalb bis zwei Schritt lange, bronzene Hörner, deren Schalltrichter zu Tierköpfen geformt waren. Die Tierköpfe variierten dabei je nach Gefolgschaft. So zeigten die Kriegshörner der Waldsteiner Pikeniere einen Fuchskopf, die Truppen der Barone von Schwanenbruch dagegen einen Schwanenkopf, während die Einheiten des jüngeren Hauses Streitzig einen Pferdekopf als Schalltrichter aufwiesen und die der Familie Weißenstein den Kopf eines Greifen.


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Doriant, Baronie Schwarztannen, Ende Phex 1043 BF:

Schwer legte sich das Dröhnen der Waldsteiner Kriegshörner über Doriant. Die Waldsteiner hatten es geschafft, nach der Schlacht im Greifen hatte Hauptmann Leustein den Gegner nur belauern lassen, hier und da einen Angriff vorgetäuscht, doch Ende Phex war es soweit: Den Waldsteiner Rittern gelang bei Rallerwacht die Übersetzung über die Raller und viel wichtiger, sie obsiegten im Hauen bei Doriant gegen die Schwarztanner Kämpfer. Das Kommando Rallersprung war erfolgreich gewesen.

Hoch zu Ross ritt Riena Rhodena von Weißenstein die Reihen der siegreichen Waldsteiner Ritter ab. Die Geweihte der Rondra, die ehrfurchtsvoll auch die Rote Riena, oder die Donnernde genannt wurde, sah zufrieden aus. Viele der Waldsteiner Traditionalisten waren ihrem Ruf nach Vergeltung gefolgt. Wenngleich die Motivationen der Einzelnen so mannigfaltig waren, wie es unterschiedliche Waldsteiner Kriegshörner gab.

„Ehrenwerte Waldsteiner, ihr, die hier gemeinsam so glorreich die Schlacht geschlagen habt, seit die wahren Bewahrer der alten Traditionen und ein glühendes Beispiel für unerschütterlichen Glauben. Die Zeit der Sühne des Frevels an der Sturmherrin ist gekommen. Wie werden einen Sturm entfachen, der seines gleichen sucht. Mögen die Frevler so wieder auf den Pfad der Göttin gebracht werden oder vergehen!“

Jubel und das Dröhnen der Waldsteiner Kriegshörner erfüllte die Szenerie. Arlt von Weißenstein und Alrik Raul von Hohentann standen etwas abseits. Es war schon bemerkenswert, gar furchteinflößend wie sehr Arlts Anverwandte, die Rote Riena, es schaffte, die Menschen so mitzureißen. Gestandenen Männer und Frauen blickten mit wässrigem Blick zu der Donnernden herauf, darunter Junker Leomar von Breitefurten oder Olwyn von Grabenau, aber auch seine Kampfgefährten Hilger von Rallerquell, Alrike von Breitenbach, Girte von Keilerau und Hardane von Waidbrod. Selbst die sonst so gefühlskalte Alka, die neben Hauptmann Leustein stand, schien ehrlich ergriffen.

Arlt wandte sich zu dem Hohentanner. „Es hat begonnen, mögen die anderen sich in Lobhudeleien ergeben, unsere Mission fängt jetzt erst an. Hol den Nadlau, wir müssen hier jeden Stein umdrehen.“

Der Angesprochene nickte zustimmend und entfernte sich. Ein wenig wehmütig blickte Alrt auf das Kriegshorn seiner Familie. Der Greifenkopf stand dafür, das die Weißensteiner mal Barone waren, denn nur Barone hatten das Recht auf einen eigenen Tierkopf. Der Baronsreif war lange vergangen, aber die Greifenkriegshörner waren geblieben.


Autor: Bega

Rapport

Burg Goblau, Gräflich Gobelmünd, Peraine 1043 BF:

„Dort, ein Ruderboot“, Leomar von Streitzig deutete etwas hektisch in Richtung Raller, die sich als schwarzes Band an der Burg vorbei schlängelte. Der nächtliche Nebel tat sein übriges, doch nach und nach schälte sich die Silhouette eines kleinen Bootes heraus. An Bord, soweit es Leomar erkennen konnte, waren ein Ruderer und eine weitere Person, die eine Öllampe hielt. „Die Lichtsignale, der Hohentann ist zurück.“

„Sehr gut“, brummte der Seneschall. Ihm war es in der Burg schon zu klamm und kalt gewesen, aber hier draußen empfand er die Witterung als unerträglich. Es waren diese Momente, da wünschte er sich fast für die Instandhaltung der gräflichen Burgen mehr Geld locker gemacht zu haben. Aber nur fast. denn, wie oft war er schon hier. „Düllerwüben, lasst das Flusstor öffnen, die Schwäne des Bruchs kehren heim.“

Die Landvögtin gehorchte und gab ihrer Wachmannschaft ein Zeichen, das Flusstor am etwas gedrungenen Bergfried zu öffnen.

„Wir sollten uns nun nach drinnen begeben“, bemerkte die Ministeriale Tsajane von Jeskenau mit kehliger Stimme.

„Endlich ins Warme“, bemerkte Leomar mit leiser Stimme und sein Vater, der Seneschall, stimmte ihm zu. „Es ist Zeit für eine nette Plauderrunde mit Gewürzwein! Bereitet alles vor, Düllerwüben!“


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Wenig Später fand sich der Seneschall an einem langen Eichentisch wieder und genoss das prasselnde Feuer im Kamin hinter sich. Ebenfalls anwesend waren sein Sohn Leomar, Phexiane von Hohentann und Tsajane von Jeskenau.

„Wo ist denn der gute Hofkaplan“, wollte der Seneschall wissen.

„Der hat sich sich zum Gebet in die Praios-Kapelle zurückgezogen“, erwiderte die Jeskenau.

„ Ah, na sei´s drum.“ Nachdem der Streitzig an seinem Gewürzwein genippt hatte, trat auch schon der lang erwartete Gast ein.

Alrik Raul, es ist eine Freude dich zu sehen.“ Leomar begrüßte seinen Freund mit einem kumpelhaften Schulterklopfen.

„Setz dich, Hohentann, und wärm dich auf, aber vergiss nicht nebenbei zu reden.“ Der Ton des Seneschalls verriet dem Ritter, keine Zeit zu verlieren.

„Exzellenz, es läuft gut für uns, die Brückenschlacht bei Salzkotten war ein großer Erfolg.“ Der Ritter aus dem Schwanenbruch nahm einen guten Schluck Gewürzwein. „Wir haben reiche Beute gemacht und kontrollieren nun einen Großteil der Baronie Schwarztannen. Weißenstein und Rallerquell sind mit Hauptmann Leustein nach Gräflich Luring vorgestoßen und haben dort in Pochsen Quartier bezogen. Vor dort aus plant Leustein die nächsten Schritte. Die Schwarztanner Verteidigung ist schwach, sie haben uns nichts entgegen zu setzten. Hilfe von Seiten des Luring ist auch nicht zu erwarten, denn dessen Kräfte sind in der Goldenen Au gebunden.“

„So weit, so gut“, antwortet der Seneschall, als habe er das Wichtigste noch nicht gehört. „Und wie sieht es mit euren eigentlichen Auftrag aus?“

„Die Waidbrod und Keilerau gehen einer Spur am Hexenwald nach, von Nadlau habe ich lange nichts gehört, die Breitenbach ist die Adjutantin der Alka, die nun unsere Truppen in Schwarztannen befehligt. Weißenstein und Rallerquell sind ja nun … .“

„Beim Leustein und spielen in Gräflich Luring Krieg, ich weiß!“ Die Gesichtszüge des Seneschalls verzogen sich zu einer wütenden Fratze. „Ihr alle hattet einen klaren Auftrag mir diesen Kleinod zu bringen. Das ist der wahre Grund für unsere Präsenz in Schwarztannen. Euer Kriegsgeplänkel könnt ihr euch leisten, aber vorher will ich Resultate sehen!“

„Jawohl, Exzellenz, verzeiht. Womöglich haben wir uns von der besonderen Stimmung mitreißen lassen. Wir werden uns nun wieder auf unsere eigentliche Aufgabe besinnen, dafür werden ich sorgen!“ Der sonst so forsche Ritter wirkte gar etwas kleinlaut.

„Falsch“, die Stimme des Seneschalls schnitt durch den Raum, „deine Schwester wird das tun!“ Der Seneschall deutete auf die junge Frau neben ihm an Tisch. Phexiane wird dich zurück nach Schwarztannen begleiten!“

Alrik Raul entwich nur ein ungehaltenes Knurren. Seine kleine Schwester als Aufpasserin konnte er nun überhaupt nicht gebrauchen.

„Das war alles, Hohentann, du kannst dich entfernen. Ihr beide werdet morgen in aller Früh aufbrechen. Also findet etwas Schlaf!“

Mit angefressener Miene verließ der Angesprochene den Raum.

„Was gibt es aus Hartsteen zu berichten?“ Der Blick des Seneschalls wandte sich zur Jeskenau.

„Der Wegfeld ist es nicht gelungen sich aus der Defensive zu befreien. Zwar konnte sie sich den Phexmond über in Tannenheim im Westen Aldenrieds halten, doch nach dem sogenannten Hartweiler Untergang musste sie sich auf Waldsteiner Boden zurückziehen.“

„Hartweiler Untergang?“, hakte Leomar von Streitzig nach.

„Nun, ich werde euch mit lästigen und vollkommen nichtssagenden Details verschonen … nur so viel: Der Hauptmann entstammte aus der Schlunder Familie Hartweil, die im Laufe der Fehde den Schlund verrieten und sich den Hartsteenern angebiedert haben – tatsächlich nicht gerade zur Freude dieser. Besagter Hauptmann starb durch das Schwert der Wegfeld, daher der Name.“

„Wie es scheint, ist die Lage an der Grenze zu Hartsteen festgefahren“, schloss der Schreiber des Seneschalls.

„So ist es“, bestätigte die Jeskenau.

„Hartsteen ist nicht weiter relevant, denn das was wir erreichen wollten ist meines Erachtens eingetreten, oder Phexiane?“

Die junge Phex-Geweihte nickte mit einem vielsagende Lächeln. „Sehr wohl, Exzellenz. Wie ich hörte, kam es an der Grenze zwischen Zweiflingen und Aldenried zu einem Treffen zwischen Leomar von Zweifelfels, Felan von Schallenberg und Selo von Pfiffenstock. Zwischen den beiden Letztgenannten kam es in den letzten Monden zu großen Verstimmungen wegen eines Vorfalls zwischen Hartsteenern und Kaisermärkern … es ging um Verrat.“

Der Seneschall, der bei der Nennung des Namen des Zwefelfelsers - seines größten Feindes schlechthin – kurz die Kontrolle über seine Mimik verlor, hatte sich im Folgenden wieder gefangen. „Jaja, diese unglückliche Geschichte mit den Köhlern … welch Unglück. Erzähle weiter!“

„Der Neerburscher Kronvogt hatte seine beiden engen Verbündeten an die Zwiefelsen geladen um die Streitigkeiten auszuräumen.“

„Zwiefelsen … pah! Die Kabinettshure hatte schon immer eine Schwäche für Sentimentalitäten.“ Aus der Stimme des Seneschalls sprach pure Gehässigkeit und Abscheu.

„Die Silberzunge ist verstummt, Schallenberg und Pfiffenstock haben sich die Fehde erklärt. Der Neerbuscher ist gescheitert.“

„Welch großartige Nachricht“, frohlockte der Seneschall, „nun ist es auch nur noch eine Frage der Zeit, bis sich der Aldenrieder auch von der Kabinettshure abwendet.“

„Dein Plan hat funktioniert.“ Anerkennung und Bewunderung lag in der Stimme des Sohnes.

„Natürlich hat er das!“ Wohingegen Selbstsicherheit und Eitelkeit aus der des Seneschalls sprach. „Das Spielfeld ist gesetzt! Aber verzeiht, ich werde mich nun in die Kapelle des Götterfürsten begeben. Habt eine gute Nacht!“


Autor: Bega

Verflechtungen der Macht

Praios-Kapelle der Burg Goblau, Gräflich Gobelmünd, Peraine 1043 BF:

Die Kapelle des Götterfürsten war durch unzählige Wachskerzen hell erleuchtet und strahlte im goldenen Glanz - und das war durchaus wortwörtlich zu verstehen. Sämtliche Statuen, Fresken und Kultgegenstände waren vergoldet – sehr zum Wohlgefallen des Herrn Praios, da war sich Coswin von Streitzig sicher.

Vor dem Altar stand Gutfried von Weißenstein, Kaplan am Waldsteiner Grafenhof und verabschiedete gerade den jungen uslenrieder Hausritter Alrik Zerber von Eslamsgrund, der beim Hinausgehen den Seneschall ehrerbietend grüßte.

„Eure Familie hat sich bei der Ausstaffierung dieser Kapelle wahrlich nicht lumpen lassen, Hofkaplan.“

„Der gute Bosper, welch Praios gefällige Seele. Er hat dafür gesorgt, dass der Geist des Götterfürsten in dieses zugige Gemäuer Einzug erhält, um so die Moral der Tapferen hier auf ewig hochzuhalten.“ Der Hofkaplan kam schnell ins Schwärmen, wenn es um die Errungenschaften seiner Familie ging. Denn es war besagte Bosper, aus der Familie Weißenstein, der als Landvogt im Namen seiner Familie vor gut 20 Götterläufen diese opulent ausgestattete Kapelle stiftete.

„Der gute Bosper hin oder her, lasst uns lieber über den Besucher aus Uslenried sprechen.“ Der Seneschall brannte vor Neugier.

„Ja ja, der Eslamsgrund, wahrhaft dem Götterfürsten zugetan.“ Der Hofkaplan tippte mit seinen mit Goldringen besetzten Fingern auf den Altar. „Er brachte mir bemerkenswerte Kunde aus Uslenried.“

„Nun, Ehrwürden?“ Der Seneschall wurde langsam ungeduldig, was der Weißenstein sichtlich genoss, denn er liebte es im Mittelpunkt zu stehen.

„Ihr hattet recht mit eurer Vermutung. Um die Einheit der herrschaftlichen Geschwister steht es nicht gut. Ailyn, die nach dem Tod des großen Wulf die Amtsgeschäfte in Uslenried übernommen hatte, hat scheinbar Gefallen an der Macht gekommen, denn jetzt, wo ihr Bruder und nunmehr neuer Baron auf Burg Greifenklaue weilt, herrscht allenthalben erbitterter Streit zwischen den beiden. Durch den ganzen Hof geht ein Riss, wobei jedoch die junge Maid einen Vorteil zu haben scheint, ist sie doch in Uslenried aufgewachsen. Corian hingegen, weilte lange in der Ferne und hat kaum Rückhalt in seiner Heimat. Er umgibt sich hauptsächlich mit jungen Rittern, die sich durch ihn einen Aufstieg erhoffen. Ailyn stützt sich auf ihren Gemahl, dem ersten Hausritter Gerban von Hallerstein und … auf Giselbert von Streitzig, der auch am Hof weilt … und die Mehrheit des Hofstaates.“

„Interessant“, murmelte der Seneschall, „und was ist mit den Waldsteiner Wölfen?“

„Deren Loyalität liegt im Verborgenen“, erwiderte der Hofkaplan.

„Gut, gut. Das Giselbert sich mit dem Mädchen ein neues Steckenpferd hält, dachte ich mir schon. Sie ist dadurch für uns verloren. Wir werden den Zwist am Hofe nutzen um Corian auf unsere Seite zu ziehen. Er mag störrisch und dickköpfig sein wie sein Vater, aber er ist beeinflussbarer als seine Schwester – zumindest was uns betrifft. Er braucht uns, hat er doch keine Verbündeten hier in Waldstein.“

„Er wird folgsam sein, da bin ich mir sicher.“ Der Hofkaplan nahm einen Schluck Wein aus einem der goldenen Becher. „Die Verhandlungen mit dem Haus Eslamsgrund sind überdies auch schon weit fortgeschritten. Einer Verlobung zwischen Alrik Zerber und der kleinen Hohentann steht nichts mehr im Wege.“

„Sehr gut, so fügt sich doch alles wie es soll.“ Der Seneschall grinste zufrieden.

„Jetzt fehlt nur noch eine passende Gemahlin für Euren Sohn.“ Der Weißensteiner blickte auffordernd zu Coswin.

„Auch da habe ich schon einige Eisen im Feuer.“


Autor: Bega

Am Grafenhof

Gut Grafenruh, Sitz des Waldsteiner Grafenhofes, Mitte Peraine 1043 BF:

Im Galopp ritten sechs Reiter auf das Tor von Grafenruh zu und wurden je von den Wachen der Waldsteiner Pikeniere aufgehalten.

„Was soll das, Mann, lass uns passieren!“, rief Bernhelm von Zweifelfels einem der Wachhabenden zu.

„Du weißt wohl nicht wer hier vor dir steh!“, zischte Thallion von Greifstein hinterher.

„Selbst wenn Ihr die Königin persönlich wärt, ich habe Befehl niemanden reinzulassen.“ Die Stimme des Wachhabenden zeigte deutlich, dass er lange nicht so selbstsicher war, wie er tat.

„Hol deine Kommandantin und sage ihr Leomar von Zweifelfels verlangt Einlass!“ Gishelm von Falkenstein-Sturmfels spie das Wort Kommandantin regelrecht aus.


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Wenig später baute sich die Kommandantin mit einer Lanze Pikeniere vor Leomar und seiner Entourage auf.

„So so, wen haben wir denn da?“ Geschmeidig wie eine Katze spazierte die Frau auf Leomar zu. „Lang ist es her, seit dem Ihr das letzte Mal hier ward.“

„Nun erinnere ich mich auch warum ich diese Jauchegrube gemieden habe.“ Leomars Stimme klang bestimmt und war voller Abscheu. Er kannte diese Frau, Lorinda von Windenstein-Windenbrück hasste seine Familie wie Dämonenbündler geweihten Boden. Sie entstammte aus einer Nebenlinie der Familie Windenstein, die vor den Zweifelfelsern die Baronie Osenbrück beherrscht hatten.

„Autsch, ich habe mehr Niveau von der berühmten Silberzunge erwartet“, säuselte die Adlige, „aber sei es drum, wir leben in schwierigen Zeiten. Der Hofkaplan hat eine Abriegelung von Grafenruh befohlen – zur Sicherheit.“

„Seit wann hat der Hofkaplan hier das Sagen?“ Leomar ließ sein Ross aufsteigen.

„Gemach, gemach, Brauner“, und mit Blick auf Leomar: „Der wuchernde Forst und seine verfluchten Kreaturen … nur durch das Licht und die Güte des Götterfürsten werden wir gegen diese Finsternis bestehen.“

„Wir reiten mit dem Banner der königlichen Domäne Neerbusch und haben das Recht … .“ Doch weiter kam Bernhelm nicht.

„Na na, königlicher Ritter des Busches, wo ist denn Eure Königin? Oder läuft ihr alle nicht eh schon Schwanz wedelnd dem kleinen Prinzchen hinterher? Ihr habt hier keine Verfügungsgewalt! Zieht Euch zurück in Euren Busch.“

Leomar hatte seine Hand schon an seinem Schwert Seelensäufer, es rief schon nach ihm, doch zügelte er seine kaum zu bändigende Wut. Heute war nicht der Tage für eine Seelenernte.


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Leomar und die Seinen hatten, zum Schein, klein bei gegeben und fanden sich nun an einer der rückwärtigen Mauern des Gutes wieder.

„Wie kann dieses Miststück es wagen“, fluchte Thallion, „das kann die doch nicht einfach so ungestraft tun.“

„Um die kümmern wir uns später“, brummte Leomar und wandte sich dann zu seinen beiden Knappen. „Morgana, Radulf, ihr verschafft euch Zugang zu dieser Jauchegrube und holt Darion. Los los!“


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Nach einem halben Stundenglas waren die beiden Knappen wieder zurück, mit Darion von Düllerwüben im Schlepptau. Leomar begrüßte seinen alten Kumpanen. Beide hatten schon das ein oder andere zusammen erlebt.

„Darion, was bei den Niederhöllen ist hier los?“, zischte Leomar, „Die Praios-Pfaffe ist nun Herr von Grafenruh? Was geht hier vor?“

„Du hast ja keine Ahnung“, begann Darion kopfschüttelnd, „Die Stimmung am Hof wurde immer rauer … diese ganzen Berichte vom wuchernden Forst, wilden Kreaturen die Reisende angriffen oder sonstiges. Der Hofkaplan macht dafür die Elfengräfin und ihre Unterstützer verantwortlich und hetzt gegen sie. Es kam schon zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Hausrittern … die meisten Elfenfreunde haben den Hof verlassen, wie der Wegevogt, die Jagdmeisterin und der Hofmagier … nach Silz sind sie geflohen, sagt man.“

„Da steckt doch bestimmt auch der Wicht von Seneschall dahinter.“ Leomar blickte zu den anderen.

„Ja, er und der Weißensteiner haben eine Allianz geschlossen … den Landobrist halten sie sich als Haustier und der merkt noch nicht mal was.“ Darions Stirn warf Falten. „Die Pikeniere haben sie schon unter ihrer Kontrolle, die gräflichen Burgen daher auch.“

„Hier ist eine Machtergreifung im Gange … .“ Nun dämmerte es Leomar. „Der Wicht will die Gunst der Stunde nutzen und sich selber zum Grafen aufschwingen.“

„Wie es aussieht hat er wenig Gegenwehr zu befürchten, die Elfengräfin und ihre Getreuen sind mit dem wuchernden Forst und seinen Kreaturen beschäftigt.“ Auch Bernhelm wurde langsam unruhig.

„Aber …“, Leomar hielt inne, „wie will er sich legitimieren?“

„Mit den Insignien der alten Grafenhäuser!“, platzte es Darion wie ein Blitz heraus. „Sein missratener Sohn hatte mich wie beiläufig nach dem Lepperturm und anderen Hinterlassenschafter den Familie Leppstein ausgefragt … .“

„Wie viele Herrschaftsinsignien gibt es denn überhaupt?“, wollte Thallion wissen, „Bei den vielen Herrscherhäusern, die Waldstein schon überdauert hat... .“

„Da wären schon mal der Rohalsreif und der Goldener Eichenzweig, den die erste Gräfin von Rohal verliehen bekommen hat.“ - Darion

„Beides ist in Silz!“ - Leomar

„Dann das Schwert der heiligen Henrica:“ Bernhelm machte eine Schwertbewegung nach. „Ein Geschenk unserer Familie an die Gräfin.“

„Verschollen!“ – Leomar - "Schon seit Ewigkeiten."

„Der Lepperstein.“ - Darion - „darauf wollte der Streitzig sicher hinaus.“

„Verschollen!“ – Leomar

„Ah, der Kriegshelm mit den Haaren der Familie Waldstein von Graf Olbert von Drabenburg.“ - Darion

„Arg, wie widerwärtig!“ Thallion verzog angewidert das Gesicht.

„Ebenfalls verschollen!“ - Leomar

„Silz ist für den Wicht unerreichbar“, merkte Gishelm an, „da kommt er niemals rein!“

„Dann sollten wir uns auf die verschollenen Insignien konzentrieren … womöglich hat er schon welche ausfindig gemacht.“ - Leomar.

„Wie finden wir das heraus?“ Thallion blickte in fragend in die Runde.

„In dem wir dem Grafenpalas in Hirschfurt mal einen Besuch abstatten.“ Ein wölfischen Grinsen überzog Leomars Gesichtszüge.


Autor: Bega

In der Reichsstadt Hirschfurt

Stadthaus der Familie Storchenhain, Reichsstadt Hirschfurt, Ende Peraine 1043 BF:

Bei einem frischen Bier saßen Leomar von Zweifelfels und sein Gastgeber Albin von Storchenhain im Empfangszimmer des Stadthauses der Familie Storchenhain zusammen.

„Um gleich zur Sache zu kommen, Storchenhain, ich muss in das Grafenpalas gelangen und Ihr werdet mir sicherlich gerne dabei helfen!“

„Ihr wollt zurück an den Ort Eurer größten Schmach? Na dann muss es Euch ja sehr ernst sein.“ Der junge Kämmerer lächelte etwas zu überzogen bevor er weiter sprach. „Doch, was führt Euch zu der Annahme ich würde Euch helfen wollen.“

„Junger Storch, spielt nicht mit mir.“ Nun war es Leomar, dessen Lächeln aufgesetzt wirkte. „Wir wissen beide, unser gemeinsamer Feind sitzt im Grafenpalas. Um das zu wissen, brauch ich nicht am Hof zu verweilen, das flüstert sogar der rauschende Blätterwald Neerbuschs.“

„Meint Ihr etwa, ich besäße bereits die Torheit gegen den Seneschall vorzugehen?“ Albin nahm einen großen Schluck von seinem Bier. „Ihr wisst doch genau was am Grafenhof gerade vor sich geht. Die Schwerter sitzen locker und die Scheiterhaufen brennen lichterloh im Namen des Götterfürsten.“

„Mir macht Ihr nichts vor, Storchenhain, Ihr wurdet von der Elfengräfin persönlich zum Kämmerer ernannt – und das hinter dem Rücken und gegen den Willen des Streitzigs. Eine beachtliche Leistung. Ich sehe darin zwar ganz klar die Handschrift des Silzer Landvogts, aber glaubt mir, ich bin nicht so töricht Euch zu unterschätzen. Durch Eure direkte Ernennung seit ihr dem Wicht im Grafenpalas ein Dorn im Auge und für die Waldtänzer der große Lichtblick und ersehnte Hoffnungsschimmer. Das macht Euch aber auch gleichzeitig zur Zielscheibe der Traditionalisten, die Euch lieber schon vorgestern am Baum baumeln gesehen hätten. Die Luft wird dünn, der Grafenhof ist schon fest in ihrer Hand. Ihr fragt mich, warum Ihr mir helfen werdet, Ihr habt Eure Antwort!“

Der Kämmerer hatte während des Monologs Leomars, seinem Blick standgehalten. Das war schon bemerkenswert, nicht viele hatten diese Willenskraft. „Ihr mögt recht haben, Zweifelfels, unser gemeinsamer Feind sitzt im Grafenpalas – was uns allerdings nicht gleich zu Freunden macht.“

„Ha, ich bin nicht hier um Freundschaften zu schließen, ich bin hier um alte Rechnungen zu begleichen!“

„Wohl gesprochen. Angenommen ich würde Euch helfen, wonach sucht Ihr genau?“

„Beim wuchernden Forst, ich will wissen was dieser Wicht im Schilde führt. Die Überfälle auf Schwarztannen und das nordwestliche Hartsteen … seine Suche nach Kleinodien der untergegangenen Grafenhäuser Waldsteins, ich bin davon überzeugt, alles hat miteinander zu tun.“

„Also gut, ich werde Euch helfen. Ich werde im Grafenpalas Euer Ohr und Auge sein. Eure Anwesenheit wäre dort nicht opportun. Doch ich möchte auch was von Euch!“ Die Stimme des Storchenhainers klang bestimmt.

„Endlich wird es interessant mit Euch zu plaudern!“ Leomar grinste breit und griff zu seinem Krug Bier.


Autor: Bega

Der Kriegshelm des Grafen Olbert

Grafenpalas zu Hirschfurt, Reichsstadt Hirschfurt, Ende Peraine 1043 BF:

Ungeduldig tippelte Albin von Storchenhain mit seinen schlanken Fingern auf seinem hölzernen Schreibtisch herum. Lange Zeit hatte er mit seinem Adjutanten Sindor die Gewohnheiten des Seneschalls und seiner Bande studiert. An diesem Tag sollte es soweit sein, Albin wollte sich Zugang zum Amtszimmer des Streitzig verschaffen. Ein Klopfen riss den jungen Mann aus seinen Gedanken.

„Herein!“, rief Sindar. Der junge Mann, der einen gehörigen Schuss Elfenblut ins sich trug, war ein loyaler Freund seines Dienstherren.

„Kämmerer, Ihr seid noch hier,“ bemerkte Giselda von Hasenwaldeck mit einem gewissen Unterton. Die Vögtin der gräflichen Güter zu Hirschfurt konnte den jungen Storchenhain nicht leiden und das zeigte sie ihm auch immer wo sie auch konnte.

Natürlich bin ich noch hier, wo sollte sich denn sonst sein, dachte sich Albin im Stillen und und rollte innerlich mit den Augen. Stattdessen entfleuchte aus seinem Mund: „Selbstverständlich, Frau Vögtin, was verschafft mir die Ehre?“

„Ich habe hier die Abrechnungen von diesem Hause und dem Archiv für Euch zur Prüfung.“

Entsetzt blickte der Kämmerer auf den Haufen Papier, den ihm die Vögtin auf seinen Schreibtisch warf. „Das ist ja ein heilloses Durcheinander.“

„Ah, verzeiht, ich konnte da leider keine Ordnung reinbringen … Ihr wisst ja, wie beschäftigt ich bin.“ Mit einem überheblichen Grinsen verließ die Vögtin das Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.

„Was für eine faule, alte Fettel“, entwich des Albin. „Von wegen beschäftigt und so.“

„Also ich hab die noch nie arbeiten sehen“, stimmte Sindor mit ein.

„Nun, dieses Chaos wird warten müssen.“ Albin stand auf und deutete Sindor ihm zu folgen.


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Auf dem Weg zum Amtszimmer des Seneschalls begegneten die beiden jungen Männer den Haushofmeister des Palas Aribert von Windenstein-Windenbrück, der nun, die jeden Abend, eines der billigen Etablissements im Selem-Viertel aufsuchen würde. Albin und Sindor grüßten mit einem Nicken, Aribert tat dies nicht und ignorierte diese einfach.


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Als die Luft rein war, standen die beiden Männer vor der verschlossenen Tür des Amtszimmers der Seneschalls.

„So Sindar, nun zeig mal wie nützlich deine elfische Seite sein kann“, flüsterte Albin seinem Gegenüber zu. Dieser ließ sich nicht zweimal bitten und nach einer Handbewegung und ein paar gemurmelten Worten, sprang die Tür auf und die beiden schlüpften herein.

„Wo würde ich hier Sachen verstecken …“, murmelte Albin vor sich hin, während die beiden sich vorsichtig umsahen.

„Na, die Holzvertäfelung!“ Sindar begann die hölzernen Wände abzutasten und vorsichtig abzuklopfen. Als er einen Hohlraum erkannt zu haben glaubte, hielt er inne. „Ich glaube ich habe was gefunden.“ Vorsichtig schob er die Holzvertäfelung beiseite. „Ah, ein weiteres Schloss, war ja klar. Aber auch das kriegen wir hin.“

Nach dem auch diese Schloss auf magische Weise geöffnet wurde, offenbarte sich den beiden Männern der Inhalt des Verstecks.

„Beim wuchernden Wald, das gibt’s doch nicht.“ Albin staunte nicht schlecht. „Die Silberzunge hatte tatsächlich recht.“

„Ist das … ?“, fragte Sindor vorsichtig.

„Ja, das ist der Kriegshelm des Grafen Olbert … weit über 500 Götterläufe alt. Aus den Gründerzeiten der Grafschaft sozusagen.“

„Und diese Haarbüschel, sind das … ?“

„Oh ja, das sind die Haarbüschel der Familie Waldstein, die Olbert abgeschlachtet hat um selbst Graf zu werden.“

„Aber was will der Seneschall damit?“ Sindor blickte seinen Freund und Dienstherrn fragend an.

„DAS ist eine gute Frage … !“


Autor: Bega

Der Wald erwacht

Markt Weißenstein, Königlich Serrinmoor, Ingerimm 1043 BF:

Der Scheiterhaufen brannte lichterloh und ließ glühende Funken in den abendlichen Himmel aufsteigen, bis diese im scheinbaren Nichts verglühten. So wie die Schmerzensschreie der alten Kräuterfrau, deren Leben in den um sich schlagenden Flammen in Rauch aufgegangen war. Was übrig blieb war wie Asche eines Lebens. Der beißende Gestank von verbrannten Fleisch lag noch in der Luft.

Zufrieden standen Junker Arnulf von Weißenstein, der gräfliche Hofkaplan, Prätor Gutfried von Weißenstein und der Custos Lumini Lechmar von Weißenstein vom örtlichen Praios-Tempel vor Szenerie.

„Der Atem der Reinigung“, flötete der gräfliche Prätor und atmete tief ein – nur um dann gleich hustend auszuatmen. So reinigend war die Asche schwangere Luft wohl doch nicht.

„Diese Kreaturen werden immer dreister. Unverhohlen hat dieses Weib vor dem Tempel des Götterfürsten ihre blasphemischen Ausgüsse raus geschrien. Der Götterfürst habe keine Macht über den Forst, ha. Sehr wohl ist ihm auch der Forst untertan und das Leben dieses Weibes allemal.“ Die Gesichtszüge des Custos Lumini waren starr und kalt.

„Wehret den Anfangen, einen Abfall vom Glauben wie einst darf nicht geduldet werden!“ Die Stimme des Junkers schnitt durch den abklingenden Rauch. Er spielte wohlweislich auf die ketzerischen Umtriebe der Bekenner im hiesigen Tempel an.

„Die Bannstrahler werden sich ihrer annehmen! Praios vult!“ Der alternde Prätor hatte sich nun wieder gefangen.

„Wir müssen dafür Sorgen tragen, dass unsere Feinde in dieser reinigenden Feuerwelle vergehen!“ Nun hatten die Gesichtszüge des Junkers etwas wölfisches.

„Es hat bereits begonnen, mein lieber Neffe. Der Seneschall ist da ein williger Steigbügel.“ Der Prätor wandte sich gelangweilt vom nur noch schwach schwelenden Scheiterhaufen ab.

„Der Seneschall ist ein Narr. Das reinigende Feuer wird auch ihn hinwegfegen.“ Heilger Zorn blitzte in den Augen des Custos Lumini auf.

„Alles zu seiner Zeit!“ Mit diesen Worten wandte sich der Junker ab.


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Markt Hagenbronn, Baronie Ulmenhain, Ingerimm 1043 BF:

Zufrieden schritt Junker Bernfried von Hagenbronn mit seinem Bruder Falk über den Marktplatz.

„Die neue Markthalle ist ein wahres Schmuckstück, siehe nur die graziösen Schnitzereien mit all ihre Schnörkelchen … wahrhaft ein Meisterwerk unserer Handwerkskunst.“

„Da hast du dich nicht lumpen lassen, Bruder“, entgegnete der Junker von Hartenau eher ungerührt. Weltliche Reichtümer halten dem Tsa-Akoluthen nicht mehr viel. Sein Lehen, die Hartenau, musste er schon vor einigen Götterläufen aufgeben, da der Wald die gerodete Lichtung wieder zuwucherte. Die Siedler fanden bei seinem Bruder hier in der Hagenau eine neue Heimat – sehr zu Freude von diesem.

„Diese Markthalle wird viel gutes Gold in unser Säckel bringen, bei Phex, das schwöre ich dir. Denn auch im Winter und bei schlechtem Wetter können die Händler nun ungestört ihren Geschäften nachgehen und dem Elfenpfad sei Dank, die Händler werden kommen.“ Bernfried klang nahezu euphorisch. „Hier herrscht geradezu Aufbruchstimmung.“

„Wenn du das sagst, Bruder.“ Der in den Farben des tsagefälligen Regenbogen angetane Falk hatte keine Muse sich mit seinem Bruder zu streiten.

„Aber ja, auch die Palisade wurde letzten Götterlauf fertig gestellt“, frohlockte der Junker, „Hier in Hagenbronn können sich die Händler sicher fühlen.“

„Die Bewohner natürlich auch“, ergänzte Falk.

„Äh, ja“, erwiderte Bernfried etwas irritiert.

Einer der Bewohner kam schnurstracks auf die beiden Adligen zugelaufen. „Herr, kommt schnell, es ist was mit der Palisade.“

„Na, was soll mit der schon sein“, antwortete der Junker etwas unwirsch.

„Die lebt, oder so.“

„Wie, die lebt?“ Bernfried riss seine Augen groß auf

„Na, die lebt wieder … überall sprießt es aus den Palisadenstämmen … .“

„Das darf doch wohl nicht … .“ Noch bevor Bernfried hektisch loslaufen konnte, fasste ihn sein Bruder am Arm.

„Ich sagte dir doch, mit dem Wald stimmt was nicht. Erinnere dich daran, was mit der Hartenau passiert ist.“

„DAS wird hier nicht passieren!“ Bernfried riss sich von seinem Bruder los.


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Gut Birkenbruch, Baronie Tannwirk, Ingerimm 1043 BF:

Unterschiedlicher könnten die beiden Personen nicht sein, die zusammen bei einem Humpen Bier saßen. Die eine, junge Herrin der Stammlande der Familie und Familienoberhaupt, die Waldstein selten verlassen hatte. Der andere, alternder, weitgereister Mann, der die meiste Zeit seines Lebens außerhalb der Grafschaft verbracht hatte und erst vor wenigen Götterläufen zurück in seine Heimat gekommen ist, um sein Erbe anzutreten.

„Wie geht es dem kleinen Ulfwin?“, wollte Arva wissen.

„Ach, dieser Bengel“, Howarth schüttelte seine ergrautes Haupt, „immer kränklich, immer am quengeln. Kürzlich hat er sich gar von Krähen fast das Auge ausstechen lassen. Die Diener können ihn einfach nicht alleine lassen.“

„Howarth, ich glaube nicht, dies hier ist der richtige Ort für einen kleinen Jungen. Er hat hier doch gar keine Spielkameraden. Bei mir auf Birkenkopf wäre er von Gleichaltrigen umgeben. Aber darüber sprechen wir später. Erzähl mir erstmal von den diesem merkwürdigen Krähenangriff.“

„Ach, angeblich sollen das besonders große Exemplare gewesen sein … ein ganzer Schwarm riesenhafter Krähen. Meine Bauern trauen sich kaum noch auf die Felder. Du weißt doch wie abergläubisch die hier sind. Da sind die Praioten aus Tannewacht mit ihre wirren Predigten auch nicht gerade hilfreich.“

„Hm, bevor ich zu dir kam, war ich bei der Zweifelfels in Seligenfeld. Sie erzählte mir ähnliche Vorkommnisse.“ Arva stutze.

„Also, was hier im Forst wieder los ist“, Howarth nahm einen großen Schluck von seinem Bier. „Ich bin meiner Heimat fremd geworden … ich gehöre an den Grafenhof.“

„Lamentieren hilft nicht!“ Der Blick der jungen Frau wirkte vorwurfsvoll. „Ich werde nach Tannwirk reisen um mit der Marktvögtin über diese mysteriösen Krähen zu sprechen – und Ulfwin nehme ich mit!“

„Meinethalben, nimm den Jungen mit.“ Der alternde Junker wirkte fast schon erleichtert. „Aber warum die Marktvögtin und nicht den Landvogt?“

„Ach, der ist ein sturer Bock! Mit dem kann man nicht reden.“


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Schlossgut Bergensteen, Baronie Falkenwind, Ingerimm 1043 BF:

„Sind meine Sachen gepackt“, keifte Junkerin Cassia von Bergensteen ihre Zofe Rahjane an.

„Jawohl, Herrin.“ Die junge Frau biss sich auf die Zunge. Sie könnte diese geifernde Zicke einfach nicht ausstehen, wie sie so von oben herab auf ihre Familie blickte.

„Immerhin das kannst du!“. Cassia wandte sich wieder von ihrer Zofe und diese verschwand für sie aus ihrer Wahrnehmungswelt. In diese trat ihr treuer Haushofmeister Jargolan Vernsen.

„Herrin, ich muss Euch vor Eurer Abreise noch mit einer kleine Unannehmlichkeit belästigen.“ Der alte Mann lächelte gequält.

„Jargolan, was ist denn nun schon wieder?“ Die Junkerin mit den verspielten blonden Locken wirkte leicht gereizt.

„Der Auenpfad ist immer noch nicht passierbar … ich meine, der Winter ist doch schon lange vorbei … und die geschickten Holzfäller haben alle das Weite gesucht. Eine verwirrte Seele hat von Geistererscheinungen gefaselt … und von Bäumen, die am nächsten Tag wieder an ihrem Platz standen.“

„Jargolan, dann heuert neue Holzfäller an, oder was auch immer … dafür habe ich dich. ICH kann mich mit so was nicht beschäftigen. Ich reise an den Hof von Uslenried.“ Die Stimme Cassias wurde auf einmal wieder ruhig und lieblich. „Der junge Baron hat Gefallen an meiner Rowena gefunden, meinem Augenstern. Wenn alles gut geht, ist sie schon bald die neue Baronin von Uslenried. DAS sind die Probleme, mit den ich mich beschäftigen muss, dieser verfluchte Pfad ist dein Problem! Und jetzt husch, husch … meine Kutsche wartet.“

Fragt sich, wie lange es noch Wege für die Kutsche gibt, dachte sie der gutherzige Jargolan und schüttelte seinen Kopf.


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Dorf Altgob, Baronie Schwanenbruch, Ingerimm 1043 BF:

Es war schon tiefe Nacht, doch im Herrenhaus von Altgob brannte noch Licht. Herrenhaus war eigentlich zu viel gesagt, denn der einstöckige Holzbau, der auf einer der wenigen festen Anhöhen der Altgobsümpfe stand, war schlicht und einfach das größte Gebäude des kleinen Ortes, dessen Bewohner hauptsächlich vom Torfabbau lebten.

Die Bewohner der Sümpfe galten im restlichen Schwanenbruch schon immer als sonderbar – und das waren sie auch. Hier, wo die Gefahren der Moore und des Forstes allgegenwärtig war, hatten sich besondere Traditionen und Riten über die Jahrhunderte etabliert. War zum Beispiel ein Kind bei der Geburt zu schwach, wurde es den Moorgeistern geopfert, oder aber die nächtlichen Feuer um das Dorf, die die Kreaturen von Sumpf und Forst fernhalten sollten. Storko verstand viele der Eigenarten seiner Untertanen nicht, aber er ließ sie gewähren, den er war nur ein Zugezogener. Sein Vorgänger, Storkos Bruder Pagol, hatte es ebenso gehalten.

Nun aber hatten diese Sonderbarkeiten zugenommen. Immer wieder wurde von seltsamen Lichtern im Sumpf berichtet, Storko selber hatte schon welche mit eigenen Augen gesehen. Tiere verschwanden, einige tauchten wieder auf, starben dann aber nach kurzer Zeit. Die alte Brunhild meinte gar, ihren vor 12 Götterläufen verschollenen Sohn im Nebel wiedergesehen zu haben. War das nur das Wunschdenken einer verzweifelten Mutter? Hier im Sumpf regte sich war und Storko musste handeln, sonst würden die Dorfbewohner womöglich noch gesunde Kinder opfern.


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Gut Eynweiher, Kaiserlich Sertis, Ingerimm 1043 BF:

Erschöpft ließ sich Junker Ugdalf von Eynweiher auf seinen Stuhl fallen und auch sein Sohn Giselher wischte sich den Schweiß aus von der Stirn.

„So habe ich mir den Besuch auf der heimatlichen Scholle nicht vorgestellt“, stöhnte der junge Ritter. „Wann fing das an?“

Der alternde Junker kippte einen berühmt berüchtigten Eynweiher Brand runter. „Junge, das geht schon seit dem Winter so. Diese Biester trauen sich immer wieder in unsere Siedlungen, reißen Vieh. Die Jäger und Köhler trauen sich gar nicht mehr in den Forst. Viele wurden schon angegriffen, wurden schwer verletzt … einige kamen gar nicht mehr wieder.“

„Es ist wohl mal wieder an der Zeit für eine große Wolfsjagd, wie?“

„Spätestens beim Eynweiher Brandlöschen im Praios werden wir diesen Kreaturen den Garaus machen. Der tapfere Waldsteiner Niederadel kann dann wieder zeigen was er drauf hat.“

„Na, wen interessieren schon irgendwelche Wölfe, am Grafenhof gehen sie sich gegenseitig an die Gurgel.“ Auch der Sohn goss sich einen Brand ein.

„Das ist auch noch so ein Thema. Prost mein Sohn.“ Beide Ritter kippten den Eynweiher Brand runter.


Autor: Bega

Duell mit Folgen

Gut Pochsen, Gräflich Luring, Ende Rondra 1044 BF:

Völlig abgehetzt kamen Pferd und Reiter im Heerlager der Waldsteiner Ritter in den Luringer Höhen an. Erschöpft nach diesem Eilritt ließ sich Alrik Raul von Hohentann von seinem zerschundenen Pferd gleiten. Auf dem Weg hierher hatte er weder sich, noch sein Reittier geschont.

„Kümmer dich darum und besorg mir ein frisches Pferd!“, herrschte der Hohentann einen Burschen an. „Wo finde ich den Hauptmann?“ Der Junge zeigte verängstigt zum Haupthaus des Gutes.


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Im Rittersaal des Herrenhauses stand Hauptmann Irberod von Leustein mit den beiden Rittern Arlt von Weißenstein und Hilger von Rallerquell vor einer großen, vor ihnen ausgebreiteten Karte, worauf einige Figuren standen.

„Hauptmann, verzeiht mein so unvermitteltes Eintreten, aber es gibt dringende Neuigkeiten.“

„Dann lasst hören“, antwortete der Leustein mit fester Stimme.

Hermine von Alka hat das Duell aufs dritte Blut gegen Baron Drego verloren.“ Der Hohentanner keuchte und war merklich außer Atem.

„SIE HAT WAS?“, brüllte der Hauptmann.

„Sie hat sich auf Verhandlungen mit dem Altjachtern eingelassen und beide haben sich auf ein Duell aus dritt Blut verständigt. Der Sieger des Duells sollte Schwarztannen erhalten, der Verlierer die Lande mitsamt seinen Truppen räumen. Die Möglichkeiten standen extrem gut für die Alka, wenn man bedenkt was für eine gute Schwertkämpferin sie ist und der Altjachtern, nun, der kann eben nichts.“

„Sie war nicht autorisiert solcherlei Verhandlungen zu führen“, echauffierte sich der Junkerssohn Arlt von Weißenstein, „also ist das niemals bindend.“

„Das Duell stand unter dem Segen von Riena der Roten, also … da können wir nicht einfach... .“ Der Schwanenbrucher Ritter stockte, als er den hochroten Kopf des Hauptmannes sah. Doch anstelle eines tobenden Wutanfalls, blickte der Hauptmann zu den drei Männern.

„Schwach! Einfach zu schwach! Lasst euch Grünschnäbeln das eine Leere sein.“ Der Hauptmann wandte sich verächtlich ab und ging. „Den Sieg vor Augen und doch gescheitert. Die Alka ist zurecht gefallen. Einfach zu schwach!“

„Und der Abzug aus Schwarztannen?“, wollte Hilger von Rallerquell wissen.

„Wir werden unsere Truppen aus Schwarztannen abziehen, da bleibt uns nichts anders übrig. Riena die Rote ist eine moralische Größe für unsere Truppen. Die Leunin hat durch das Götterurteil gesprochen. Das ist auch für uns bindend. Wir werden nach Waldstein zurückkehren, so sei es! Die Ritter sollen sich hier sammeln. Veranlasst alles Notwendige, Hohentann!“


Autor: Bega

Baronsrat in Weiden

Baronsrat – Blick aus der Ferne


Burg Windenbrück, Stadt Osenbrück, Anfang 1044 BF:

Selindra von Windenstein-Zweifelfels hielt kurz die Luft an, als ihre treue Zofe Isira ihr den wildledernen Wams zuschnürte. Die Baronin von Osenbrück war eine großgewachsene Frau mit imposanter Statur und langen, hellblonden Haaren. Ihre stechend eisblauen Augen wirkten auf ihre Gegenüber meist einschüchternd, was ihr die Beinamen 'die eisige Baronin' oder 'Firuns eisige Maid' eingebracht hatte. Selindra störte dies wenig, als harte aber gerechte Herrscherin lagen ihr die Ideale des grimmen Firun doch weit näher, also die der Herrin Rondra.

„Danke, Isira, wo sind mein Darbrod und die Kinder?“

„Euer Gemahl spielt mit Odilion und Yara unter der Windeiche, Herrin.“ Die jung Zofe deutete aus dem kleinen Fenster.

„Ach, dieser Kindskopf.“ Selindra schüttelte ihren Kopf. „Aber soll er nur, die beiden lieben es mit ihrem Vater Zeit zu verbringen.“

Ein Klopfen riss die Baronin aus ihren Gedanken. Die Pagin Ayla trat ein.

„Herrin, die Jagd- und Forstmeisterin möchte Euch sprechen.“

„Sie soll eintreten!“ Die Stimme der Baronin war wie immer laut und klar.

Die über 40 Winter zählende Borhilde von Persau sah weit älter aus als sie eigentlich war. Ihr wettergegerbtes Gesicht wurde von langen, strähnigen Haaren umrandet. Die bürgerlich geborene Adlige galt als wortkarg und versuchte erst gar nicht sich standesgemäß zu geben. Dafür kannte sie den verwunschenen Reichsforst wie ihre Westentasche und war in diesen Belangen ihrer Baronin eine fähige Ratgeberin.

„Frau Selindra“, begann Borhilde mit kratziger Stimme. „ich komme gerade aus Persenburg, der Grafenstieg ist auch in diesem Sommer nicht passierbar.“

„Hat die dortige Ritterin … Kronritterin“, korrigierte sich Selindra mit einem Augenrollen selbst, „versucht den Stieg freizubekommen?“

„Ja, mit Axt und Feuer!“, antwortete die Borhilde knapp.

„Was ist passiert?“

„Die Bäume standen am nächsten Morgen wieder dort wo sie gefällt wurden.“

„Es wird immer mehr“, murmelte die Baronin mehr zu sich selber als zur Jagd- und Forstmeisterin. „Der Osenbrücker Forst wird auch immer dichter, wie ich vom alten Firutin aus Gauternburg und von Finyara aus Wegwarte hörte.“

„Der Wald schließt seine Reihen, Frau Selindra“, sprach Borhilde mahnend.

„Ja, so scheint es, ich werde mich mit Gisborn und Vallbart diesbezüglich beraten. Du kannst gehen!“

Selindra schüttelte den Kopf. Wie würde das nur weitergehen? Der verwunschene Forst regte sich schon lange – weite Teile ihrer Lande hatte er sich bereits geholt – doch nun schien etwas anders zu sein. Sie konnte es noch nicht so richtig fassen, aber sie spürte es. Seit dem mysteriösen Tod ihres Vaters im märkischen Rensforst war etwas im Gange.

Ihren Gedanken nachhängend, schritt die Baronin wieder zum Fenster. Im Innenhof übten ihre beiden Knappen Frumir und Rowan mit dem Schwert – lautstark angefeuert von Selindes Hausritterin Ademar von Gugelforst und Wahnfried von Altjachtern. Für einen Moment war es, als zauberte sich der Anflug eines Lächelns auf das Gesicht der gestrengen Baronin. Der Glanz in ihren Augen kündete von Stolz. Die beiden Jungen würden einmal zu wahren Rittern heranreifen, da war sich Selindra sicher.

Wieder war es ein Klopfen an der Tür, die sie aus ihren Gedanken riss.

„Herein!“

Diesmal war es Raulbart von Zweifelfels, der – in Begleitung seines Knappen Arn von Storchenhain – die Ruhe Selindras störte. Dem Erbvogt der Stadt Osenbrück oblag die Verwaltung ihrer Lande und es war einzig und allein seinem Geschick zu verdanken, dass die herrschaftlichen Kassen nicht vollends leer waren.

„Firun zum Gruße!,“, brummte der Erbvogt mit tiefem Bass.

„Das Land mit dir, Raulbart“, erwiderte die Baronin. „Ich hoffe du bringst mir keine schlechten Nachrichten.“

„Nein, nein.“ Raulbart kniff vergnügt seine Augen zusammen. „Mein Erscheinen bringt nicht immer nur schlechte Nachrichten mit sich. Dieses Mal zumindest nicht.“

„Dann erfreue mich mit guten Nachrichten, mein Freund!“ Selindra blickte den alternden Ritter, der eigentlich mehr Bürokrat war, auffordernd an.

„Ich hatte ein sehr erbauliches Gespräch mit Ademar vorhin“, begann Raulbart zu erzählen. „Er berichtete von einem Brief aus seiner Weidener Heimat. Nun, wie es scheint, werden sich die Weidener Barone zu einem Baronsrat versammeln um dies und das zu besprechen, was uns nicht weiter kümmern soll, doch … sicherlich werden die Weidener auch einen Blick auf das in Fehde liegende Garetien werfen. Das wäre eine günstige Gelegenheit.“ Der Erbvogt machte eine bedeutungsschwangere Pause. „Nebenbei könntest du unsere traditionell guten Beziehungen zu den Gugelforstern und Weiden-Harlburgs pflegen.“

„Du musst gar nicht weiter reden, Raulbart“, unterbrach Selindra ihren Vogt. „du hattest mich bereits bei 'erbauliches Gespräch mit Ademar'. Lass ihn bitte rufen, er soll mir alles wissenswerte über diesen Baronsrat erzählen.“


Autor: Bega


Praiosmin von Hohenfels

Eine Antwort aus Waldstein


Hirschfurter Grafenpalas, Efferd 1044 BF:

„Ich hörte der junge Albin ist nach Perricum zur Heerschau gereist?“ Landrichterin Yalagunde von Zweifelfels schaute stirnrunzelnd zu ihrem Adjutanten Leomir von Zweifelfels rüber. „Es erscheint mir etwas verwegen für einen gräflichen Kämmerer.“

„Ich denke es handelt sich um private Beweggründe, aber sicher bin ich mir nicht“, erwiderte der Angesprochene mit Achselzucken. „Weißt du mehr?“ Leomirs Blick richtete sich auf seinen Knappen Sibelian, der sich gerade – wie eigentlich immer – verträumt in einem kleinen Handspiegel bewunderte. Es gab wohl keinen in den Waldsteiner Landen, der selbstverliebter war als der junge Windfels – doch sollte man sich nicht täuschen lassen, denn sein Umgang mit Schwert war ebenso schön anzusehen wie das Spiegelbild des schönen Sibelian.

„Der Storchenhain?“, fragte Sibelian ohne dabei seinen Blick von seinem Spiegelbild abzuwenden, „der ist mit seinem halbelfischen Gefährten Hals über Kopf abgereist. Die lungerten vorher vor dem Amtszimmer des Seneschalls rum. Irgendwas ist da im Busch.“

„Der Seneschall und der Kämmerer – die werden wohl nie Freunde.“ Yalagunde schüttelte missbilligend den Kopf. Sie hatten für solche Spielereien um gekränkte Eitelkeiten kein Verständnis. Der Waldsteiner Hof war in seiner Geschichte wohl nie so gespalten wie dieser Tage. Die Waldsteiner Traditionalisten um Seneschall Coswin von Streitzig standen den Waldsteiner Elfenfreunden um Landvogt Vallbart von Falkenwind zunehmend unversöhnlicher gegenüber. Dies führte zu einer regelrechten Spaltung des Hofes. Während sind die Elfenfreunde im Elfenschloss Silz mitten im verwunschenen Reichsforst versammelten, hielten die Traditionalisten auf dem gräflichen Gut Grafenruh vor den Toren der Reichsstadt Hirschfurt Hof. Doch schwappte der Konflikt seit der Ernennung des neuen Kämmerers auch auf das Hirschfurter Grafenpalas über, denn der junge Storchenhain war ein Parteigänger der Elfenfreunde.

„Es grämt dem Seneschall immer noch bei der Besetzung des Kämmerer-Postens von der Gräfin übergangen worden zu sein, er hatte wohl schon jemanden ausgeguckt und der junge Storchenhain kann sich zurecht darauf was einbilden von der Gräfin direkt per Dekret aus dem fernen Silz ernannt worden zu sein.“

Ein Klopfen an der Tür unterbrach den politischen Diskurs der beiden Zweifelfelser und Yalagundes Knappe Simion Carten Adersin von Dunkelsfarn trat ein. Der Junge aus Greifenfurter Hochadel war eher unauffällig, doch brannte in ihm ein Ehrgeiz, der für die jungen Jahre ungewöhnlich war.

„Landrichterin, Landritter, ich bringe die heutige Post.“ Mit einer Verbeugung übergab er Leomir einen Stapel Briefe. Routiniert sortierte der Landritter von Rallerstelz die Briefe nach Wichtigkeit, blieb dann aber an einem hängen.

„Ach, ein Brief aus Albernia von unseren Hohenfelser Freunden.“ Sogleich erbrach Leomir das Siegel und begann zu lesen.

„Was gibt des Neues aus der westlichsten Provinz?“, wollte Yalagunde nach einer Weile wissen.

„Ach, Baron Gilborn Praioden von Hohenfels ist von all seinen Ämtern und Titeln zurückgetreten um sich den Prüfungen er Sturmleuin zu stellen. Neue Baronin ist nun Praiosmins Schwester. Na das sind mal Überraschungen!“

„So kennen wir Albernia“, antwortete Yalagunde lakonisch.

„Der Oheim von Praiosmin ersucht meinen Rat bezüglich dem weiteren Werdegang des Mädchens. Ihre Pagenzeit bei mir neigt sich gen Ende.“ Leomir stand auf und ging zum Fenster und starrte über den geschäftigen Marktplatz der Reichsstadt Hirschfurt hinweg.

„Wo ist die Kleine?“, wollte Yalagunde wissen.

„Sie ist mit Yasinthe im gräflichen Archiv, wie so oft.“ Leomir wandte sich wieder der Landrichterin zu. „Die beiden verschlingen nahezu jeden Folianten, jedes Schriftstück zu Rechtsurteilen, wie mir die Archivarin kürzlich erzählte. Du weißt auch, wie sehr sie dir an den Lippen hängen. Ich bin fest davon überzeugt, Praiosmins Weg ist nicht der einer Ritterin, sondern der einer Rechtsgelehrtin.“

„Dann sei es so!“ Die Antwort der Landrichterin war so kurz wie prägnant.


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An Hochgeboren Anselm von Hohenfels, Burggraf von Hohenfels und Junker zu Güldenau,
 
 
 
 
es erfreut mein Herz von unseren Freunden aus dem fernen Albernia Kunde zu vernehmen. Im Namen meiner Familie übersende ich Euch die allerherzlichsten Glückwünsche zu Praiolynnas Erhebung zur Baronin von Hohenfels. Möge sie die gerechte Herrschaft im Herzen tragen und ihren Landen eine ehrbare Landesmutter sein.

Eurer Gesuch ehrt mich. Nach besten Wissen und Gewissen werde ich versuchen dieser Aufgabe gerecht werden. Die gute Praiosmin ist ein tüchtiges Mädchen. Sie betet zu jeder zweiten Praoisstunde am Schrein des Götterfürsten im Grafenpalas, auch lässt sie keine paiostägliche Messe im Tempel aus. So ist auch reichlich von der allwissenden Hesinde mit einer schnellen Auffassungsgabe und einen scharfen Verstand gesegnet worden. Ihr Lieblingsort scheint mir das gräfliche Archiv zu sein, wo sie zusammen mit meiner zweiten Pagin Yasinthe von Halmenwerth alte Folianten durchstöbert und Abschriften von Urteilen studiert wann immer die beiden Zeit dafür finden. Praiosmin ist in unseren Hallen dafür bekannt, einen Praios gefälligen Sinn für Gerechtigkeit zu haben. Auch wohnt in ihr der Hesinde gefällige Scharfsinn. Sie ist standhaft und unverrückbar im Glauben an das Reich. Ich wage zu behaupten Eurer Nichte die edlen Eigenschaften Eurer Familie zuzuschreiben, was mich mit großen Stolz erfüllt.

Da Ihr einen Ratschluss von mir begehrt, so möchte ich Euch anempfehlen, Eure Nicht auf das Rechtsseminar für angewandte Staatskunde zu St. Ancilla zu schicken. Dort wird Praiosmin zu einer der fähigsten Rechtsgelehrten des Reiches heranreifen. Auch wenn es mich schmerzt sie aus meiner Obhut zu entlassen, doch hier kann ich ihr nichts mehr beibringen. In St. Ancilla kann das freundschaftliche Band zu Yasinthe sich weiter festigen, denn wie ich von ihrem Vater vernahm, wird auch ihr Weg nach St. Ancilla führen. So verbleibe ich mit den besten Grüßen und hoffe Euch mit meiner Empfehlung genüge getan zu haben.

Das Land und die Götter mit Euch!
 
 
 
 
Leomir von Zweifelfels Landritter zu Rallerstelz Adjutant der Landrichterin zu Waldstein

gesiegelt im Efferd 1044 BF im Grafenpalas der Reichsstadt Hirschfurt.